Ultraleicht-Lkw "Ängste nehmen"

Ultraleicht-Lkw, LIT-Chef Simeon Breuer Foto: © Rathmann, Montage: Grobosch

Sie fallen leicht um und machen die Preise kaputt. LIT-Chef Simeon Breuer räumt mit diesen Klischees auf und lobt die 11,99-Tonner als grüne Lkw.

Die Kostenvorteile sind immens: Bis zu 40 Prozent niedrigere Spritverbräuche kann die Firmengruppe LIT aus Brake mit ihren Ultraleicht-Lkw realisieren. Maut fällt bei den 11,99-Tonnern ebenfalls nicht an. Ein Selbstläufer sind diese Lkw trotzdem nicht. Es braucht das entsprechende Ladegut und einen guten Vertrieb. LIT habe dafür ein eigenes Kundennetz aufgebaut, sagt Simeon Breuer, Geschäftsführer der Speditionssparte, im Gespräch mit trans aktuell-Redakteur Matthias Rathmann.

trans aktuell: Herr Breuer, am Einsatz Ihrer Ultraleicht-Lkw hat sich viel Kritik entzündet. Im Fernsehen werden sie als Verkehrsrisiko dargestellt und bei der Ladungskooperation Elvis hing wegen der Mautkiller zeitweise der Haussegen schief. Stehen Sie weiterhin zum 11,99-Tonnen-Lkw?

Breuer: Selbstverständlich. Sonst hätten wir das Invest nicht getätigt. Zu den Medienberichten muss ich anmerken, dass dort spektakuläre Unfälle gezeigt werden, die zu einem Fehlschluss führen. Ultraleicht-Lkw sind laut Statistik nicht häufiger in Unfälle verwickelt als konventionelle Lkw. Das wird leider meist verschwiegen.

Können Sie die Kritik nachempfinden?

Unfallbilder beunruhigen einen immer, das gilt ebenso im Fall des umgekippten Ultra­leicht-Lkw auf dem Hindenburgdamm vor Sylt. Deshalb versuchen wir, der Öffentlichkeit ein Stück weit die Angst vor diesen Fahrzeugen zu nehmen.

Sind Sie bereit, die einzelnen Kritikpunkte zu kommentieren?

Ja. Schießen Sie los.

Kritikpunkt eins: Diese Fahrzeuge stellen ein Verkehrsrisiko dar und fliegen bei der kleinsten Windbö um.

Bei einer Windbö fliegt noch kein Fahrzeug um. Ein leerer Planen-Lkw, der von einem kräftigen Sturm erfasst wird, kann umkippen. Dieses Risiko besteht für den Ultraleicht-Lkw wie auch für jeden anderen Planen-Lkw.

Kritikpunkt zwei: Sie treiben mit dieser Fahrzeuggattung die Preisspirale weiter nach unten.

Ich würde nicht bestätigen, dass der Gesamtpreis für eine Komplettladung gesunken ist. Bei der Preisentwicklung muss man die einzelnen Segmente isoliert betrachten – so auch das Segment der Ultras. Es gibt sie, weil es einen entsprechenden Kundenbedarf gibt. Es handelt sich dabei um einen eigenen Markt, der sich vom Markt der Jumbo-Gliederzüge abgesplittet hat. Jeder kann für sich entscheiden, ob er hier einsteigt oder nicht. Doch man sollte sich keinen falschen Hoffnungen hingeben: Das Potenzial in diesem Markt ist nicht unendlich.

Kritikpunkt drei knüpft an Kritikpunkt zwei an: Sie setzen die Fahrzeuge nur ein, um der Maut zu entgehen. Ist das nicht kurzsichtig, wo eine Maut für Pkw und leichtere Lkw nur eine Frage der Zeit ist?

Ich gehe auch davon aus, dass die Maut für leichtere Lkw kommt – so schnell wird das aber nicht gehen. Wir sind der Meinung, dass wir diese Fahrzeuge dann trotzdem wirtschaftlich einsetzen können. Denn es gibt einen großen Pluspunkt, der immer außen vor gehalten wird.

Nämlich?

