Verschlepptes Mobility Package Trennung von Güter und Personen gefordert

Foto: Thorsten Wagner

Große Teile des "Mobility Package" der EU, mit dem wichtige Bereiche des europäischen Verkehrssektors neu geregelt werden sollten, sind im Straßburger Parlament gescheitert. Lediglich auf die Eurovignetten-Verordnung, mit der auch eine Busmaut näher rückt, als auch auf eine Quotenregelung für alternative Antriebe konnten sich die Parlamentarier einigen. Der Bundesverband bdo ist entsetzt und plädiert weiter laut für die Trennung von Güter- und Personenverkehr in der europäischen Gesetzgebung.

Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (bdo) hat Ende Oktober im Europäischen Parlament in Straßburg erneut die Positionen der privaten Busunternehmen zum sogenannten „Mobility Package" der EU dargelegt, nachdem die im Juli erreichten Vereinbarungen bei einer erneuten Abstimmung im Parlament vor allem an Streitigkeiten der west- und osteuropäischen Länder über das Thema Entsendegesetz gescheitert waren und wieder an den Verkehrsausschuss zurückverwiesen wurden. Das bedeutet wahrscheinlich auch eine Verschiebung des Paketes in die nächste Legislaturperiode. Dies ist besonders daher brisant, da im ersten Halbjahr 2019 Rumänien die Ratspräsidentschaft von Österreich übernehmen wird.

bdo fordert regulatorische Trennung

Im Rahmen eines Parlamentarischen Frühstücks skizzierten bdo-Präsident Karl Hülsmann und bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard die Lage des Mittelstands im Personenverkehr sowie drohende Gefahren für Unternehmen und Fahrgäste, die mit den Vorschlägen im vorliegenden Maßnahmenpaket verbunden wären, die hauptsächlich auf den Güterverkehr zugeschnitten sind. Erst im Juni hatte der Verband die Informationskampagne „Wir wollen die Trennung/It's time to break up" gestartet, die auf die unterschiedlichen Bedingungen und Anforderungen von Güter- und Personenverkehr hinweisen will. Gleichzeitig rief Leonard in Straßburg dazu auf, das „Mobility Package" als Chance zu verstehen, bereits seit langem notwendige Verbesserungen im Sinne der Fahrgäste – insbesondere den Bürokratieabbau im grenzüberschreitenden Verkehr sowie die Einführung passgenauer gesetzlicher Regelungen – auf den Weg zu bringen. Das „Bürokratiemonster", so LOH-Präsident Karl Reinhard Wissmüller aus Michelstadt, sei „ein Krebsgeschwür, dass es seinen Mitgliedsunternehmen unmöglich macht, mit Freude ihren eigentlichen Aufgaben weiter nachzugehen".

Notwendig für eine Verbesserung sei, so Leonard, eine gesonderte rechtliche Betrachtung des Personenverkehrs unabhängig vom Güterverkehr – so sprach sich bdo-Präsident Hülsmann zum Beispiel für die Abschaffung des überkommenen grünen Fahrtenblattes aus, das gerade von südeuropäischen Ländern nur zu gerne als Grund zum „Abkassieren" missbraucht werde. Der bdo sieht die zunehmende Bürokratie auch als einen der Gründe des immer weiter grassierenden Unternehmenssterbens in der Branche. Laut der aktuellen „Konjunkturumfrage 2017/18" sehen 70 Prozent der Mitgliedunternehmen die Bürokratie als Grund dafür, die Lenk- und Ruhezeiten zu verkomplizieren. Weitere 49 Prozent sehen das Mobility Package als Ganzes kritisch. Rund 93 Prozent plädieren für eigenständige Lenk- und Ruhezeiten für den Personenverkehr.

