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Verkehrssicherheitsrat Grenzenlose Sicherheit

Alkohol, Montage, Promillegrenze, Promille Foto: Spotpress, Grafik: Frieser, Quelle: ETSC *F: Busfahrer 0,2 %

Europäischer Verkehrssicherheitsrat fordert höheres Tempo bei Unfallprävention.

Nirgendwo auf der Welt ist der Straßenverkehr so sicher wie in Europa. In den vergangenen zehn Jahren wurde die Zahl der Menschen, die auf der Straße sterben, um die Hälfte gesenkt. Wenn sich aber jetzt nicht alle EU-Länder anstrengen, könnte diese positive Entwicklung gefährdet sein, befürchtet der Europäische Verkehrssicherheitsrat ETSC. Zuletzt sank die Quote nur noch um ein Prozent, in Deutschland gab es 2014 sogar um ein Prozent mehr tödliche Unfälle. "Europa darf sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen", sagt ETSC-Geschäftsführer Antonio Avenoso.

70 Verkehrstote pro Tag

Immer noch kommen jedes Jahr 26.000 Menschen im Straßenverkehr ums Leben. Das sind 500 in der Woche oder 70 am Tag. Die Zahl der Schwerverletzten liegt noch weitaus höher, bei über 203.000. Ist ein Lkw oder Bus in einem Unfall verwickelt, sind die Konsequenzen besonders schwer. Im Jahr 2011 gingen 29 Prozent der Verkehrstoten in der EU auf ihr Konto. „Wir müssen besonders am Tempo arbeiten“, sagt Avenoso. Zu hohe Geschwindigkeiten sind nach wie vor Todesursache Nummer eins im Straßenverkehr, auch bei Lkw. Deshalb plädiert der Italiener dafür, dass der Einbau eines Intelligenten Geschwindigkeitsassistenten (Intelligent Speed Assistant/ISA) Pflicht wird.

GPS-gestützt vom Gas

Zwar sind Lkw mit Geschwindigkeitsbegrenzern ausgestattet. Die richten aber nichts aus, wenn das Fahrzeug in der Stadt oder auf Landstraßen unterwegs ist, wo niedrigere Höchstgeschwindigkeiten gelten. Das neue, GPS-verknüpfte Gerät nutzt dagegen eine Datenbank, die mit allen Informationen zu bestehenden Geschwindigkeitsbeschränkungen gefüttert wurde – mit Kameras kombiniert könnten sogar Straßenschilder gelesen werden. Ist der Fahrer zu schnell unterwegs, wird er gewarnt. Gleichzeitig wird ihm mit einem Widerstand am Gaspedal geholfen, diese Beschränkung einzuhalten, erläutert Avenoso: "Dieses System sollte zum Standard werden", fordert er.

Alle Lieferfahrzeuge mit AEB ausstatten

Mehr Lkw auf der Straße – und ihre Zahl ist in den vergangenen zehn Jahren drastisch angestiegen – bedeuten auch, dass die Wahrscheinlichkeit für schwerere Unfälle steigt.  Geschwindigkeitsassistenten wären gerade in Städten hilfreich, wo häufig die verletzlichsten Verkehrsteilnehmer, nämlich Fußgänger und Radfahrer, die Opfer sind. Alle neuen Liefer- und Personenwagen sollten deshalb auch mit dem automatischen Notbremssystem (AEB) ausgerüstet werden, das für Lkw und Busse bereits Vorschrift ist, fordert Avenoso. 2013 waren 29 Prozent der Verkehrstoten (7.600 Personen) Fußgänger. „Die Menschen müssen begreifen, dass Geschwindigkeit tötet“, sagt Avenoso. Die jüngsten Entwicklungen ermöglichten es, auch Fußgänger und Fahrradfahrer zu erkennen und automatisch sicher zu bremsen. Grundsätzlich müssten die EU-Staaten ermutigt werden, in Städten eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h festzusetzen, in Wohngebieten und stark von Fußgängern frequentierten Bereichen sollte sie bei 30 km/h liegen.

Alkoholsperren als Vorsichtsmaßnahme

Da Lkw aufgrund ihrer schieren Größe und Masse ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen, plädiert Avenoso für serienmäßig eingebaute Alkoholsperren als Vorsichtsmaßnahme. In Frankreich und Finnland sind diese sogenannten Alcolocks in Schulbussen bereits seit längerem Pflicht. Auch Frachtunternehmen hätten teilweise erkannt, dass eine Wegfahrsperre, die sich nur nach bestandenem Atemalkoholtest öffnet, gegenüber der Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil bieten könnten, sagt der 41-Jährige. Werde in Schweden ein Transportauftrag von der Regierung öffentlich ausgeschrieben, stiegen die Chancen auf den Zuschlag mit einem solchen Gerät, das das Engagement für Verkehrssicherheit dokumentiere. Würden die Geräte in großen Stückzahlen hergestellt, sänken auch die Kosten. Ihre Kalibrierung könnte bei den ohnehin notwendigen jährlichen Checks mit vorgenommen werden.