Der Ultra ist ein grünes Fahrzeug. Und damit punkten wir auch bei der Kundschaft. Dieses Fahrzeug produziert 40 Prozent weniger CO2 verglichen mit einem Jumbo-Lkw mit gleichem Ladevolumen. Weder der Fernsehbeitrag im NDR noch der im Bayerischen Rundfunk ist auf diesen Punkt eingegangen. Das fand ich sehr schade.

40 Prozent weniger CO2 – das heißt bezogen auf den Verbrauch in absoluten Zahlen?

Dass wir je nach Topografie auf unter 20 Liter pro 100 Kilometer kommen. Neben dem geringen Gewicht spielt dabei die verbesserte Aerodynamik eine Rolle, die wir durch zusätzliche Spoiler erreichen. Ein herkömmlicher Jumbo-Gliederzug, der das gleiche Ladegut an Bord hat, geht in Richtung 30 Liter.

Das bringt enorme Ersparnisse bei den Betriebskosten. Können Sie diese beziffern?

Die wegfallende Maut ist der größte Posten. Die Anschaffungskosten sind geringer, die Versicherungsbeiträge sind nicht gestiegen. Warum auch? Es handelt sich um einen richtigen Lkw, der eben eine geringere Nutzlast aufweist. Es gibt Zertifikate zur Ladungssicherung nach Code XL und die Freigabe durch die Prüforganisationen.

Der Verlader beansprucht bei niedrigeren Betriebskosten meist auch einen Anteil für sich. Bleibt von dem Kostenvorteil bei Ihnen noch etwas hängen?

Klar müssen wir etwas abgeben. Aber wir haben ein Interesse daran, Erträge zu erzielen. Ziel ist es, mit diesen Lkw Geld zu verdienen.

Ist das der Fall?

Ja, sonst würden wir es nicht machen.

Wo macht sich das Fahrzeug besonders bezahlt?

Das Fahrzeug macht sich auf Langstrecken bezahlt, nicht aber im Regionalverkehr mit mehreren Entladestellen oder bei Teilpartien. Interessant sind lange Nord-Süd-Verkehre, etwa nach Süddeutschland oder ins Ausland. Bei Beförderungen nach Italien zahlen wir im Transit durch die Schweiz 60 Prozent weniger – wir reden über mehr als 200 Euro.

Für welches Geld nehmen Sie einen Nord-Süd-Transport an?

Das lässt sich pauschal nur schwer beantworten. Nehmen wir als Beispiel 1.000 bemautete Kilometer, dann fallen bei einem Euro-5-Lkw schon mal 150 Euro Maut weg. Hinzu kommen niedrigere Betriebskosten, wozu primär der deutlich niedrigere Verbrauch beiträgt. Je länger dann die Strecke ist, desto höher ist die Ersparnis und desto größer wird der Unterschied zwischen dem Ultra und einem schweren Jumbo-Lkw.

Konkurrieren Sie bei Ausschreibungen inzwischen mit Unternehmen, die auch diese Fahrzeuge einsetzen?

Ja. Den Fall hatten wir erst neulich, als ein Großverlader aus Westdeutschland in der Ausschreibung den Einsatz von Ultras gefordert hat. Bei Ausschreibungen für Styropor ist das schon die Regel. Hier brauchen Speditionen mit bemauteten Lkw gar nicht erst anzutreten – sie machen es aber trotzdem. Setzen sie sich wider Erwarten durch, sind sie es, die zu den gleichen Frachtraten fahren – das bringt die Preise unter Druck.

Sie haben Styropor als Beispiel für geeignetes Ladegut genannt. Mehr als 5,1 Tonnen dürfen Sie nicht befördern. Es lässt sich aber kaum eine vernünftige Auslastung erreichen, wenn man auf Gänsefedern und Co. festgelegt ist, oder?

Ultra-geeignet sind fast alle Güter, in denen Luft enthalten ist – seien es Dämmstoffe oder leere Plastikflaschen. Es ist die Kunst, entsprechendes Ladegut zu akquirieren, mit denen wir die Fahrzeuge auf der Rückfahrt auslasten können. Wir haben es geschafft, in Deutschland und Westeuropa ein entsprechendes Kundennetz aufzubauen. Das ist das A und O. Das bedeutet aber auch, dass man im Vertrieb Manpower vorhalten muss.

Ganz ohne Leerfahrten wird es trotzdem nicht gehen.

