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trans aktuell-Symposium Tender-Management 4.0 "Tendern ist wieder hipp"

trans aktuell-Symposium zum Thema ""Tender-Management 4.0 - Endlich wieder Geld verdienen!"" Foto: Thomas Kueppers 25 Bilder

Beim trans aktuell-Symposium Tender-Management 4.0 bei Hellmann in Osnabrück beleuchteten Referenten den Weg zur erfolgreichen Ausschreibung.

Die Anzahl an Ausschreibungen steigt – der Prozess des Tender-Management wird in vielen Unternehmen jedoch stiefmütterlich behandelt. Um diesem Trend entgegenzuwirken und Firmen Inspirationen für einen effizienteren Prozess zu vermitteln, hat trans aktuell das erste Symposium des Jahres unter das Motto "Tender-Management 4.0 – Endlich wieder Geld verdienen!" gestellt. Gastgeber war der Logistikdienstleister Hellmann Worldwide Logistics aus Osnabrück.

Der Vorsitzende der Geschäftsführung bei Hellmann, Dr. Thomas Knecht, erläuterte den rund 60 Teilnehmern, dass sich die Anforderungen bei einem modernen Tender-Management verändert haben. Struktur- und Prozessoptimierung, der technische Fortschritt und die Digitalisierung spielen hierbei eine Rolle.

Dem stimmt auch Rainer Hoppe, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Apari Consulting, zu: "Elektronische Ausschreibungsplattformen werden immer wichtiger." Das berge jedoch die Gefahr, den direkten Draht zum Kunden zu verlieren und nur noch einer von vielen zu werden. Individualität sei gefragt. "Stattdessen sind viele Ausschreibungen streng formalisiert", erklärte Hoppe. Dabei gilt seiner Ansicht nach: Der erste Schuss muss im Fall einer Teilnahme sitzen. "Nur wer die erste Runde überlebt, hat eine Chance für spätere Anpassungen." Eine weitere Herausforderung entstehe durch neue Preisbildungsverfahren, die den Zeitdruck erhöhen. Weniger Zeit, aber mehr Prozess-Beteiligte seien das Resultat. Aufgrund mittlerweile meist globaler und intermodaler Lieferketten sind auch mehr Personen involviert und entsprechend viele Informationen im Umlauf.

In der Logistik ist noch Luft nach oben

Um bei all diesen Herausforderungen im Tender-Management erfolgreich bestehen zu können, hat Hoppe ein Fünf-Stufen-Modell entwickelt. Es bildet den Reifegrad von Tender-Management-Prozessen und der entsprechenden IT-Unterstützung ab. Die Logistikbranche liege in der Regel zwischen Stufe zwei und drei – es ist also noch Luft nach oben.

"Der Tenderprozess stellt eine Positivspirale dar", erklärte Hoppe. Wer sich darauf einlasse und ihn beherrsche, steigere den Bekanntheitsgrad und generiere Aufträge. Es zählen laut Hoppe die Menge, aber auch die Qualität der Kontakte. Dieses Ziel sei allerdings unerreichbar, wenn das Tender-Management – wie bei vielen Mittelständlern üblich – nebenbei erledigt werde. Stattdessen müsse das Thema Teil der Unternehmensstrategie sein, eine durchgängige IT-Unterstützung erfahren und von den richtigen Leuten betreut werden.

PSI hat ein Kalkulationstool für den Tenderprozess entwickelt

Diesen Punkt hebt auch Kai Hasenpusch, Chief Commercial Officer Deutschland bei Hellmann, hervor: "Am Ende zählt der Faktor Mensch." Gemeinsam mit Matthias Drees, Projektmanager bei PSI Logistics, stellte er den Tenderprozess bei Hellmann vor. PSI übernimmt davon mit dem eigens entwickelten Kalkulationstool die Schritte drei bis fünf. Nachdem Hellmann in einem ersten Schritt auf die Ausschreibung eingeht und in einem zweiten darüber entschieden wird, ob man sich darum bemüht oder nicht, übernimmt das PSI-Tool die Abstimmung über Kalkulation und Konzept.

