Truck Talk Podcast (6) Kann ein Tacho intelligent sein?

Jan Bergrath, Truck Talk BAG, Kontrolle, Podcast Foto: Jan Bergrath
Podcast

Ab Sommer 2023 wird die aktuelle Version des digitalen Tachos, die seit dem 15. Juni 2019 in Neufahrzeuge eingebaut wird, durch eine Nachfolgeversion ersetzt. Dadurch soll der „intelligente“ Fahrtenschreiber noch intelligenter werden, weshalb auch die Nachrüstfristen deutlich verkürzt wurden. Denn nur mit der nächsten Ausbaustufe sind die mit dem Mobilitätspaket geschaffenen Regelungen bei den Lenk- und Ruhezeiten, bei der Entsendung und der Kabotage wirklich gut zu kontrollieren. Doch auch der schlaueste Fahrtenschreiber kann nur so intelligent sein, wie derjenige, der davor sitzt, meinen Götz Bopp und Jan Bergrath in der sechsten Folge von Truck Talk.

Auch wenn laut einer aktuellen Studie der International Road Transport Union (IRU) ein nicht geringer Teil der vor allem kleinen und mittelständischen europäischen Frachtführer im Zuge der weiter anhaltenden Corona-Krise über kurz oder lang vom Konkurs bedroht sind – am zeitlichen Regime zur Vollendung des Mobilitätspaket 1 bis Mitte 2026 wird sich nichts ändern. In den ersten vier Folgen des Truck Talk haben sich Götz Bopp und Jan Bergrath vor allem mit den Änderungen bei den Lenk- und Ruhezeitvorschriften befasst, die seit dem 20. August 2020 gelten und aufgrund von handwerklichen Mängeln im Verordnungstext schon jetzt einer Klarstellung durch die EU-Kommission bedürfen.

Endlich – der neue intelligente Tacho kommt

In Folge Fünf werden Änderungen besprochen, die in den kommenden Jahren Geltung erlangen, zum Beispiel das durchaus real drohende Verkehrschaos an den europäischen Binnengrenzen, wenn ab dem 2.2.2022 alle Lkw-Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr jeden Grenzübertritt auf dem nächsten Halteplatz nach der Grenze manuell eingeben müssen. Auch wenn das auf den ersten Blick für gewiefte Berufskraftfahrer keine Minute dauert kann man sich ausmalen, das Halteplätze wie der hinter der belgischen Grenze bei Aachen-Lichtenbusch, die etwa zehn Lkw fassen, bei mehreren Hundert LKW pro Stunde nurmehr der Endpunkt einer langen Lkw-Schlange sein werden.

Daher die gute Nachricht zuerst: Wer ab Mitte 2023 das Glück hat, auf einem Neufahrzeug unterwegs zu sein, kann am Grenzstau vorbeifahren. Denn der dann verpflichtend eingebaute Nachfolger des aktuellen intelligenten Fahrtenschreibers wird wohl über eine digitale Karte verfügen, die das „Überfahren“ einer Landesgrenze automatisch und ohne Zutun des Fahrers registrierbar macht.

Papierstreifenspuckende Kontrollmilchsau

Das ist aber nicht der einzige Beweggrund für die neue Version des intelligenten Fahrtenschreibers. Die Manipulation der Tachos ist weiterhin ein Thema, wobei der Magnet, trotz mancher schlecht recherchierten aktuellen TV-Berichte, spätestens seit dem Jahr 2012 aus dem Rennen ist und teils durch eine hochgradig kriminell entwickelte Softwaremanipulation ersetzt wurde. In diesem Hase-Igel-Rennen will die EU-Kommission daher wieder der Hase sein. Doch vielmehr geht es darum, den, wie es Bopp beschreibt, „Fahrtenschreiber zur papierstreifenspuckenden Kontrollmilchsau weiterzuentwickeln“, der nicht nur die Lenk- und Ruhezeiten kontrollierbar macht, sondern auch die Arbeitszeit, die Vorschriften zur Entsendung der Fahrer oder die Kabotageregelungen, die in den kommenden Folgen des Truck Talk behandelt werden. Außerdem soll die Einhaltung der Regelungen beim kombinierten Verkehr und die Limitierung der Höchstgeschwindigkeit durch den Geschwindigkeitsbegrenzer kontrollierbar gemacht werden.