Die gehören zu einem bestimmten Teil dazu. Speditionen sind gut, wenn sie zehn Prozent Leerkilometer schaffen, bei den Ultras ist das nicht möglich. Die Quote geht in Richtung 20 Prozent. Das ist in der Kalkulation eingerechnet.

Geht es eigentlich noch leichter?

Wir stellen immer wieder die Frage, was wir noch ändern können. Das Ende der Fahnenstange ist aber bald erreicht. Sie müssen dem Fahrer auch einen entsprechenden Komfort bieten. Die Fahrerkabinen unterscheiden sich nicht groß von denen der großen Lkw. Ein Kühlschrank ist an Bord, zwei Liegen und Fleetboard ist auch eingebaut.

Warum sind Sie bei den ­Ultras immer mit MAN-Fahrzeugen unterwegs?

MAN ist in dem Bereich der Vorreiter, das ist der ausgereifteste Lkw. Die anderen Hersteller ziehen nach. Mit einem Mercedes-Lkw fahren wir gerade einen Test.

Die Fahrer werden sich mit diesen Lkw auf Rasthöfen aber kaum schmücken können, oder?

Das kann auch nicht das Ziel sein. Doch in der Praxis kommen sie mit den Ultras gut zurecht. Die 220 PS reichen bei dem leichten Ladegut auch zur Fahrt durch die berühmten Kasseler Berge.

Welche Fahrer sitzen eigentlich am Steuer – alles Mitarbeiter, die nur den früheren 3er-Führerschein haben?

Die dürfen den Ultra zwar fahren. In der Praxis hat bei uns aber ein Fahrer Vorrang, der einen Lkw-Führerschein hat. Er hat eine geringere Schadensquote. Was bringt es, beim Fahrer zu sparen, wenn wir hinterher viele Blech- und Rangierschäden haben? Die kann man nur mit geschulten Fahrern ausschließen. Wir bilden im Übrigen seit Jahren aus und haben fünf Fahrertrainer bei uns beschäftigt.

Was verdienen die Fahrer bei Ihnen?

Ein Fahrer ist ein rares Gut. Man muss sich um sie bemühen – und entsprechend werden sie auch bei uns bezahlt.

Zur Person

Simeon Breuer ist seit 2009 als Geschäftsführer für die Speditionssparte bei der Unternehmensgruppe LIT aus Brake verantwortlich. Bei LIT ist er seit 2002 beschäftigt. Zuvor war Breuer Exportversandleiter bei Hettich Logistik Service. Eine Ausbildung zum Speditionskaufmann absolvierte Breuer ebenfalls bei LIT, danach machte er seinen Verkehrsfachwirt. Der 41-Jährige ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Das Unternehmen

Die Unternehmensgruppe LIT aus Brake in Niedersachsen beschäftigt an 27 Standorten in Europa rund 1.200 Mitarbeiter und setzte im vergangenen Jahr insgesamt 185 Millionen Euro um. LIT steht für Logistik – Information –  Transport. In der Sparte LIT Cargo sind die Fuhrparkaktivitäten gebündelt. Die Speditionssparte bildet die zweite operative Einheit. Ihre Kunden kommen unter anderem aus den Segmenten Automobil, Getränke und Baustoffe. Die Sparte organisiert die Transporte und greift sowohl auf die Fahrzeuge von LIT Cargo als auch auf die von Subunternehmern zurück. In der Logistiksparte, der dritten Säule, bietet die Unternehmensgruppe spezielle Branchenlösungen an, unter anderem für einen großen Einzelhändler.

Die eigene Flotte beläuft sich auf rund 400 Fahrzeuge, darunter 115 Ultraleicht-Lkw. Hinzu kommen etwa 300 Einheiten von Subunternehmern. Der eigene Fuhrpark umfasst die Marken MAN, Daimler, Scania und DAF, erfüllt Euro 5 und ist zwischen zwei und drei Jahre alt. Das Unternehmen wurde 1988 von den beiden Vorständen Fokke Fels und Christian Niemann ­gegründet und ist seitdem stark gewachsen. Im Jahr 2011 hat LIT die Spedition GRT aus Sulz am Neckar im Kreis Rottweil mit 25 eigenen Einheiten übernommen. Sie firmiert künftig als LIT.

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