Videokameras in Speditionshallen? Was zunächst nach Überwachung klingt, ist inzwischen Standard in vielen Betrieben. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend: Qualität und Sicherheit.
„Mit der Scan-Daten-Erfassung in den Kameras lässt sich der gesamte Fluss der Sendung lückenlos dokumentieren – vom Eingang bis zum Ausgang der Spedition“, erklärt Markus Walke, Director Business Organisation and Compliance und zuständig für die DACH-Region des Logistikers DSV. Zudem ermöglichen die Kameras eine genaue Analyse der Abläufe und reduzieren damit langfristig Fehlverladungen.
Wie wertvoll die Rückverfolgbarkeit ist, zeigt sich spätestens, wenn eine Warensendung beschädigt beim Kunden ankommt. Wie die Praxis zeigt, schieben sich dann oft Versender und Empfänger gegenseitig die Schuld zu. Wer hier einen unbeschädigten Versand nachweisen kann, ist rechtlich im Vorteil. „Kamerasysteme sind auch notwendig, um die Anforderungen von Zertifizierungen zu erfüllen, zum Beispiel Tapa“, sagt Walke weiter.
Sicherheitsberater Alexander Habich von der Schutz- und Aktionsgemeinschaft zur Erhöhung der Sicherheit in der Spedition (Safe) nennt noch einen weiteren Aspekt: die Aufklärung von Diebstählen: „Es gibt ein ureigenes Interesse, den Verantwortlichen dafür herauszufinden. Denn es geht letztendlich um Arbeitsplätze. Ein Spediteur, der Diebstähle nicht in den Griff bekommt, verliert Aufträge und muss im Extremfall sogar Mitarbeiter entlassen.“
Nach zwei Jahren veraltet
Relevante Anbieter von Kamerasystemen sind beispielsweise die Firmen Bosch, Divis und VLS. Der technische Fortschritt schreitet rapide voran. „Standorte, die vor zwei Jahren nach dem neuesten Stand der Technik ausgerüstet wurden, gelten heute schon wieder veraltet“, betont Walke. Momentan ist die 4K-Technik stark im Kommen, die eine größere Bildschärfe ermöglicht. Ebenso sind immer mehr Kameras im Einsatz, die auch im Dunkeln aufzeichnen können.
Höhere Investitionen im Paketdienstbereich
Was die Kosten solcher Kamerasysteme betrifft, so reicht die Spanne von 20.000 bis
500. 000 Euro. Ab 20.000 sind nur absolute Sparversionen erhältlich. Im Paketdienstbereich sind höhere Investitionen nötig, da es hier eine große Anzahl von Förderbändern gibt. Wenn bei Paketdienstleistern ein ganzes Depot mit Kameratechnik ausgestattet werden soll, kann es durchaus um Summen von bis zu 500.000 Euro gehen. Etwas günstiger liegen die Preise für Videoüberwachung bei Stückgutspediteuren. Dort sind Investitionen von etwa 50.000 bis 90.000 Euro der Standard.
Preise nach Hallengröße
Als Faustregel gilt: Die Preise richten sich hauptsächlich nach der Hallengröße. Und: Je mehr Kameras es ist in der Halle gibt, desto besser lassen sich Prozesse nachvollziehen. Eine Scan-Daten-Erfassung kostet etwa einen Aufpreis von einigen tausend Euro.
Wann amortisieren sich solche Systeme erfahrungsgemäß? Alexander Habich weiß einen Fall aus der Praxis: In einer Spedition wurde eine Videoüberwachung für etwa 160.000 Euro installiert. Schon nach einem halben Jahr hatte sich die Anlage amortisiert, denn es wurden Diebstähle in Höhe von 260.000 Euro aufgedeckt. „Es waren Mitarbeiter und externe Fahrer, die in diesem Fall gestohlen haben“.
Auch wenn sich die Anlage in solchen Fällen schnell rechnet, müssen die Unternehmen diese Investition zunächst einmal selbst stemmen. Fördergelder oder eine steuerliche Sonderabeschreibung für solche Kamerasysteme gibt es nicht.
Folgekosten und doppelte Arbeiten
Entscheidet sich ein Unternehmen für die Installation von Kameras, kann externe Hilfe einiges an Zeit und Geld sparen. Denn: Muss nachträglich noch nachgebessert werden, entstehen oft hohe Folgekosten und Arbeiten fallen doppelt an. Um hier Abhilfe zu schaffen, bietet die bereits erwähnte Safe als Dienstleister eine technische Sicherheitsberatung für Logistikstandorte. So berät die Safe herstellerneutral bei der Planung, Konzeptionierung, Ausschreibung und Endabnahme von technischen Sicherheitssystemen. „Safe verkauft nicht die Technik, sondern berät Spediteure bei der Umsetzung hin zum optimalen System“, erläutert Habich. Er schildert eine typische Beratung von Safe wie folgt: Der Spediteur formuliert seine Anforderungen, beispielsweise eine 7.000 Quadratmeter große Halle, die mit Videotechnik ausgestattet werden soll. Experten von Safe schauen sich diese Halle an und erstellen eine Risiko-Schwachstellen-Analyse. Daraus folgt ein Sicherheitskonzept. Aus diesem geht hervor, mit wie vielen Kameras diese Halle bestückt werden muss.
Beweisverwertbares Bildergebnis
Die Anzahl der Kameras entscheidet auch darüber, ob ein vor Gericht beweisverwertbares Bildergebnis zustande kommt. Diesen Aspekt hält Habich für sehr wichtig: „Kommt es bei einem Diebstahl zu einer Gerichtsverhandlung, muss sich der Richter dieses Bildmaterial anschauen und dann erkennen, ob es sich wirklich um den Mitarbeiter Müller handelt, der deshalb fristlos entlassen wurde. Ein verschwommenes Bild reicht nicht.“ Misslingt der Beweis vor Gericht, wäre eine fristlose Kündigung gegenstandslos. Dann müsste der Mitarbeiter wieder eingestellt werden, obwohl er vielleicht tatsächlich gestohlen hat.
Vier-Augen-Prinzip
Bei der Einführung von Kamerasystemen sollte das Unternehmen gegenüber der Belegschaft sensibel kommunizieren. Handelt es sich doch um eine Anlage, die theoretisch auch zur Überwachung der Mitarbeiter eingesetzt werden kann. Deshalb sind Bereiche wie beispielsweise Kantinen, Umkleiden oder Sozialräume von vornherein tabu. Zunächst sollte die Geschäftsleitung den Betriebsrat anhören, so will es auch das Betriebsverfassungsgesetz. Wie die Praxis zeigt, verweigern sich Betriebsräte einer Installation selten. Gibt es trotzdem unüberwindbare Meinungsgegensätze, kann der Gang zur Einigungsstelle lohnen. Sinnvoll ist ebenso eine Betriebsvereinbarung, in der dezidiert festgehalten wird, welcher Mitarbeiter wann welches Bild des Kamerasystems wie auswerten darf. Zahlreiche Kamerasysteme sind ohnehin so eingestellt, dass Kopf und Gesicht von Mitarbeitern und Fremdpersonen bei Weitergabe des Videomaterials geschwärzt werden. Bei Verdachtsmomenten kann die Verpixelung aufgehoben werden. Ist dies der Fall, empfiehlt sich das Vier-Augen-Prinzip. Erst nachdem zwei Mitarbeiter ihr Passwort eingegeben haben, sollte ein Zugriff auf das Bildmaterial möglich sein.