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Wachsen mit Warehousing VTL macht nicht nur Stückgut

VTL steigt ins Warehousing ein. Foto: Photographee.eu - stock.adobe.com

VTL-Chef Andreas Jäschke mit den Beratern Prof. Dirk Lohre und Rainald Roth zu Fusionen und neuen Geschäftsmodellen.

trans aktuell: Corona verändert vieles. Daher findet dieses Redaktionsgespräch virtuell statt. Wie hat die Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?

Jäschke: Für VTL als Stückgut-Kooperation ist vor allem die Netzwerkstabilität ist wichtig. Im März haben wir von Corona noch nichts gespürt und selbst im April waren die Sendungszahlen mit minus drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr nur leicht rückläufig. Im Mai ist das Geschäft dann allerdings um rund zehn Prozent eingebrochen.

Wie haben Sie darauf reagiert?

Jäschke: Zunächst haben wir die Mitarbeiter aus dem gewerblichen Bereich in den Urlaub geschickt. Bereits im März hatten wir zwei Gruppen gebildet, die nach einem rollierenden System arbeiten. Das hat sich bewährt. Im kaufmännischen wiederum arbeitet seitdem die eine Hälfte im Homeoffice, vor allem Eltern. Das klappt sehr gut, sodass wir das Thema auch für die Zeit nach Corona nochmals beleuchten wollen.

Und wie sieht es bei den VTL-Partnern aus?

Jäschke: Bei VTL sind nach wie vor alle Partner an Bord. Diese sind natürlich gänzlich unterschiedlich aufgestellt – sowohl hinsichtlich der Verladerstruktur als auch mit Blick auf den finanziellen Hintergrund. Zum Glück ziehen die Geschäfte seit dem 2. Juni wieder an und liegen teilweise sogar über Vorjahr. Gesamt betrachtet liegen wir allerdings 5,4 Prozent unter Vorjahr und die Mengenentwicklung gestaltet sich bislang sehr volatil.

Sieht es im Bereich der Wissenschaft da besser aus?

Lohre: Wir mussten als Hochschule komplett umdenken, da bei uns viel mit Präsenz verbunden war. Darauf haben wir schnell reagiert – zum Teil mit Online-Veranstaltungen sowie mit zuvor aufgezeichneten Videos.

Welchen Einfluss hat Corona auf Transaktionen?

Roth: Corona hat Investoren stark verunsichert, außerdem ist die Beratung bei Übernahmen und Fusionen ein sehr vertrauliches Geschäft, für das der persönliche Austausch entscheidend ist. Im März wurden einige Transaktionen abgesagt, darunter die Pläne eines Investors, der in größerem Umfang in ein Logistikunternehmen einsteigen wollte. Auch unsere langjährigen Bestandskunden hatten ihre Akquisitionspläne erst einmal zurückgestellt.

Und mit Blick auf die Arbeitsabläufe?

Roth: Auch wir bei Consus Partners haben die Hälfte der Mitarbeiter nachhause geschickt, bis auf wenige Ausnahmen aber nur ins Homeoffice. Zu tun gab es nämlich trotz allem etwas: Schon im April kam es zu ersten Beratungsanfragen im Bereich Fusionen. Da fließt kein Geld, sondern es werden Gesellschaftsanteile getauscht. Seit Mai sind wieder alle im Büro und wir haben gut zu tun.

Apropos Fusionen: Warum hat sich bei VTL nichts ergeben?

Jäschke: Beim Versuch, VTL, Star und ILN zusammenzuführen, galt es zwei verschiedene Systeme unter einen Hut zu bekommen. Während VTL und Star mit dem Hub-Konzept arbeiten, ist ILN mit einem TSP-Ansatz, sogenannten Transhipment-Points, unterwegs. Im letzten Drittek der Gespräche kristallisierte sich allerdings heraus, dass wir die zukünftigen Produktionsbedingungen in Deutschland anders sehen als die beiden anderen Parteien.

Und bei Palletways?

Jäschke: Bei den Gesprächen mit Palletways ging es darum, wie deren Geschäft ins deutsche VTL-Netz integriert wird. Es wäre ein klassisches Hub-and-Spoke-System geblieben mit der Umschlagbasis von Palletways in Knüllwald und dem Zentralhub von VTL in Fulda. Die Gespräche waren schon weit fortgeschritten. Wir hatten dabei klare Vorstellungen von der Netzwerkdichte in Deutschland. Aber eben diese konnten nicht realisiert werden. Zudem sind immer auch die Systempartner mit an Bord. Deren Interessen müssen bei einer Transaktion berücksichtigt werden, was nicht immer einfach ist. Unsere Lehre daraus lautet: Als Mittelständler ist man gut beraten, sich die Expertise eines Beraters bei derartigen Transaktionen einzukaufen, wie VTL das mit Consus Partner getan hat. Um die Verträge entsprechend zu gestalten, braucht es zwingend professionelle Hilfe.

Roth: Der Prozess war von beiden Seiten sehr professionell vorbereitet worden. Aber gerade bei solchen komplexen Verhandlungen muss man mit Überraschungen rechnen. Für viele Systempartner war es letztlich doch nicht der gewünschte Schritt.

