Die Bundesregierung hat ihre Klimaziele im Verkehrssektor klar verfehlt. Die CO2-Emissionen steigen weiter an.
Wie aus dem „Klimaschutzbericht 2019“ des Kabinetts hervorgeht, sind die CO2-Emissionen im Mobilitätsbereich im Vergleich zu 2018 um 1,2 Millionen Tonnen auf 163,5 Millionen Tonnen gestiegen. Da der Treibhausgasausstoß in anderen Sektoren sinkt, liegt der Anteil des Verkehrs an den Gesamtemissionen 2020 inzwischen bei rund 19 Prozent. Insgesamt sind die Treibhausgase in Deutschland 2019 im Vergleich zu 1990 um 35,7 Prozent zurückgegangen. Den größten Beitrag leistete die Energiewirtschaft, die aber nach wie vor auch der größte Verursacher ist. An zweiter Stelle beim Ausstoß von CO2-Emissionen steht die Industrie, gefolgt vom Verkehr.
Keine Fortschritte im Verkehr
Insgesamt hat der Mobilitätssektor seinen CO2-Ausstoß in den vergangenen 29 Jahren nicht einmal um ein Prozent vermindert. „In der Summe werden mehr Benzin und Diesel verbraucht“, stellt die Bundesregierung fest. Das liege auch daran, dass immer mehr und schwerere Fahrzeuge (+ 1,6 %) auf den Straßen seien. Bis 2030 darf der Sektor aber nur noch 98 bis 95 Millionen Tonnen CO2 ausstoßen. Erreicht werden soll das mit mindestens sieben Millionen zugelassenen Elektrofahrzeugen, alternativen Kraftstoffen und digitaler Verkehrstechnologie. Die Erneuerung der Schiene mit Investitionen von 86 Milliarden Euro bis 2030 wird ebenso genannt wie Milliardengelder für den öffentlichen Personenverkehr der Länder.
Corona-Virus als Retter
Die Klima-Hoffnungen der Regierung für 2020 liegen nicht zuletzt auf den Auswirkungen eines milden Winters sowie insbesondere dem Corona-Virus und der damit verbundenen schwächeren wirtschaftlichen Aktivität. Das verpflichtende Ziel, die Treibhausgasemissionen um 40 Prozent zu reduzieren, könnte sonst wohl kaum erreicht werden. Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass die Emissionen im Verkehr schon 2021 auf 145 Millionen Tonnen CO2 gesenkt werden, und auch danach soll es rasant weitergehen. Elektromobilität, der Einsatz von Wasserstoff und anderen strombasierten Kraftstoffen, auch die Verlagerung von Verkehren auf die Schiene, ihre Verringerung oder komplette Vermeidung stehen an.
Kritik von vielen Seiten
„Es sollte der Bundesregierung hochnotpeinlich sein, dass erst eine Pandemie das Erfüllen der Klimaschutzziele ermöglicht“, sagte Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Gebraucht werde mehr Klimaschutz im Verkehr. Die Maßnahmen von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) seien weitgehend wirkungslos, kritisierte Michael Müller-Görnert vom Verkehrsclub VCD. Das Ministerium habe sich die CO2-Minderung mit Alibi-Maßnahmen schön gerechnet und unrealistische Potentiale angesetzt, etwa bei der Förderung von Fahrzeugen mit Wasserstoffantrieb, dem Einsatz von Biokraftstoffen oder Lkw mit Gasantrieb.
Erneuerbare liegen bei fünf Prozent
Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) bezeichnete den Bericht als „Desaster mit Ansage“ und forderte ein „umfassendes Konzept für den Straßenverkehr mit konkreten Maßnahmen für die Abkehr von fossilen Kraftstoffen“. Nötig sei der weitere Ausbau der Förderung von Biokraftstoffen, die 2018 rund 9,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart hätten. Erneuerbare Energien hätten derzeit einen Anteil von etwas über fünf Prozent am Energieverbrauch im Verkehr, der sich bis 2030 vervierfachen müsse, um die Klimaziele zu erreichen. Diese Rechnung schließe die Elektromobilität nicht mit ein.
Opposition: Wirkungslose Maßnahmen
Auch die Opposition kritisierte die Bundesregierung. Sie müsse ihr Klimaschutzprogramm 2030 grundlegend überarbeiten, damit auch der Verkehr endlich seinen notwendigen Beitrag zum Klimaschutz leiste, forderte die Bundestagsfraktion der Grünen. Umweltschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg taste die Koalition nicht an, und der Straßenausbau gehe ungebremst weiter. Für die FDP kritisierte der klimapolitische Sprecher Lukas Köhler, dass die Maßnahmen bei Verkehr und Wärme keine Wirkung gezeigt hätten.
Fernziel
Deutschland will seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 verringern. Das gemeinsame Ziel von Bundesregierung und EU ist, bis 2050 klimaneutral zu sein. Mit dem Klimaschutzgesetz vom Oktober 2019 hat die Bundesregierung den Klimaschutz verbindlich gemacht. „Wenn absehbar ist, dass die gesetzlichen Minderungsziele in einigen Sektoren nicht erfüllt werden, wird die Bundesregierung umgehend nachsteuern“, hat sie bei der Vorlage des Klimaschutzberichts betont.