Profiwissen Wabco Fahrerlos rangieren

Wabco Foto: Wabco

Während alle Lkw-Hersteller Funktionen für das autonome Fahren entwickeln, arbeitet der Zulieferer Wabco auch an der Hofautomatisierung. In Zukunft rangiert der Lkw selbstständig an die Rampe, während der Fahrer Pause macht.

Harry, fahr schon mal den Wagen vor!" – "Nicht nötig Chef, der kommt von allein." Bei dieser Aussage hätte Derrick alias Horst Tappert nicht schlecht gestaunt. Was damals in der 70er-Jahre-Serie undenkbar war, ist heute bereits Realität: Im Parkhaus des Mercedes-Benz-Museums in Stuttgart ist seit dem Sommer dieses Jahres ein System in Betrieb, bei dem Pkw am Eingang abgegeben werden, dann selbstständig zu einem freien Parkplatz fahren, dort einparken und auch allein wieder zum Eingang zurückkommen. In ähnlicher Form wird das in einigen Jahren auch im Nutzfahrzeugbereich funktionieren, und zwar auf dem Betriebshof.

Wabco will Betriebshof fahrerlos machen

Seit Jahren ist die Transportbranche unter Druck – wegen Sicherheitsaspekten, aber auch aus Kostengründen. Denn im Speditionsbetrieb ist der Fahrer für rund ein Drittel der Gesamtbetriebskosten verantwortlich. Da ist es nur konsequent, dass sowohl Hersteller als auch Spediteure mit Nachdruck an Lösungen arbeiten, die jede Fahrt so effizient wie möglich machen – gerne auch ganz ohne Fahrer. Während also alle OEMs an Lösungen für das autonome Fahren auf der Straße arbeiten, hat der Automobilzulieferer Wabco auch den Betriebshof im Visier. Die Idee ist die Umkehrung des autonomen Hub-to-Hub-Verkehrs: Man fährt nicht fahrerlos auf der Autobahn, sondern auf dem Betriebsgelände. Obwohl ein Lkw dort nur vergleichsweise wenig Zeit verbringt, kann ein autonomer Rangierbetrieb lohnend sein: "Wenn Fahrten auf dem Betriebshof nur fünf bis zehn Prozent des Autobahnbetriebs ausmachen, aber die dafür notwendige Automatisierungs-Technologie auch nur fünf bis zehn Prozent der nötigen Hub-to-Hub-Automatisierung kostet, dann ist das genauso wirtschaftlich", erklärt Thomas Dieckmann, Leiter der Vorentwicklung bei Wabco.

Für die Hofautomatisierung sprechen vor allem zwei Dinge: Auf einem abgeschlossenen Betriebsgelände ist ein gesetzeskonformes System deutlich einfacher zu realisieren als für den öffentlichen Straßenverkehr. "Außerdem sind die Geschwindigkeiten auf dem Betriebshof deutlich geringer als auf der Straße. Bei maximal 10 km/h kann man auf bestimmte Sicherheitsebenen verzichten, die für den Straßenverkehr erforderlich sind, aber das System für den Betriebshof verteuern würden", sagt Dieckmann. So braucht es bei höheren Geschwindigkeiten statt einer "Fail-safe"- eine "Fail-operational"-Architektur; diese ermöglicht mit zwei voneinander unabhängigen elektrischen Versorgungskreisen einen sicheren Weiterbetrieb bei jedem beliebigen Einzelfehler. Auf dem Betriebshof reicht ein einfacheres System, bei dem etwa die Feststellbremse eingelegt wird, sollte es einen Fehler geben. Die Automatisierung soll auch für weniger Rangierschäden sorgen. Versicherungen und Speditionen rechnen mit einer dreistelligen Schadensumme pro Jahr und Fahrzeug – bei einem großen Fuhrpark kommt im Laufe der Zeit so einiges zusammen.

Wabco Foto: Wabco
Aus den Kamera- und Sensor-daten wird ein Surround-View-Bild aus der Vogelperspektiveerrechnet, das erleichtert das Rangieren und Einparken.

Autonomes Fahren an Ladestationen ist im Gespräch

Um die Umgebung zu erfassen, braucht es verschiedene Sensoren am Trailer und an der Zugmaschine. "Ein Radar ist gut, preiswert und robust. Besser eignen sich jedoch Lidar-Sensoren, da sie die Umgebung noch präziser erfassen", sagt Dieckmann. Das Problem: Derzeit sind die Lidar-Sensoren kaum für nutzfahrzeugspezifische Anwendungen ausgelegt, die beweglichen Teile in einem rotierenden Lidar mit 360-Grad-Rundumsicht sind nicht robust genug. Solid-State-Sensoren als Alternative bieten dagegen einen zu kleinen Öffnungswinkel. Ergänzend werden Kameras zum Einsatz kommen. Wichtig sei zudem die schnelle Datenübertragung: "Derzeit entwickeln wir die benötigten Schnittstellen, um die Daten der Sensoren am Trailer zum Zugfahrzeug zu übertragen", sagt der Experte. Ziel der Ingenieure ist es, eine standardisierte Schnittstelle zu entwickeln, mit der künftig nahezu jeder Trailer mit jedem Zugfahrzeug kommunizieren kann, um sie untereinander tauschen zu können. Schon heute lassen sich im Lkw über den CAN-Bus Motor, Getriebe und Bremse ansteuern. "Mit der Lenkung geht das zwar noch nicht, aber auch das wird bald möglich sein", so Dieckmann. Er geht davon aus, dass Trailer sogar mit der Technik nachgerüstet werden können. "Sinnvoller und preiswerter ist es natürlich, so ein System gleich ab Werk zu ordern." Dazu sei Wabco mit allen großen Trailer- sowie Lkw-Herstellern im Gespräch. Für den Praxiseinsatz gibt es laut Dieckmann bereits konkrete Anfragen: "

Es gibt Gespräche für den Einsatz auf einem Busbetriebshof, genauer gesagt für das autonome Fahren an Ladestationen. Auch große Logistikzentrenbetreiber haben Interesse signalisiert", so der Experte. Damit das Interesse überdies auch bei den Spediteuren steigt, muss die Technik vergleichsweise preiswert sein. Dieckmann geht von einem vierstelligen Betrag pro Fahrzeug aus. Bis die Fahrer also gemütlich in einem Aufenthaltsraum darauf warten, dass ihr Lkw wieder von selbst zur Übernahme an die Hofeinfahrt fährt, wird es noch dauern. Auf ein bestimmtes Jahr, in dem die Technik erhältlich sein wird, möchte sich der Experte von Wabco nicht festlegen. Wirft man jedoch einen Blick in den Pkw-Bereich, in dem die eingangs erwähnten selbstständig einparkenden Fahrzeuge schon in Serie sind, kommt man zur Überzeugung, dass es nicht mehr allzu lange dauern kann.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
lao 12 2019 Titel
lastauto omnibus 12 / 2019
23. November 2019
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