Die Knackpunkte

Gesine Meißner, niedersächsisches Mitglied des Europäischen Parlaments für die ALDE (die Fraktionsgemeinschaft der liberalen Parteien Europas), sagte den Anwesenden zu, sich weiterhin für die Belange des Mittelstands einzusetzen, auch wenn ihr Mandat im nächsten Jahr endet. Sie ist als „Shadow" des Parlaments-Berichterstatters für das Thema Lenk- und Ruhezeiten stark in das Thema involviert. Einer völlig eigenständigen Gesetzgebung für den Personenverkehr räumte sie jedoch kaum realistische Chancen für die Zukunft ein. „Es wurde nichts verloren, aber auch nichts erreicht. Wir wissen nicht einmal genau, ob es wirklich weitergehen wird mit dem Mobility Package", zeigt sich die erfahrene MdEP wenig optimistisch. Bis April müsse das Thema wieder auf den Tisch, sonst liege es „vorerst mal auf Eis." Die Zeit dränge also massiv.

„Die laufenden Verhandlungen zum Mobility Package zeigen deutlicher als je zuvor, dass die Interessen der Fahrgäste im Busverkehr in Europa leider weiterhin übersehen werden, weil das politische Hauptaugenmerk auf den Güterverkehr gerichtet bleibt", fasste bdo-Hauptgeschäftsführerin Christiane Leonard zusammen. „Die in diesem Bereich bestehenden internationalen Verwerfungen machen eine sinnvolle Weiterentwicklung des rechtlichen Rahmens für den Personenverkehr im Grunde unmöglich." Dies müsse endlich ein Ende haben. Abermillionen Busfahrgäste, die Männer und Frauen hinter dem Steuer sowie tausende Unternehmen litten darunter, dass sie wie Anhängsel der Lkw-Branche behandelt werden. „Sie brauchen und verdienen passgenaue Sozialvorschriften und einen spürbaren Bürokratieabbau." Hierbei plädiert der bdo zum Beispiel für eine praxistaugliche 12-Tage-Regelung auch im Inlandsverkehr sowie eine sinnvolle Gestaltung der Pausenzeiten. Beim Thema Entsendegesetz unterstützt Gesine Meißner den bdo in seinem Standpunkt, dass eine Anwendung der internationalen Regelungen für den Güterverkehr keine Anwendung im Personenverkehr finden können. „Busfahrer sollten auf jeden Fall hierbei ausgenommen werden", sagte sie in einem Beitrag für das bdo-Magazin „Der Bus". Damit in Verbindung stehen Planungen, Busse, die vor allem für Kreuzfahrten im Ausland stationiert sind, verpflichtend regelmäßig zurückzuführen nach Deutschland. Laut IRU würden dadurch 80 Millionen Kilometer zusätzliche Verkehre und 100 Tonnen CO2 pro Jahr verursacht. Ebenso im Fokus steht die Niederlassungspflicht im ÖPNV, die im Rahmen einer umfassenden Liberalisierung des Marktzuganges abgeschafft werden soll. Deren Erhalt sowie der Schutz eigenwirtschaftlicher Verkehre sind für den bdo wesentliche Punkte, für die er sich bei den weiteren Verhandlungen nachhaltig einsetzt.

Weiter führte Leonard zu den Möglichkeiten des Mobility Packages aus: „Der Grundgedanke des vorliegenden Maßnahmenpakets, den Verkehrssektor in Europa mit zahlreichen Neuregelungen auf die Zukunft auszurichten, ist vollkommen richtig. In den inhaltlichen Einzelabstimmungen zu Vorschlägen hat das Europäische Parlament auch gezeigt, dass man die Notwendigkeiten im Personenverkehr versteht und anerkennt." Aufgrund der Streitigkeiten im Güterverkehr bei den Themen Entsendegesetz, Kabotage und Lenk- und Ruhezeiten wurden diese mit dem Gesamtpaket verworfen. „Die Realität zeigt damit, dass in der aktuellen Konstellation keine Fortschritte erreicht werden können. Dies muss sich nun ändern." Ein Scheitern des Paktes führe schlimmstenfalls dazu, dass „die Interessen der mittelständischen Busunternehmer Deutschlands hinter die Interessen anderer Wirtschaftszweige oder Länder zurückgestellt werden."