"Dazu gehört unter anderem die Bearbeitung der Sen­dungs­daten und die Kommunikation mit den Kunden, im nächsten Schritt die Tarifkalkulation und die Erstellung der Angebotsdokumente", sagte Drees. Anschließend präsentieren Mitarbeiter das Angebot dem Kunden und verhandeln den Preis. Den sechsten und letzten Schritt übernimmt wieder Hellmann: das Eingliedern ins operative Geschäft, Dokumentation und die abschließende Analyse. "Tendern ist wieder hipp", erklärte Hasenpusch die umfangreichen Bemühungen im Unternehmen.

Im Jahr 2015 konnte Hellmann 440 Ausschreibungen für sich entscheiden, im vergangenen Jahr sei der Anteil sogar um 20 Prozent gestiegen – ohne zusätzliche Mitarbeiter eingestellt zu haben. "Doch damit sind wir nicht zufrieden", erklärte Hasenpusch. Mithilfe des sogenannten Tender-Trackers, einer IT-basierten Lösung, sollen noch bessere Ergebnisse erzielt werden. "Dafür ist ein Verantwortlicher im Unternehmen notwendig, der das entsprechende Know-how besitzt." Es zählt eben der Faktor Mensch.

Was Speditionen und Frachtführer besser machen können

Beim Thema Ausschreibungen zeigt sich die Ambivalenz des Mittelstands: dem Aufwand und den Risiken stehen viele Chancen gegenüber. "Eine Ausschreibung ist eine Chance für den Mittelstand – wenn er über das hinwegschaut, was ihm vor die Füße geworfen wird", sagte Marc Possekel. Als Geschäftsführer des Lagernetzwerkes Logcoop – sechs Gesellschafter und 80 Unternehmen mit insgesamt zwei Millionen Quadratmeter Lagerfläche – ­lotet er für seine mittelständischen Mitglieder auch Angebote aus Industrie und Handel aus und bringt zusätzliche Verlader-Erfahrung als langjähriger Supply-Chain-Verantwortlicher des Herstellers Rigips mit.

Drei mögliche Beispiele, wie Logistikdienstleister sich Ausschreibungen zunutze machen können, gab er den Teilnehmern des Symposiums in Osnabrück auf den Weg. Eine mögliche Strategie ist dabei, schon im Vorfeld zu beraten und zu optimieren, und nicht nur die Transportlogistik, sondern das Gesamtkonstrukt des Auftraggebers zu betrachten. Etwa die Sendungsstrukturdaten erfragen und analysieren, statt sich allein auf Frachtraten zu konzentrieren.

Den Kunden nicht in die eigenen Produktionsstrukturen pressen

Laut Possekel machen Spediteure auch viel zu oft den Fehler, den Kunden in ihre eigenen  Produktionsstrukturen pressen zu wollen. Gerade dies führe zu Ineffizienz und veranlasse den Verlader wieder zur Ausschreibung. Wer dem Kunden nichts Passendes aus dem eigenen Leistungskatalog anbieten könne, müsse sich Alternativen ausdenken – beispielsweise im Rahmen einer Kooperation mit einem anderen Unternehmen – oder sich den Einkauf der Leistungen überlegen. "Die Spediteure bedienen sich viel zu selten des ganzen Baukastens der Logistik", sagte Possekel und forderte die Dienstleister auf, mehr über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Warum Ausschreibungen neben den Leistungsbeschreibungen so unterschiedlich ausfallen, darüber informierte Klaus Weiss, kaufmännischer Leiter der Fritz Gruppe aus Heilbronn, die rund 250 ziehenden Einheiten hat. Während Weiss, der auch für das Vertragswesen zuständig ist, bei komplexen Transportausschreibungen mehrere Seiten über Vertragsbedingungen und Haftung durcharbeiten muss, sind die Haftungsbedingungen bei komplexen Logistikausschreibungen im Vergleich sehr kurz gehalten.

Grund: Der Transport wird von vielen gesetzlichen Regelungen zumeist im Rahmen des Handelsgesetzbuches (HGB) begleitet, Spediteure sind also haftungsprivilegiert. „Das HGB ist aber generell vertragsdispositiv, soweit es sich um einzelvertragliche Regelungen handelt“, erläuterte Weiss. So kann also der Auftraggeber im Tender-Management versuchen, die Haftung entsprechend seinen  Anforderungen zu regeln – und der Dienstleister hat eventuell das Nachsehen.

