Truck Talk Podcast (3) Die unmögliche Tourenplanung

Lkw-Fahrer aus Osteuropa bei einer Pause auf einem Rastplatz Foto: Jan Bergrath
Podcast

Götz Bopp und Jan Bergrath diskutieren im Truck Talk über die neue Sonderregel zur Verbringung von zwei aufeinanderfolgenden reduzierten Wochenruhezeiten im Lkw im grenzüberschreitenden Güterverkehr und die alles entscheidende Frage, wie der Unternehmer in Zukunft die Touren der Fahrer gesetzeskonform planen soll, wenn es dem Gesetzgeber noch nicht einmal gelingt, eine Regelung zu schaffen, die ein Disponent ohne den Einsatz künstlicher Intelligenz in die Praxis umsetzen kann.

Zu früh gefreut. Kaum ist der erste Teil des Mobilitätspakets, die Änderung einiger Regeln der VO (EG) 561/2006 über die Lenk- und Ruhezeiten am 20. August in Kraft getreten, haben einige deutsche Frachtführer und Speditionen sofort die vermeintliche Chance gesehen, Kosten für die Übernachtung ihrer in Deutschland fest angestellten Fahrer etwa aus Polen, Litauen oder Rumänien zu sparen, indem sie ihre Fahrer weiterhin übers Wochenende auf einem Autohof oder in einem Industriegebiet campieren lassen. Längt ist bekannt, dass auf Grund des sich auch weiter verschärfenden Mangels an qualifizierten deutschen Berufskraftfahrern rund 20 Prozent der aktuellen mobilen Belegschaft deutscher Arbeitgeber aus Osteuropa kommt. Und die meisten Fahrer, die nicht gänzlich übergesiedelt sind, bevorzugen seither das sogenannte „3 zu 1“-System. Drei Wochen auf Tour, eine Woche Heimaturlaub. Die „6 zu 2“-Variante ist ebenfalls eine verbreitete Alternative.

Da es nun EU-weit verboten ist, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, wollen manche Unternehmen, die ihren Fahrern aus Osteuropa am Wochenende weder eine Wohnung, ein Hotel oder eine wodurch auch immer „geeignete“ Unterkunft (siehe Podcast-Folge 2) zur Verfügung stellen, die neue Sonderregel für den grenzüberschreitenden Güterverkehr nutzen, nach der die Fahrer zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten von mindestens 24 bis höchstens 44:59 Stunden im Lkw verbringen dürfen. Um dann den insgesamt fälligen Ausgleich in einem Bezugsrahmen von vier Wochen vor dem Ende der dritten Woche vor der nächsten anfallenden regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit zu nehmen.

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Doch wie genau soll das funktionieren? Obwohl nur die Beteiligten wissen, was in den oft nächtlichen Trilogverhandlungen Ende letzten Jahres in Brüssel dazu geführt hat, dass hinsichtlich der Sonderegel im grenzüberschreitenden Güterverkehr eine vorsichtig ausgedrückt „verkorkste“ Vorschrift ausgehandelt wurde, stellen sich der Fachjournalist Jan Bergrath, seit über 30 Jahren freier Autor des Truck Magazins FERNFAHRER, und Götz Bopp, der seit 15 Jahren Güter befördernde Unternehmen berät, in der dritten Folge des von Mercedes-Benz Trucks unterstützten Podcast Truck Talk „Sternstunden des Mobilitätspakets“ der Frage, wie der Unternehmer in Zukunft die Touren der Fahrer gesetzeskonform planen soll, wenn die Regelung so kompliziert und unklar ist, dass sie ein Disponent wohl nur unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz in die Praxis umsetzen kann.

Denn im rein nationalen Transport des polnischen Fahrers eines deutschen Frachtführers gilt diese Sonderregel nicht, da der Fahrer die reduzierten Wochenruhezeiten im Ausland beginnen muss. Ganz anders sieht es im Kombinierten Verkehr aus. Also beispielsweise beim innerdeutschen Vor- und Nachlauf eines internationalen Transports eines bulgarischen Frachtführers mit einem mazedonischen Fahrer im Auftrag eines österreichischen Logistikers, da hier die innerdeutschen Beförderungen als Teil eines grenzüberschreitenden Transports gelten.

Erschwert wird die Planung für die armen Disponenten aber vor allem dadurch, dass die Sonderregel mit dem neuen Vorsatz so gar nicht in das bisher fein abgestimmte Korsett der übrigen „Sozialvorschriften“ passt. Die Programmierer der künftigen intelligenten Fahrtenschreiber, der an die neuen Regelungen angepassten Auswertungs- und Kontrollsoftwares und auch der in vielen Unternehmen eingesetzten Tourenplanungssoftwares werden wahrscheinlich vergebens nach dem Algorithmus suchen, der rechtssicher berechnet, wann der einzelne Fahrer im Rahmen der Sonderregel die Rückreise antreten muss, um rechtzeitig am „geeigneten“ Ort anzukommen, an dem er den Ausgleich und die Wochenruhezeit einlegt. Und das abhängig davon, ob der Fahrer mit dem LKW, dem Mietwagen, dem Fernbus oder per Flugzeug zurückreist.

Wer also auf Nummer sicher gehen will, der hält sich, bis zu einer möglichen Klarstellung der EU-Kommission, besser an die bewährten altbekannten Regeln. Auch wenn das sicher nicht der Plan der EU-Kommission war.

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