Beim Entsendegesetz wird Chaos befürchtet

Zur 25-köpfigen Delegation in Straßburg gehörten neben bdo-Präsident Karl Hülsmann und seinem Vorstandkollegen Karl Reinhard Wißmüller auch der WBO-Vorsitzende Klaus Sedelmeier sowie Fachjournalisten aus dem Verkehrssektor. Unterstützung erhielt der bdo in seiner Darstellung zudem von einer Delegation unter Führung des Vorsitzenden des österreichischen Schwesterverbandes WKO, Fachgruppe Autobus, Martin Horvath. Zusätzlichen Nachdruck verlieh der Darstellung auch der Vortrag von Matthias Maedge, Repräsentant der Internationalen Straßentransport Union (IRU) bei der Europäischen Union. Er befürchtet bei einem Scheitern des Paketes „das Chaos von 27 Einzellösungen im Entsendegesetz in der EU."

Kein Thema beim parlamentarischen Termin waren zwei Themen des Paktes, die vom Rest losgelöst direkt am nächsten Tag beschlossen wurden, obwohl dies nicht eine sofortige Umsetzung bedeutet – neben dem Trilog zwischen Parlament, Rat und Kommission folgt auch noch die nationale Umsetzung. Die Eurovignetten-Regelung, auf die man sich nun geeinigt hat, besagt, dass Länder, die bereits eine Maut auf schwere Nutzfahrzeuge erheben, die auch auf andere Bereiche wie den Busverkehr ausweiten müssen. Ab 2020 soll dies auf Basis der zurückgelegten Strecke erfolgen. Des Weiteren wurden feste Quoten beschlossen, die für alternative Antriebe in öffentlichen Ausschreibungen gelten sollen. Beides kritisiert der bdo scharf. Mit der entsprechenden Entscheidung zur Eurovignetten-Richtlinie am 25. Oktober hätten sich die Abgeordneten, „ganz direkt gegen den Schutz der Umwelt und gegen das Mobilitätsbedürfnis von Menschen auch mit geringem Einkommen ausgesprochen." Jetzt rufe der Verband die Bundesregierung dazu auf, „ihre bisherige Ablehnung einer Bus-Maut auch entsprechend in den Verhandlungen auf europäischem Parkett zu vertreten".

Ab 2025 mindestens 50 Prozent grüne Busse

Ab 2025 müssten laut der „Clean Vehicle Richtlinie" zufolge bei allen neuabgeschlossenen öffentlichen Aufträgen mindestens 50 Prozent der Busse alternative Antriebe haben. Ab 2030 solle dann eine Quote von 75 Prozent gelten. Die Regelungen sollen auch für die Anmietung von Bussen gelten. „Diese Beschlüsse des EP gefährden damit aus Sicht des bdo direkt den Mittelstand, während die erhofften positiven Auswirkungen auf die Emissionen des Verkehrssektors mittelfristig ausbleiben werden." Nur einen Tag vorher lobte der bdo allerdings vollmundig die Inbetriebnahme des ersten vollelektrischen Überlandbusses für Flixbus auf der Kurzstrecke Mannheim-Frankfurt/Flughafen. Man verzichtete sogar auf den üblichen Verbands-Hinweis, dass für solche Pilotunternehmungen die finanzielle Förderung von Bund und Ländern unabdingbar seien.

Dass man hier noch einen weiten Weg vor sich habe, räumt bdo-Geschäftsführerin Leonard dann doch ein, „aber jemand musste mal anfangen mit dem Thema." Allerdings sei es auch bezeichnend, „dass Flixbus so weit gehen musste, um einen solchen Bus zu bekommen." Zudem sei es nicht von ungefähr, dass der Bus nicht nach dem üblichen Geschäftsmodell von einem der Buspartner gekauft wurde, sondern von Flixbus selbst. Matthias Maedge von IRU bezeichnete gleichzeitig die Elektromobilität für die „absehbare Zukunft als Zuschussgeschäft." Für die nötigen 400 Kilometer Reichweite für einen Reisebus seien 6 Tonnen an Batterien nötig, was eine Mitnahme von Passagieren weitgehend verhindern würde. Zudem müsse der Strompreis auf 5-10 Cent pro Kilowatt sinken, um mit dem Diesel wettbewerbsfähig zu werden. „Aber auch mit Erdgas und Wasserstoff ist in Zukunft vermehrt zu rechnen, die Welt ist wirklich bunter in Sachen Technik."

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