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Wiedmann & Winz zum Mobilitätspaket Kritik an Rückkehrpflicht nach vier Wochen

Foto: Daimler AG - Global Communicatio

Wiedmann & Winz-Geschäftsführer Dr. Micha Lege kritisiert die geplante Rückkehrpflicht von Lkw und Fahrern nach vier Wochen im Rahmen des EU-Mobilitätspakets.

Der gute Wille war da. Die Verkehrsminister aus Mittel- und Westeuropa wollten mit dem EU-Mobilitätspaket dem osteuropäischen Nomadentum einen Riegel vorschieben. Fortan sollen die Fahrzeuge alle vier Wochen in ihre Heimatländer zurückkehren. Die Regulierung trifft aber auch zahlreiche westeuropäische Logistikunternehmen – nicht nur die Konzerne, sondern auch den deutschen Mittelstand.

Betroffen ist zum Beispiel auch die Spedition Wiedmann & Winz aus Geislingen an der Steige (Landkreis Göppingen), die sich wie andere größere deutsche Mittelständler dem freien Binnenmarkt gestellt und vor zwölf Jahren eine Niederlassung in Rumänien mit eigenen Fahrzeugen gegründet hat. Sie befürchtet einen erheblichen Kostenschub, sollte die Pflicht zur Rückkehr des Lkw in sein Heimatland kommen.

Geschäftsführer Dr. Micha Lege nutzte deshalb einen Besuch des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesverkehrsministerium (BMVI), Steffen Bilger, bei Wiedmann & Winz, um dem Politiker die Auswirkungen einer solchen Regelung vor Augen zu führen. „Eine regelmäßige Rückkehr von Fahrern und Fahrzeugen teilweise über Tausende von Kilometern halte ich für ökonomisch und ökologisch sehr bedenklich“, sagte Lege.

Wiedmann&Winz-Chef Lege kritisiert verordnete Leerfahrten

Zehntausende Lkw müssten dann ohne Ladung den Heimweg antreten, da es schlichtweg nicht so viele Ladungen gebe. „Zurück hätten wir dieselbe Situation: Die Preise würden verfallen. Der Schaden für die betroffenen – auch deutschen – Transportunternehmen wäre enorm.“ Auch angesichts der Klimadiskussion sei dieser Vorschlag nicht nachvollziehbar. „Unvorstellbar, wie viel CO2 hier ohne Nutzen produziert würde.“

Lege spricht sich zudem für mehr Freizügigkeit in der Diskussion um die Rückkehrpflichten der Fahrer aus: „In einer offenen EU sollte es im 21. Jahrhundert möglich sein, dass der Fahrer selbst entscheidet, wo er seine Wochenruhezeit verbringt“, argumentiert er. Der Firmenchef regt an, dass die Mitarbeiter ihre Wochenruhezeit auch in deutschen Betriebswohnungen verbringen können – oder in einem gut ausgestatteten Fahrerhaus auf Parkplätzen mit entsprechender Infrastruktur. „Unsere Fahrer haben ein großes Fahrerhaus mit Klimaanlage, Kühlschrank und Taschenfederkernmatratze“, berichtet Lege und ist überzeugt, dass die Schlafqualität darin besser ist als in einem Autobahn-Motel.

Dr. Micha Lege: Unsere Fahrer sind keine Nomaden

„Unsere Fahrer sind auch keine Nomaden, sondern gehören in Rumänien zu den Bestverdienern“, betont der Spediteur und nennt einen Nettolohn von mindestens 1.700 Euro im Monat. „Es gibt in Osteuropa nicht per se schlechte Arbeitsbedingungen“, sagt er, räumt aber ein, dass es natürlich auch schwarze Schafe gebe. Zum Schutz deutscher Unternehmen, aber auch zum Erhalt deutscher Arbeitsplätze bestehe hier tatsächlich dringender Handlungsbedarf.

Bei aller notwendigen sozialen Auskleidung ist es für Lege wichtig, dass sich gerade Deutschland der Globalisierung stellt: „Wir können nicht nur unsere Fahrzeuge und Maschinen nach Osteuropa exportieren und die dortige Transportindustrie aussperren. Wenn man jetzt zu viel Protektionismus an den Tag legt, laufen wir Gefahr, dass am Ende das gesamte Mobilitätspaket scheitert – und damit auch sinnvolle Regelungen.“

"Versorgungskette würde ohne Osteuropa zusammenbrechen"

Der Wiedmann-&-Winz-Chef ist überzeugt: „In Anbetracht des Fahrermangels würden ganze Versorgungsketten hierzulande ohne den Laderaum aus Osteuropa zusammenbrechen.“ Er appelliert an die EU-Institutionen, diese Realitäten anzuerkennen. In den kurzen Wochen wie an Ostern spüre man deutlich die Laderaum-Knappheit, wenn osteuropäische Kapazitäten fehlten.

Staatssekretär Bilger ­erwiderte, es sei noch völlig offen, was aus dem Mobilitätspaket werde. Mit dem Ergebnis der Verkehrsminister sei man zufrieden, mit dem Ergebnis im EU-Parlament nicht. Ein Gedanke hinter dem Gesetzeswerk sei es gewesen, zu verhindern, dass Fahrer monatelang unterwegs seien.

Regulierungsbedarf bei Polensprintern

Wo Spediteur Lege mit Blick auf die Konkurrenz aus Osteuropa dagegen Regulierungsbedarf sieht, ist beim Thema Planensprinter. Die Kleintransporter mit Dachschlafkabine sind besser als Polensprinter bekannt, obgleich es häufig ungarische oder rumänische Kenn­zeichen und die Fahrzeuge Fabrikate anderer Hersteller sind.

„‚Polensprinter‘ machen uns erhebliche Probleme“, betont der Unternehmer. „Eine Lkw-Ladung wird geviertelt und auf ‚Polensprinter‘ verteilt“, sagt er. An Bord seien arme Knechte – häufig mit schlecht gesicherter Ladung. Wenn es kracht, habe das oft gravierende Folgen. „Dieses Geschäftsmodell ist pures Sozialdumping zulasten der ordentlichen deutschen Unternehmen“, kritisiert Lege. Er fordert daher, bei der Maut auch die Lücke zwischen 3,5 und 7,5 Tonnen zu schließen, damit für Betreiber der Kleinlaster bei den Straßengebühren die gleichen Spielregeln gelten.

VSL-Geschäftsführer Marongiu: Es liegt vieles im Argen

„Wir stehen voll hinter dieser Forderung“, betont Andrea Marongiu, Geschäftsführer des Verbands Spedition und Logistik (VSL) Baden-Württemberg, der mit Leges Wahlkreisabgeordnetem Hermann Färber (CDU) ebenfalls an der Gesprächsrunde teilnahm. „Im Schwerlastbereich liegt einiges im Argen, aber was sich im Sprinterbereich entwickelt hat, ist unerträglich“, bekräftigt der VSL-Chef. Es brauche für dieses Segment die gleichen Regeln beim Berufszugang. Oft werde überladen und die Strafe im Preis einkalkuliert, kritisiert Marongiu und beruft sich auf Aussagen der Kontrollbehörden.

Staatssekretär Bilger erwidert, zurzeit sei bei der Maut für Transporter nichts zu machen, und verweist auf den Koalitionspartner: „Es gibt einen Bundesparteitagsbeschluss der SPD gegen die Handwerkermaut.“ Auch hier ist offenbar der gute Wille da, doch die Umsetzung will zumindest in dieser Legislaturperiode nicht gelingen.

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