Lag das an den Strukturen bei Palletways?

Jäschke: Die Rahmenbedingungen von Palletways waren allen bekannt, etwa die Zugehörigkeit zu Imperial. Das war aber kein Hindernis.

Fehlte die Kompromissbereitschaft?

Roth: Nein, beide Seiten waren sehr kooperativ und kompromissbereit. Aber bei so viel Beteiligten gibt es immer Unwägbarkeiten, die man einfach nicht vorher planen kann, das ist eine ganz normale Sache.

Jäschke: Es gab deshalb sogar eine außerordentliche VTL-Gesellschafterversammlung – mit einem Votum für den Zusammenschluss bei nur zwei Enthaltungen. Wir waren davon überzeugt, dass das ein Schritt ist, den man gehen kann.

Lohre: Die Netzwerke haben ja schon vorher bestanden, mit entsprechenden Redundanzen. Die Depots sind ja eigenständige Unternehmen. Und es dreht sich bei solchen Fusionen eigentlich auch darum, Gebiete zu optimieren oder andere Synergien, etwa im Hauptlauf, zu schaffen. Es gab an dieser Stelle durchaus Potenziale zu heben. Aber es geht eben um eine Veränderung der physischen Netze mit den dahinterhängenden Unternehmen und nicht nur um eine Vertragsgestaltung.

Aus ILN und Star wurde nun Sim Cargo. Was bedeutet das für VTL?

Jäschke: Die beiden haben bislang mehr geschafft als anderen. Dem muss man Respekt zollen. Wie sich das entwickelt, kann ich aber nicht beurteilen. Bei VTL gibt es derzeit keine Überlegungen betreffend einer Kooperation oder Fusion mit anderen Netzwerken. Das soll aber nicht heißen, dass das in zwei oder drei Jahren nicht wieder anders aussehen könnte. Denn die Netzwerk-Landschaft wird nach Corona vermutlich anders aussehen. Wir verfügen über die nötige finanzielle Ausstattung, sodass uns Corona nicht aus der Bahn werfen wird. Wir wollen uns aber zunächst mit dem Projekt VTL Next eigenständig ausrichten – und das für die kommenden drei bis fünf Jahre.

Der Stückgutmarkt und die Kooperationen sind allerdings weiter in Bewegung …

Jäschke: Auch wir haben einen heterogenen Mix an Partnern bei VTL. Soll heißen, wir haben sowohl starke, mittelstarke als auch wirtschaftlich schwächer aufgestellte Mitglieder. Natürlich gibt es auch eine Fluktuation, sei es aufgrund einer Insolvenz – oder weil ein Unternehmen kein Stückgut mehr produzieren will. Im Jahr gibt es im Schnitt fünf Veränderungen – auch schon in der Vergangenheit. Das Problem besteht nun darin, adäquaten Ersatz zu finden. Das sind aber immer öfter Unternehmen aus der zweiten Reihe, was Einfluss auf die Stärke der Netzwerke haben kann.

Müssen Sie daher verstärkt auf Partner zurückgreifen, die bereits für andere Kooperationen fahren?

Jäschke: Es gibt immer wieder Speditionen, die in mehreren Kooperationen tätig sind. Aber: Stückgut ist ein Mengengeschäft. Solange diese über entsprechende Ausgangsmengen verfügen, um mehrere Kooperationen zu bedienen, kann dies auch ein Vorteil für die Netze sein.

Lohre: Hinzu kommt: Bei neuen, eventuell schwächeren Partnern stellt sich immer die Frage, ob diese dauerhaft dem Netzwerk erhalten bleiben.Wichtig ist aber eine gewisse Beständigkeit vor Ort, denn jede Depotintegration kostet – Geld und Nerven. Aber wer weiß, dass er der einzige Stückgut-Anbieter am Standort ist, stellt auch andere Forderungen hinsichtlich der Konditionen.

Sind mittelständische Stückgut-Kooperationen damit ein Auslaufmodell?

Lohre: Nein, der Mittelstand wird auch weiterhin dauerhaft im Stückgut präsent sein. Auch wenn das manchmal nicht auf dem Kostenniveau der Konzerne funktioniert, sind sie die nächste Zeit bestimmt am Markt. Stückgut ist aber eigentlich nichts, was man so nebenbei machen kann.

Jäschke: Auch ich sehe keinen Niedergang des nationalen Mittelstands in der Stückgutspedition. In der Industrie und im Handel gibt es genügend Mittelständler, die die Flexibilität dieser Netzwerke schätzen.

Roth: Obwohl das Stückgut Geschäft ein schwieriges ist, haben sich dort viele Anbieter sehr erfolgreich positioniert. Jetzt müssen eventuell Strukturen neu gedacht werden. Die Spedition Barth hat es vorgemacht und sich mit dem französischen Logistikdienstleister BM Virolle aus Lyon zusammengetan. Wir erwarten, dass sich in Sachen Fusionen im Sommer noch mehr tun wird.

Und wie stellt sich VTL auf die Zukunft ein?