Hier schon einmal vorab die Nachrüstpflichten

Spätestens bis zum 1.1.2025 müssen alle Fahrzeuge mit analogen oder digitalen Fahrtenschreibern der 1. Generation mit den neuen Geräten ausgestattet worden sein. Das sind alle Fahrzeuge, die bis zum 14. Juni 2019 erstmals zugelassen wurden. Dieses Datum (1.1.2025) ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 4 der Verordnung 165/2014. Dort steht, dass die Nachrüstfrist spätestens drei Jahre nach Ablauf des Jahres des Inkrafttretens von technischen Durchführungsvorschriften endet, für deren Veröffentlichung die EU-Kommission nach dem Inkrafttreten des Mobilitätspakets zwölf Monate Zeit hat.

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Bis spätestens Sommer 2025 (ggf. bis zum 20. August 2025) müssen aber auch alle Fahrzeuge, die zwischen dem 15. Juni 2019 und Sommer 2023 erstmals zugelassen wurden und somit über die Version 1 des intelligenten Fahrtenschreibers verfügen, zum Tausch des Fahrtenschreibers auf die Version 2 in der Werkstatt gewesen sein. Gegenwärtig kann kein genaues Datum für den Ablauf dieser Nachrüstfrist genannt werden, da diese genau zwei Jahre nach dem Einführungstermin der neuen intelligenten Fahrtenschreiber endet und dieser Termin bekanntlich heute noch unbekannt ist.

Änderungen bei der DSRC-Abfrage

Der neue wie auch der aktuelle intelligente Tacho ermöglicht eine „Unterwegskontrolle“ durch vorbeifahrende Fahrzeuge oder vom Straßenrand, die allerdings eine Überwachung der Lenk-und Ruhezeiten selbst ausschließt. Kontrollbehörden wie das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) müssen bis Sommer 2024 mit dem entsprechenden Kontrollequipment ausgestattet sein. Das BAG hat bereits zahlreiche Kontrollfahrzeuge technisch aufgerüstet. Dabei geht es vordergründig darum, Unregelmäßigkeiten, die auf eine Manipulation hinweisen, zu erkennen, um den Lkw dann einer genaueren stationären Prüfung zu unterziehen.

Allerdings: Die „Überschreitung der maximalen Lenkzeit“ wird beim intelligenten Fahrtenschreiber der Version 2 als zusätzliches Datum in den DSRC-Datensatz aufgenommen. Welche Information genau sich hinter dieser Formulierung verbergen soll ist unklar, wahrscheinlich der Lenkzeitblock von 4,5 Stunden. Da die Rechtsgrundlage personenbezogene Daten ausschließt, erscheint diese Anpassung rechtlich in höchstem Maße fragwürdig, zumal durch die Fernabfrage Informationen darüber gewonnen werden sollen, ob ein „Fahrtenschreiber mutmaßlich manipuliert oder missbraucht wurde“.

Gewichtskontrolle der anderen Art

Für die Kontrolle der neuen Entsende- und Kabotageregeln, die ab Februar 2022 gelten und Thema der Folge 7 und 8 des Truck Talk sein werden, ist es entscheidend, wie oft und vor allem wo der Lkw be- oder entladen worden ist. Der neue intelligente Fahrtenschreiber wird jedenfalls in der Lage sein, diese Tätigkeiten zu erfassen. Ob er dies aber tatsächlich „automatisch“ können wird, ist trotz der Tatsache, dass der EU-Gesetzgeber dies vorgibt, unwahrscheinlich. Zwar gibt es rechtliche Vorgaben zu sogenannten On-Board-Weighing-Systemen, die über eine entsprechende Sensorik Gewichtsveränderungen des Fahrzeugs registrieren könnten. Da die EU-Mitgliedstaaten diese Vorgaben aber nicht umsetzen mussten und Deutschland dies auch nicht getan hat, wird es wohl am Fahrer liegen, ob er bei jeder Be- oder Entladung eine Eingabe am Fahrtenschreiber vornimmt oder nicht. Gesetzlich verpflichtet ist er dazu Stand heute übrigens nicht.

Dies könnte als weiterer Beleg dafür angesehen werden, dass auch der neue intelligente Fahrtenschreiber, zu dessen Einführung es wohl auch Fahrerkarten der 3. Generation geben wird, am Ende doch nur so intelligent ist wie derjenige, der davor sitzt.

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