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TV-Dokumentation zu Lieferketten Lebensadern durch Europa

WISO Foto: Jörg Sarbach

Das ZDF-Magazin Wiso berichtet über Lkw-Verkehre nach Südosteuropa. eurotransport.de hat Moderator Marcus Niehaves befragt.

Wieder versucht sich das Fernsehen am Thema Transport und Logistik: Die Dokumentation der ZDF-Sendung Wiso „Mit 500 PS durch Europa“ zeigt auf, was auf den Routen nach Spanien beziehungsweise in Richtung Südosteuropa auf den Straßen rollt. eurotransport.de hat den Wiso-Moderator Marcus Niehaves dazu Fragen gestellt.

Nach Angaben des ZDF waren seit März vier Wiso-Trucks in ganz Europa unterwegs mit dem Ziel, vor der Europawahl über die wirtschaftliche und soziale Situation entlang der großen Transportwege in Europa zu berichten. Mehr als sechs Stunden Informationsprogramm wurde demnach bereits in verschiedenen Beiträgen für unterschiedliche ZDF-Sendungen gesendet. Die Reisen wurden für die Wiso-Sendung heute Abend (Wiso, 19:25 Uhr) zu einer 45-minütigen Dokumentation zusammengefasst. Ausführlicher kann man sie auf dem Spartenkanal ZDF Info sehen, dort wird jeder Tour jeweils 45 Minuten Sendezeit gegönnt.

eurotransport.de: Herr Niehaves, warum haben Sie die Tour durch Europa unternommen?

Marco Niehaves: Der Wiso-Truck ist eine Idee, die ich schon lange mit mir rumgetragen habe. Ich habe auf den richtigen Anlass gewartet und der war jetzt mit der Europawahl und dem Brexit gegeben. Ein Lkw transportiert täglich die unterschiedlichsten Produkte und verbindet so dieses Europa. Die Fahrer kennen die verschiedenen Länder bestens, sie können nicht nur die Infrastruktur vergleichen, sie können viel über die Veränderungen und Entwicklungen in den Ländern erzählen. Die Waren, die sie transportieren stehen für ein freies und grenzenloses Europa und ohne eine funktionierende Logistik würden wir alle ziemlich alt aussehen. Also haben wir uns entschieden, die Trucks drei Monate zu begleiten um den Zuschauern zu zeigen, was uns in der EU verbindet, was uns trennt, was funktioniert und was nicht funktioniert. Ich bin von Köln bis nach Mallorca in einem Truck durchgängig mitgefahren. Das Kamerateam hat uns in einem Pkw begleitet.

Anhand von welchen Kriterien haben Sie die Routen geplant?

Der freie Warenverkehr hat die Routen vorgegeben, wir haben die Geschichten erzählt. Wir haben keinen Einfluss genommen auf die Routen und die Waren. Wir wollten zeigen, wie Logistik funktioniert. Insgesamt waren vier Lkw von vier Speditionen unterwegs und das drei Monate lang. Viele Touren fanden ohne Kamera statt, weil die Speditionen ganz normal gearbeitet haben. Am Ende wollten wir vier Routen in vier Himmelsrichtungen begleiten, um die Situation in möglichst vielen Ländern der EU abbilden zu können. Wenn der Zeitpunkt passte, die Waren spannend waren und die Route durch mehrere Länder ging, haben wir ein Kamerateam organisiert und sind mitgefahren.

Wo wurden Sie in Ihren Erwartungen bestätigt, was hat Sie total überrascht?

Total überrascht hat mich die Tatsache, wie sehr die Fahrer ständig am Rechnen sind, um Fahr- und Ruhezeiten einzuhalten. Wie sehr diese Regelungen den Arbeitsalltag der Fahrer bestimmen. Ich hatte erwartet, dass die Fahrer untereinander mehr Kontakt haben, auf den Rastplätzen zusammen essen, sitzen und sich austauschen. Das habe ich anders erlebt. Ich habe erleben können, wie befriedigend dieser Beruf sein kann, wenn man Teil einer funktionierenden Wirtschaft ist, wenn man die Möglichkeit hat, durch unterschiedliche Länder zu fahren, um dort mit den unterschiedlichsten Menschen Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu schließen.