Jäschke: Da sind wir wieder bei unserem Projekt VTL Next. Wie der Name sagt, ist das in die Zukunft gerichtet. Dabei hinterfragen wir unsere komplette Dienstleistung, die wir unserem Systempartner und dieser seinem Kunden anbieten kann. Wir blicken dabei fünf Jahre voraus. Dabei stellt sich immer die Frage: Sind die bisherigen Prozesse wirklich kosteneffizient? Vieles hat sich über die Jahre eingelaufen, ohne dass es hinterfragt wird. Des Weiteren wollen wir auch im Bereich Warehousing aktiver werden, dabei aber natürlich nicht in Konkurrenz zu unseren Systempartnern treten.

Das wäre für VTL ein neuer Geschäftsbereich …

Jäschke: Ja. Wir wollen ins Warehousing einsteigen, weil hier viele gemerkt haben, dass eine Vorratshaltung auf dem Überseeschiff nicht unproblematisch ist. Angedacht ist ein Hochregallager mit 9.000 Palettenstellplätzen. Die Entscheidung zur Freigabe der Investition fällt bis Ende des Jahres.

Was ist sonst noch angedacht?

Jäschke: Im Rahmen unserer Neuausrichtung werden wir das Kommunikationstool myVTL einen Upgrade unterziehen, ebenso werden wir unseren Marketingauftritt aktualisieren. Für beides wurden entsprechende Arbeitsgruppen gebildet, die nun mit ihrer Arbeit beginnen. Darüber hinaus sind wir bereits mit einem Anbieter im Gespräch und möchten bis Ende des Jahres ein Portal anbieten, auf dem ein Interessent über diese VTL-Plattform bucht. Produziert wird das Ganze aber über die Systempartner. Meine Hoffnung ist, dass sich im Rahmen der Arbeitsgruppen noch einiges mehr entwickelt, an das wir heute noch nicht denken – etwa die Integration von Künstlicher Intelligenz.

Was kommt nach Corona?

Roth: Üblicherweise sind Phasen mit schwierigen Einschnitten der Zeitpunkt, an dem alle Geschäftsprozesse auf den Prüfstand gestellt werden. Im Stückgutbereich werden wir da unter Umständen Transaktionen sehen, die es so sonst nicht gegeben hätte. Daraus ergeben sich dann aber auch Chancen für die Zukunft.

Jäschke: Die alte Normalität wird es nicht mehr geben, Deutschland ist exportorientiert. Doch auch wenn wir in Deutschland verhältnismäßig gut aus der Krise kommen, sieht das in Europa wieder anders aus. Von anderen Kontinenten ganz zu schweigen. Es braucht eine Rückbesinnung in der Wirtschaft und der Gesellschaft, welche Werte wirklich wichtig sind – und das ist eben nicht nur der Profit. Wir in VTL wollen einen Schwerpunkt auf das Thema Wertegemeinschaft legen.

Lohre: Wenn man das mit anderen aktuell betroffenen Branchen vergleicht, etwa dem Tourismus, ist Stückgut schwerlich substituierbar. Vieles mag digital abgewickelt werden. Aber der physische Transport bleibt. In den Lebensmittel-Netzwerken ist schlicht der Teufel los. Eine Lehre könnte sein, dass man sich als Unternehmen hinsichtlich des Branchenmixes breiter aufstellt. Aber auch, dass es einen Notfallplan braucht, um sich etwa durch Flexibilität in der Verkehrsführung auf Mengenschwankungen einstellen zu können.

Zu den Personen

VTL-Chef Andreas Jäschke Foto: VTL
VTL-Geschäftsführer Andreas Jäschke

Andreas Jäschke

  • Der VTL-Geschäftsführer leitet die Geschicke der 1998 gegründeten Stückgut-Kooperation seit 15 Jahren
  • Die ersten Schritte in der Logistik unternahm er als Auszubildender bei der Firma Midgard DSAG in Nordenham
  • Stationen bei Arcese, Wohlfahrt Spedition und als Geschäftsführer bei der Kooperation Spedition 2000, die 2005 mit VTL fusionierte
Prof. Dirk Lohre von der Hochschule Heilbronn Foto: Hochschule Heilbronn/Matthias Stark
Prof. Dirk Lohre von Forlogic

Prof. Dirk Lohre

  • Prof. Dr. Dirk Lohre ist gelernter Speditionskaufmann und hat in Duisburg Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Logistik studiert
  • Er ist Professor an der Fakultät für Wirtschaft und Verkehr an der Hochschule Heilbronn
  • Zudem ist er Chef des Steinbeis-Beratungszentrum Forwarding and Logistics Center (Forlogic)
Rainald Roth von Consus Partner Foto: Consus Partner
Rainald Roth von Consus Partner

Rainald Roth

  • Ist Partner beim auf M&A und Finanzierung spezialisierten Beratungshaus Consus Partner
  • Er war zuvor 25 Jahre im Beratungsgeschäft bei der Deutschen Bank, Dresdner Kleinwort sowie der Société Générale
  • Roth ist spezialisiert auf M&A-Transaktionen im Segment Transport und Logistik
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