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Vorschriften Zeit lassen bei Einstellungen

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Jeder Fahrer wird genommen – wer bei der Einstellung vorschnell handelt, sieht sich bald mit Haftungsfragen und anderen Problemen konfrontiert.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet«: Wer die Fluktuationsraten der gewerblichen Mitarbeiter in der Speditionsbranche kennt, weiß, dass von ewig fast nie die Rede sein kann. Unternehmen sollten dennoch  –  und vor allem trotz des Fahrermangels  – den Einstellungsprozess nicht überhasten. Dies wurde bei einer Veranstaltung der IHK Region Stuttgart zum Thema Bußgelder und Haftungsfallen deutlich.

Vorsicht beim Einführungstag

Vorsicht etwa bei dem beliebten "Einführungstag" für den potenziellen neuen Mitarbeiter: Viele Speditionen lassen den Bewerber einen Tag oder sogar länger Probe fahren. Dadurch soll er Gelegenheit haben, seine künftigen Kollegen kennenzulernen, während das Unternehmen checkt, was der Bewerber wirklich auf dem Kasten hat. »Vorsicht – das Einfühlungsverhältnis muss freiwillig bleiben, sonst wird es leicht zu einem Probearbeitsverhältnis«, warnte Rechtsanwalt Volker Lindner aus Freiburg und verwies auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (17.03.2005, AZ: 4 Sa 11/05).
Wenn der Arbeitgeber den Einführungstag zur Pflicht macht und Tag sowie Uhrzeit des Erscheinens anordnet, könnte dies schon als Beginn der Beschäftigung angesehen werden und meldepflichtig sein. "Die Annahme ‚Es ist noch kein Vertrag unterschrieben, also gibt es auch kein Problem mit der Probezeit‘ ist ganz gefährlich", warnte Lindner die Zuhörer.
Zudem ist Einarbeitungszeit vergütungspflichtig. Dies gilt auch dann, wenn der Bewerber als Praktikant eingestellt wird. Ausnahme für Letzteres: Er ist arbeitssuchend – in diesem Fall erhält er als Angestellter der Bundesagentur für Arbeit keine Vergütung vom Unternehmen.

Freiwilligkeit schriftlich fixieren

Bei einem richtigen Einfühlungsverhältnis, so sagte Lindner, wird der Arbeitnehmer in den Betrieb aufgenommen, ohne seinerseits Pflichten zu übernehmen. "Er unterliegt während dieser Zeit lediglich dem Hausrecht, nicht aber dem Direktionsrecht des Arbeitgebers." Besser ist daher, die Freiwilligkeit schriftlich zu fixieren.

Nachweis über arbeitsfreien Tage

Weitere rechtliche Voraussetzungen sind für die Vertragsanbahnung laut Lindner die Bewerbungsunterlagen. Darin enthalten: Arbeitszeugnis, Fahrerlaubnis, Auszug aus dem Verkehrszentralregister sowie ein polizeiliches Führungszeugnis. Im Bewerbungsgespräch sollte der Bewerber zudem auch Auskunft darüber geben, ob gegen ihn aktuell ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Straßenverkehrsvorschriften vorliegt – vielleicht droht dem Fahrer in naher Zukunft ein Führerscheinentzug? "Lassen Sie sich außerdem bei einem neuen Mitarbeiter zu Arbeitsbeginn immer einen Nachweis über die arbeitsfreien Tage geben", mahnte der Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Einstellung dem Sozialversicherungsträger melden

Der Auftrag ist da, aber das Fahrzeug nicht besetzt: Viele Unternehmer führen dann das Bewerbungsgespräch am Montag und lassen den Fahrer schon am Dienstag fahren.  Wer versäumt, die Einstellung vor Aufnahme der Tätigkeit dem Sozialversicherungsträger zu melden, kann laut Lindner schon bei einer Verspätung von einem Tag mit einem saftigen Bußgeld plus 900 Euro Auslagen belangt werden (Paragraf 28 a Abs. 4 SGB IV in Verbindung mit Paragraf 7 DEÜV).

Ausführliche Unterweisung des Fahrers

Zudem kommt in so einem Fall mit Sicherheit die Einweisung des neuen Mitarbeiters zu kurz, die etwa auch Paragraf 81 des Betriebsverfassungsgesetzes – Unterrichtungs- und Erörterungspflicht des Arbeitgebers – vorsieht. Die Unterweisung eines neuen Mitarbeiters sollte laut Lindner das Fahrzeug umfassen, mit dem er unterwegs sein wird, die Geräte wie Telematik, die er bedienen wird, aber auch das Thema Lenk- und Ruhezeiten sowie bekannte Gefahren am Arbeitsplatz. Die Unterweisung sollte demnach spätestens drei Wochen nach Einstellung erfolgt und auch dokumentiert sein. Ansonsten macht sich der Arbeitgeber bei einem Unfall haftbar.

Wegen mangelnder Dokumentation kein Haftungsanspruch

"Die Gerichte sind in diesem Punkt gnadenlos – sie achten darauf, dass solche Pflichten eingehalten werden", sagte Lindner und berichtete von einem Fall, in dem ein Fahrer bei der Einstellung nur eine 20-minütige Unterweisung bekam. Bei der siebten Fahrt für das neue Unternehmen setzte er seine Sattelzugmaschine gegen eine Brücke mit einer Höhe von 3,6 Metern – sein Fahrzeug war 4,07 Meter hoch. "In diesem Fall trägt der Arbeitgeber gegenüber der Versicherung eine Mithaftung", erklärte Lindner", "vor dem Arbeitsgericht hat das Unternehmen zudem wegen der mangelnden Dokumentation keine Chance auf Haftungsanspruch."

Kommt es zu einer Einstellung, rät Lindner klar zu einem schriftlichen Arbeitsvertrag, mit Ausschlussfristen, allen Kontakdaten und klaren Regelungen zum Thema Arbeitszeit und Überstunden. Dabei müssen die gesetzlichen Vorschriften zur höchstzulässigen Arbeitszeit eingehalten werden. Entsprechende Hinweise finden sich unter der Richtlinie 2002/15/EG, im Arbeitszeitgesetz, in der Verordnung 561/2006/EG, im Fahrpersonalgesetz, der Fahrpersonalverordnung und dem europäischen AETR-Abkommen für den Straßenverkehr.

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