Der Satz sitzt: "Vor dem Hintergrund von Euro 6 halte ich es für wettbewerbsentscheidend, überhaupt einen Zweiachser mit 11,5 Tonnen Hinterachslast hinzukriegen." Evobus-Technikchef Richard Averbeck ist bekannt für klare Worte.
Dieses hier schüttelt wirtschaftlich denkende Busunternehmer in Ländern mit knappen Gewichtsvorgaben erst einmal durch. Zweiachser mit Drei-Sterne-Bestuhlung sind jetzt schon heikel, nun wird's noch kritischer. Averbeck zum Hintergrund: "Über Euro 6 kommen bis zu 300 Kilogramm Gewicht ins Fahrzeug." Die Zusatzlast ist außerdem nach der Hinterachse positioniert, mit entsprechender Hebelwirkung. Die Angelegenheit ist vertrackt: Euro 6 klappt nicht ohne höhere Kühlleistung, ohne Partikelfilter, ohne die Kombination von SCR-Technik und Abgasrückführung. Der Motor mutiert zum Nebenaggregat, eingeschnürt von Komponenten aus der Welt der chemischen Industrie. Das führt zu einem gewichtigen Heck, sehr eng wirds ebenfalls. Für Mercedes und Setra kommt im Wortsinn erschwerend ein mächtiger Diesel hinzu: Der neue OM 471, ein Reihensechszylinder mit 12,8 Liter Hubraum, baut mit seinen zwei oben liegenden Nockenwellen sehr hoch und ist mit rund 1.150 Kilogramm Gewicht ein deftiges Stück Eisen.
Seine Unterbringung im Heck "ist eine größere Operation", erläutert Averbeck. Projektleiter Peter Schumacher und sein Team haben einen komplett neuen Motorraum entwickelt. Die Maschine erhält für den Einsatz im Bus eine platzsparende, extrem flache Ölwanne. Gänzlich andere Temperaturverhältnisse verlangen nach enormer Kühlleistung. Doch zusätzliche Öffnungen der Karosserie bedeuten mehr Geräusch und größere Verschmutzung. Also muss eine ausgeklügelte Kühlung her. Der Kühler wandert nach rechts, eine Wand schottet ihn vom Diesel ab. Hinzu kommt eine ausgetüftelte Kühlluftführung mit Entlüftung durch ein großes Gitter rechts in der Motorklappe. An Statur gewonnen hat auch der Auspufftopf. Er ist mit SCR-Technik, Oxikat und Partikelfilter gefüllt, alles zugunsten des Wirkungsgrads zweiflutig und großformatig angelegt. "In Größe, Gewicht und Kosten ein beeindruckendes System", fasst Averbeck zusammen.
Ebenso beeindruckend ist auch der Erprobungsaufwand. Ein Dutzend Busse ist im Dauerlauf unterwegs. Sie legen jeweils etwa 300.000 Kilometer zurück. 1.150 Testkilometer am Tag bedeuten Törns von 20 Stunden am Stück. Gefahren wird in der Türkei, bei wechselndem Klima zwischen glühender Hitze und klirrender Kälte.
Kosten sind im Zusammenhang mit Euro 6 ein unsympathisches Stichwort. Zusatztechnik für Abgasrückführung und Partikelfilter, dazu die Entwicklung, das wird sich beim Reisebus auf etwa 12.000 Euro pro Wagen summieren.
Ihre Omnibus-Premiere wird die neue Maschine mit Euro 6 im Herbst in den Dreiachsern von Mercedes und Setra feiern. Ihr Mumm ist beachtlich: Die Leistungsstufen heißen 350 kW (476 PS) mit 2.300 Nm Drehmoment und 375 kW (510 PS) mit 2.500 Nm. Die Zweiachser werden wohl etwa ein Jahr später folgen, jedoch mit schlankerer Maschine: Zur neuen Motorenfamilie von Mercedes-Benz gehört auch ein Reihensechszylinder mit 10,6 Liter Hubraum. Sein Leistungsvermögen dürfte sich zwischen 260 kW (354 PS) und 330 kW (449 PS) bewegen. Das Gewicht wird sich auf eine Tonne belaufen - dann stimmt die Bilanz, Zweiachser haben Zukunft.
Aber auch der dicke Motor hat außer seiner Kraft weitere sympathische Seiten: Daimler verspricht extrem lange Haltbarkeit, es wird bei Ölwechselintervallen von 90.000 Kilometern bleiben. Dazu läuft die Maschine dank Common-Rail-Einspritzung weicher und sympathisch leise, das Verbrennungsgeräusch klingt weniger hart, als seit Euro 4 gewohnt. Bis zu einem Fahrbericht wird's noch dauern, zum ersten Hörbericht hat es schon gereicht: Den turbinenartig-metallischen Sound kennt man aus Nordamerika, dort arbeitet der schwere Junge bereits in vielen Lkw sowie in drei Dutzend Setra.