Bund will Verlagerung von Groß- und Schwertransporten auf alternative Verkehrsträger mit Maßnahmenstrauß forcieren.
Experten schlagen Alarm: Deutschlands Brücken- und Straßeninfrastruktur bröseln vor sich hin. Jetzt sind die Großraum- und Schwertransporte (GST) im Fokus, auch mit Blick auf den Klimaschutz. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) will sie unter dem Motto „Mehr H2O, weniger CO2“ auf Wasserstraße und Schiene verlagern. Das BMVI hatte dazu eine Arbeitsgruppe aus Experten der Landesverwaltungen, der Binnenschifffahrt und der Schiene einberufen, die jetzt ihren Schlussbericht vorstellte.
Dabei gibt es schon eine entsprechende Regelung, wonach GST auf Schiene und Wasserstraße zu prüfen sind. Wie ein Brancheninsider gegenüber trans aktuell bestätigt, lassen aber die wenigsten Erlaubnis- und Genehmigungsbehörden (EGBn) den geforderten Nachweis erbringen, dass der Transport auf der Straße alternativlos ist. „Die Folge ist ein GST-Überhang auf der Straße. Die Transportunternehmen haben davon profitiert, dass die bestehende Regelung nicht konsequent genug befolgt wurde“, so die Aussage des Kenners.
Fördermittel empfohlen
Eine ähnliche Einschätzung gibt auch die Arbeitsgruppe in ihrem Schlussbericht wieder, der zudem Praxisbeispiele, konkrete Zielvorgaben und Handlungsempfehlungen enthält. Unter anderem schlägt die Arbeitsgruppe daher vor, eine neue Beratungs- und Prüfstelle einzurichten, die Verlader über Transportalternativen zur Straße berät und EGBn von der Prüfung der Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße entlastet. Die neue Prüfstelle könnte in einem Pilotverfahren erstellt werden, um dort die notwendigen Verfahren und Abläufe zu testen und gegebenenfalls zu optimieren.
Um die Verlagerung voranzutreiben, sollen zudem GST-Anträge für den Vor- und Nachlauf im gebrochenen Verkehr, also mit Binnenschiff oder Bahn, von den Behörden vorrangig bearbeitet werden. Und es sollen finanzielle Anreize geschaffen werden, etwa Fördermaßnahmen für die Umrüstung der Anlagen des Kombinierten Verkehrs oder für den Umbau von Schiffen und Waggons.
Alternative Verkehrsträger attraktiver machen
Der Zugang zu den alternativen Verkehrsträgern muss laut der Arbeitsgruppe ebenfalls vereinfacht werden, etwa durch die Erstellung von Mikrokorridoren zwischen den Produktionsstätten oder die Kombination aus übergeordnetem Streckennetz und einer nächstgelegenen GST-Umschlagstelle an einer Wasserstraße oder der Schiene. Und nicht zuletzt soll eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit dazu beitragen, dass vor allem auch Verlader erkennen, dass es für ihr großes Ladegut auch eine Alternative zum Straßentransport gibt. „Viele Verlader haben das bisher gar nicht auf dem Schirm. Sie suchen sich bislang einfach einen GST-Spediteur, und der will verständlicherweise seine Lkw bewegen“, sagt der Branchenkenner gegenüber trans aktuell.
Anreize für Auftraggeber notwendig
„Transportgut ist wie Wasser. Es sucht sich immer den besten und günstigsten Weg“, sagt Holger Dechant, CEO der Unternehmensgruppe Universal Transport aus Paderborn. Der Markt entscheide sich für den Lkw, weil dieser günstig sei. „Als Spediteur können und wollen wir jeden Verkehrsträger einsetzen. Die Praxis zeigt aber, dass am Ende des Tages den Auftraggeber in erster Linie die Kosten und die Laufzeit interessieren“, sagt Dechant. Nur Anreize für den Auftraggeber könnten zu einer Verlagerung führen, erklärt der Unternehmer.
Dabei gebe es durchaus gute Einsatzbeispiele, etwa den Transport von Betonfertigteilen auf der Schiene. „Das halten wir für sehr sinnvoll und ökologisch“, sagt Dechant. Trotzdem müsse im Nachlauf zu Baustellen dann wieder der Lkw anfahren. „Sicherlich sind auf der Schiene die größten Einschränkungen die Höhe, Breite und Länge“, sagt Dechant. Das Unternehmen selbst ist auch auf der Wasserstraße unterwegs. 2016 hatte Universal Transport die Spedition Züst & Bachmeier Project aus Nürnberg übernommen und wickelt über das Schwerlastzentrum Nürnberg auch GST auf der Wasserstraße ab.
Erste Schritte bereits diesen Sommer
Das BMVI hat angekündigt, von Sommer an schrittweise mit der Umsetzung der Handlungsempfehlungen aus dem Abschlussbericht zu beginnen. Zehn Millionen Euro aus dem Klimaschutz-Sofortprogramm wurden als Zuschüsse für die Verlagerung bereitgestellt. Neben den finanziellen Anreizen und der Steigerung der Attraktivität sieht das BMVI einen Schwerpunkt zur Verlagerung auch im Genehmigungsverfahren. Genannt werden etwa die Einbeziehung von Wasserstraßen und Häfen in die Software des Verfahrensmanagements für Großraum- und Schwertransporte (Vemags) sowie ein multimodaler Routenplaner, der mögliche Transportrouten prüft und der auch im Genehmigungsverfahren genutzt werden kann. Dies soll im Rahmen eines Pilotprojekts erprobt werden.
Die Rechtslage
VwV-StVO zu § 29 Übermäßige Straßenbenutzung
V. Voraussetzungen der Erlaubnis
1. Eine Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn
85 a) der Verkehr nicht – wenigstens zum größten Teil der Strecke – auf der Schiene oder auf dem Wasser möglich ist oder wenn durch einen Verkehr auf dem Schienen- oder Wasserweg unzumutbare Mehrkosten (auch andere als die reinen Transportmehrkosten) entstehen würden und
116 und 117: Die Erlaubnisbehörde hat […] sich vom Antragsteller nachweisen zu lassen, dass eine Schienenbeförderung (bzw. eine Beförderung auf dem Wasser) oder eine gebrochene Beförderung Schiene (Wasser)/Straße nicht möglich ist oder unzumutbare Mehrkosten verursachen würde.