67.000 Unfälle weniger

Avenoso verweist auch darauf, wie wichtig das Anlegen des Sicherheitsgurts ist, dem Lebensretter Nummer eins im Straßenverkehr. Allerdings sei hier das Engagement der Fahrer im Lkw nach wie vor geringer als in anderen Fahrzeugen. Das sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass man sich in der Kabine des großen Fahrzeugs sicher fühle, was aber trügerisch sei.

Um Leben zu retten, kann aber auch ein Klebeband ausreichen. Statte man ältere Lkw nachträglich mit reflektieren Konturmarkierungen an Seiten und Heck aus, könnten 420 Verkehrstote und 2.200 Schwerverletzte in Europa verhindert werden, weil es zu 67.000 weniger Zusammenstößen käme, hat eine Studie des niederländischen Instituts für Straßenverkehrssicherheit (SWOV) herausgefunden.

Derzeit überprüft die EU-Kommission die Vorschriften für die Sicherheitsanforderungen, die an neue Autos, Lieferwagen, Lkw und Busse gestellt werden. Das hat sie zuletzt 2009 getan. Damals wurden wichtige neue Technologien Pflicht, darunter die elektronische Stabilitätskontrolle (ESC) und Gurtwarner für den Fahrer, mit denen Tausende Leben gerettet werden können.

"Es ist wichtig, ein Ziel zu haben"

Dank der EU-Gesetzgebung ist diese Ausstattung  kein teures Extra mehr. "Es ist wichtig, ein Ziel zu haben", sagt Avenoso. Das ist etwas, was er bei der EU-Kommission derzeit vermisst. Sie hätte sich – wie angekündigt – schon längst zum Thema Schwerverletzte äußern müssen, unterstreicht er. Denn auch 200.000 Schwerverletzte pro Jahr seien viel zu viel. Avenoso wünscht sich eine Agentur für die Straßensicherheit. In allen anderen Transportbereichen gebe es solche Einrichtungen, obwohl die Zahl der Todesopfer dort viel geringer sei. "Es ist Zeit für einen Kommissionsvorschlag, aber auch für politisches Engagement in den Hauptstädten", sagt er.

Eine Halbierung der Zahl der Todesopfer bis 2020 ist ein schwer zu erreichendes Ziel, das weiß Avenoso. Zwischen 2001 und 2010 wurde diese Verringerung in den 15 alten EU-Mitgliedstaaten aber schon einmal mit 48 Prozent fast erreicht. Das lässt ihn hoffen. Statistik und Erfahrung hätten gezeigt, dass eine Reduzierung, egal von welchem Ausgangspunkt aus, möglich sei. Jetzt müssten alle 28 Mitgliedstaaten zusammen jährlich ein durchschnittliches Minus um acht Prozent hinbekommen.

Europas Verkehrssicherheit in Zahlen

  • Die EU will 50 Prozent weniger Verkehrstote in zehn Jahren (bis 2020). Jedoch reduzierte sich diese Zahl zwischen 2010 bis 2014 nur noch um 18 Prozent (4,9 Prozent pro Jahr), von 2013 auf 2014 nur um minus ein Prozent in der EU, und stieg sogar um ein Prozent in Deutschland.
  • 72 Prozent aller Verkehrstoten in Europa sind Männer, was offenbar eng mit den drei Risikofaktoren Rasen, Trunkenheit am Steuer und Fahren ohne Sicherheitsgurt zusammenhängt.
  • Bei rund einem Viertel aller tödlichen Verkehrsunfälle war ein aktiver Verkehrsteilnehmer alkoholisiert.
  • Das Risiko, mit Alkohol im Blut einen Unfall zu verursachen, steigt exponentiell mit der konsumierten Menge. Gleichzeitig werden die Unfälle schwerer.
  • 0,19 bis 0,29 Prozent der Lkw-Fahrer setzen sich alkoholisiert hinters Steuer – mit teils gravierenden Folgen.
  • Das Unfallrisiko steigt mit der Geschwindigkeit: Ab Tempo 70 geht die Risikokurve hier so rasant nach oben wie beim Alkoholkonsum.
  • Wer beim Fahren das Handy nutzt, riskiert einen Unfall. Mit dem Telefonieren steigt das Risiko um den Faktor 1,3, beim Wählen um das drei- bis sechsfache, beim Schreiben von Textnachrichten um das 23-fache.


Quelle: Europäischer Verkehrssicherheitsrat

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