Wie haben Sie die Firmen ausgesucht, deren Fahrer Sie begleitet haben?

Vier Speditionen haben an unserem Projekt mitgemacht: Neben Terratrans aus Bremen die Speditionen Loth aus Leipzig, Kollmannsberger aus Ingolstadt und Gebrüder Weiß aus Passau. Ohne die Bereitschaft dieser Speditionen und ohne die Neugierde, sich auf diese Idee einzulassen, wäre das alles nicht möglich gewesen. Wir sind mit einigen sehr sympathischen und kompetenten Fernfahrern unterwegs gewesen. Ich selbst saß mit Volkmar Krämer, den alle nur Paule nennen, vier Tage im Truck, was sehr spannend und sehr unterhaltsam war.

Welche Erkenntnisse haben Sie persönlich zum Thema Logistik in der EU gewonnen?

Ohne eine funktionierende Logistik geht nichts. Just-in-time ist leicht gesagt; dafür sorgen, dass Waren wirklich auch zu einem bestimmten Termin ankommen, ist eine wahre Meisterleistung. Eine europäische Strategie, wie man den Verkehrskollaps verhindert, wie man die Schiene als Transportweg besser nutzen kann, wie man den Beruf des Fernfahrers wieder attraktiver macht – die braucht es, damit die Kunden auch wirklich weiterhin ihre Waren zum gewünschten Zeitpunkt erhalten.

Haben Sie eine Zweiteilung in West- und Osteuropa erlebt?

Auf unseren Routen nach Rumänien und Spanien haben wir diese Zweiteilung erlebt. Menschen, die in der Automobilindustrie in Ungarn viel weniger verdienen als ihre deutschen Kollegen – und das für die gleiche Arbeit. Kinder die alleine aufwachsen, weil ihre Eltern im EU-Ausland arbeiten. Auf der anderen Seite der vollbeladene Truck mit hochpreisigen Möbeln, der die wohlhabenden Urlauber auf Mallorca beliefert. Aber: Die tristen Regionen und die ausgestorbene Dörfer gab es auf unserer Tour auch in Frankreich und gibt es generell ja auch in der westlichen EU zu sehen. Genauso wie es im Osten Europas tolle Erfolgsgeschichten gibt.

Eine Frage an Sie als Medienschaffenden: Bei der Berichterstattung über den Güterverkehr sieht sich die Branche zu oft klischeehaft und zu negativ porträtiert. Eine Idee, woher dieses Bild kommt und was die Branche tun kann, um diesem Klischee zu entkommen?

An so manchen Klischees ist ja schon was dran. Das gilt wohl auch für die Logistikbranche. Warum soll ein Fernfahrer, der tagelang in seinem Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer unterwegs ist, in feinem Zwirn hinterm Steuer sitzen? Im Unterhemd habe ich tatsächlich den einen oder anderen Fahrer gesehen. Unsere Fernfahrer waren gut gekleidet und sehr offen und ehrlich. Und genau das wäre mein Tipp: Dadurch, dass die vier Speditionen sich auf diese Idee eingelassen haben und auch kritische Fragen zum Thema Arbeitszeiten und Sicherheit im Straßenverkehr immer offen gegenüber waren, haben sie der ganzen Branche einen großen Dienst erwiesen. Sie haben nämlich acht Woche lang gezeigt, wie wichtig ihr Job und eine funktionierende Logistik sind und das vor einem Millionenpublikum. Da ist am Ende das ein oder andere Unterhemd nicht mehr so bedeutend.

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Eine Sendung des deutsch-französischen Senders Arte hatte unlängst "in Fachkreisen für Irritationen" gesorgt, wie der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) shcrieb. Der Verband kritisierte die Dokumentation „Wahnsinn Lkw – Wie der globale Schwerverkehr uns alle kaputtmacht“ dabei zahlreiche handwerkliche Fehler, etwa die Verwendung verschiedener statistischer Zahlen, oder das "gezielte Weglassen" von Zahlen. Denoch habe der Filmbeitrag einige gute Ansätze, die es Wert seien, weiter verfolgt zu werden. "Der BGL steht dafür mit seinem Know-how gerne – auch für kritische Fragen – zur Verfügung."

Zu der Wiso-Dokumentation in der ZDF-Mediathek (Video verfügbar bis 20.05.2020)

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