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Online-Vermittlung für Lkw-Fahrer Wer die Fahrer hat, hat die Fracht

JobMatchMe Foto: jan Bergrath
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Nicht den Partner fürs Leben, aber vielleicht den Job für die nächsten Jahre können Berufskraftfahrer auf einer neuen Online-Plattform suchen: truck-pro.de prüft für Fahrer, welcher Arbeitgeber am besten passt.

Das vor 13 Jahren gegründete Unternehmen Hüer Transport und Logistik aus Münster hat 42 Fahrzeuge. Größter Kunde mit 35 bis 40 Touren pro Woche ist die BOS aus Emsdetten, Produzent von Türzargen. Fluktuation der Fahrer war für Hüer bislang ein Fremdwort. Verließ ein Fahrer dennoch das Unternehmen, etwa um im Nahverkehr öfter bei der Familie zu sein, fand sich recht bald ein Nachfolger. Doch mittlerweile geht für Hüer die Schere bei der Personalrekrutierung immer weiter auseinander. "Ich könnte noch mehr Touren annehmen, aber dazu fehlen mir die für unsere Aufgabe passenden Fahrer."

Erste Lkw bleiben unbesetzt stehen

Nicht nur Hüer ist davon betroffen. Auf seiner Jahreshauptversammlung Ende Oktober in Köln sprach der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) konkret über die Auswirkungen des Fahrermangels in "bisher nicht gekannten Dimensionen." Zwar erwarben 2016 insgesamt 16.211 Berufskraftfahrer-Azubis und Prüfungsteilnehmer nach dem Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz den Lkw-Führerschein, laut BGL so viele wie noch nie zuvor.
Auf der anderen Seite gehen etwa 30.000 Lkw-Fahrer pro Jahr in den verdienten Ruhestand. Konsequenz: Es herrscht ein spürbarer Mangel an Frachtraum, erste Lkw bleiben unbesetzt auf dem Hof stehen.

Zeitungsanzeigen werden kaum geschaltet

Stellenanzeigen in den Zeitungen – früher neben der Vermittlung durch die Arbeitsagentur die einzige Möglichkeit, Fahrer zu finden – werden kaum mehr geschaltet, Unternehmer setzen auf die sozialen Medien, vor allem Facebook. Ungefiltert bricht dann über die Firmen eine wahre Flut von Anfragen herein, manche Fahrer wollen dabei einfach ohne echte Wechselabsichten nur ihren Marktwert testen.
Die Gefahr, daneben zu greifen, ist groß, wie ein Silotransporteur aus Süddeutschland mit modernem Fuhrpark und Monatslohn von 3.000 Euro in einem Hintergrundgespräch erzählt. Es zeigt, wie groß offenbar die Spreu der stellenlosen Fahrer ist, und wie selten der Weizen. Trotz eines bereits unterschriebenen Arbeitsvertrages würden Fahrer etwa zum vereinbarten Stichtag einfach nicht zur Arbeit erscheinen. Und manchen würde erst nach einer Woche klar werden, dass sie eigentlich gar keine wirkliche Lust haben, um vier Uhr in der Frühe auf Tour zu gehen.
Offenbar, so ein besorgter Unternehmer aus Bayern, wird derzeit jeder genommen, der den Führerschein hat. Nach der dritten Tour über dieselbe Strecke habe ihn ein Fahrer angerufen, dass er nicht weiterfahren könne, weil das Navi kaputt sei.

Fehlerquote bei der Fahrersuche senken

Genau diese Problematik wollen die beiden Hamburger Daniel Stancke (38) und Thorsten Steinbach (39) nun mit ihrem von Business Angels finanzierten Start-up JobMatchMe lösen. Stancke, früher bei VW im Personalmanagement beschäftigt, und Steinbach, nach Psychologie- und BWL-Studium lange Zeit Produktentwickler bei DHL, wollen die Fehlerquote bei der Fahrersuche senken und haben mit ihrem heute 15-köpfigen Team ein Konzept entwickelt, das wie eine Internet-Partnervermittlung funktioniert.

Matchmaker Algorithmen

Aus den Daten, die Unternehmer auf der Internetplattform www.truck-pro.de und die Fahrer auf der Seite www.truck-jobs.de einpflegen, arbeiten im Hintergrund Algorithmen heraus, welche Arbeitgeber am besten zu welchem Arbeitnehmer passen. So erklärt sich auch der englische Name des Start-ups: "to match" heißt "zusammenbringen."
Dabei sprechen Stancke und Steinbach von einem Arbeitnehmermarkt. "Fahrer können sich unter einer Vielzahl an Angeboten in der Theorie die für sie beste Stelle heraussuchen." Derzeit, so heißt es aus der Branche, werben sich Unternehmer mit allen möglichen Versprechungen und Prämien die Fahrer gegenseitig vermehrt ab.

Fahrer sind lange treu

Eigentlich, so zeigt die Praxis, sind Fahrer einem Unternehmer, der sie fair behandelt, lange treu. Doch das ändert sich nun offenbar, auch weil immer mehr Unternehmen jedenfalls im Fernverkehr den Fahrern die Möglichkeit bieten, den Lkw mit nach Hause zu nehmen. "Und viele Fahrer, die derzeit in einem Unternehmen nicht zufrieden sind, wissen oft gar nicht, dass sie ganz in der Nähe eine Firma finden, die besser zu ihnen passt", sagt Steinbach. Bei ihrer Marktanalyse haben sie das Potenzial errechnet: "Wir gehen von einer Fluktuation zwischen 100.000 und 200.000 Fahrern pro Jahr aus", sagt Stancke.
Im Vorfeld haben sie auf Raststätten und Autohöfen mit über 500 Fahrern gesprochen, um deren Jobpräferenzen zu erfragen. Unternehmer, zunächst aus der Region Hamburg, haben sie dazu konsultiert, der langjährige Transportunternehmer und heutige Leiter Arbeitskreis Verkehr der Logistik-Initiative Hamburg, Hans Stapelfeldt, hat sie beraten. Mittlerweile findet der BGL selbst an dem Konzept Gefallen, dessen externe Finanzierung weiter gesichert ist.

Für Fahrer kostenlos

Fahrer, die ihr Profil hinterlegen, können dies kostenlos tun, nur die Unternehmer zahlen eine monatliche Gebühr und bekommen die Fahrer angeboten, die den Wünschen entsprechen. Noch sind es erst 150 Unternehmen, die das Angebot nutzen, die Bekanntheit wächst von Norden nach Süden. Dabei ist absolute Transparenz ein entscheidendes Kriterium: "Manche Firmen zögern daher noch", sagt Stancke, "denn wenn wir nach einer Vermittlung die erboste Rückmeldung von Fahrern bekommen, dass die Angaben nicht stimmen, prüfen wir das sehr genau."
Grundsätzlich wird das Problem des Fahrermangels durch die neue Plattform nicht gelöst, es trägt wahrscheinlich eher zu einer Marktverschiebung bei, wenn die besten Firmen nun auch auf einen Pool an guten Fahrern zurückgreifen können. Rund 10.000 Fahrer sind bereits in der ständig wachsenden Datei. Als Oliver Hüer davon gehört hat, zögerte er nicht lange, sich bei Truck Pro anzumelden. Mit Erfolg: "Ich bin mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Es gibt eine sehr gute Vorauswahl. Beworben haben sich bei mir wirklich gute Leute mit sehr guter Kommunikation und Wissen über Lenk- und Ruhezeiten, von drei Matches haben am Ende zwei Fahrer bei mir angefangen."

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