Vertragsbedingungen vor der Unterschrift auf Risiken prüfen

Der Ratschlag von Weiss: Logistikdienstleister sollten die Verträge unter dem Haftungsregime des HGB, den Allgemeinen Deutschen Spediteursbedingungen (ADSp) oder von Logistik-AGBs abschließen und die Vertragsbedingungen vor der Unterschrift auf Risiken prüfen. Die Fritz Gruppe behält nach Angaben des kaufmännischen Leiters etwa gerne das Pfandrecht bei, zur Absicherung. "Das braucht bei Verhandlungen ganz schön viel Standhaftigkeit", berichtet Weiss.

Ausschreibungen haben aber auch deshalb ein weniger gutes Renommee beim Mittelstand, weil viele Auftraggeber sie als Benchmark für den Preis nutzen. Aber: Viele Dienstleister können auch gar nicht sagen, wo ihre Preisuntergrenze liegt – weil sie über ihre eigenen Kosten nicht Bescheid wüssten, sagte Andy Apfelstädt, Projektleiter am Institut Verkehr und Raum der Fachhochschule Erfurt und Geschäftsführender Gesellschafter der Logistik Werkstatt Erfurt.

Schönrechnen der eigenen Leistungssätze ist beliebt

Bei mittelständischen Frachtführern finde eine Kosten- und Frachtpreiskalkulation oft nicht statt, stattdessen werde ein Tagessatz genannt. Gleichfalls beliebt sei das Schönrechnen der eigenen Leistungssätze. Dabei haben die Betroffenen laut Apfel­städt gar nicht im Blick, welcher Ressourceneinsatz in den Einsatzstunden erfolgt und dass es für Fahrer eine maximale Einsatzzeit am Tag gebe.

Dritter Fehler: Viele schätzen den bewerteten Aufwand falsch ein. Wer bei der Suche nach einer Rückladung unbezahlte Leerfahrten in Kauf nimmt, muss sich nicht über eine Differenz zwischen der vermarkteten Leistung und dem unmittelbaren Aufwand wundern.
Um die Kosten- und Preiskalkulation der Frachtführer in die Realität zu bringen, hat Apfelstädt mit seinem Team von der Logistik Werkstatt das Tool Kokala (Kostenkalkulationsassistent) entwickelt. Es berechnet Kostenkennzahlen, beispielsweise etwa Einsatzkosten pro Fahrzeug am Tag, den Anteil der Personalkosten an den Gesamtkosten und macht valide Angebotspreise für Teil- und Komplettladungen möglich.

Podiumsdiskussion: Persönliches Gesprächs versus IT?


"Der Mensch zählt immer noch" – dieser Aussage konnten auch bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des trans aktuell-Symposiums zu Tender-Management 4.0 alle zustimmen: Der persönliche Kontakt zwischen Auftraggeber und Dienstleister ist weiter nicht zu ersetzen. Bei anderen Punkten waren die Positionen divergenter.

Etwa bei der Frage, wo denn der Reifegrad der Unternehmen im Bereich Tendermanagement anzusiedeln ist. Marc Possekel, Geschäftsführer der Lagerkooperation Logcoop mit rund 80 mittelständischen Mitgliedern, sieht bei seinen Mitgliedern ein breites Spektrum: Wer sich vor allem im Transportbereich tummele, habe weniger Erfahrung. Andere, mit vielen Lagerflächen, seien "Vollprofis", und betreiben vor dem Tendermanagement bereits Prozessoptimierung. Der Tendermanagement-Prozess bei Hellmann ist so weit ausgereift, dass er laut Dr.Giovanni Prestifilippo, Geschäftsführer des Softwareanbieters PSI Logistics, auch anzeigt, wo Spielraum bei Verhandlungen ist.

Wenn sich das Sendungsgerüst ändert – nachverhandeln oder nicht? "Nach einem Jahr mit den Kunden nochmals reden, ist manchmal schwierig", sagte Klaus Weiss von der mittelständischen Logistikgruppe Fritz aus Heilbronn. Andere wissen gar nicht von der Möglichkeit: vor allem der klassische Frachtführer, der mittelständische Speditionen als Auftraggeber habe, sagte Andy Apfelstädt von der FH Erfurt  - viele hätten neben der IHK-Prüfung keine weiteren Kenntnissen vorzuweisen. "Es macht keinen Sinn, seine Subunternehmer regelmäßig gegen die Wand fahren zu lassen", sagte darauf Klaus Weiss. Nachverhandeln ist fair, meinte Possekel, sollte aber vertraglich festgehalten werden - "beim Geld trennt sich die Spreu vom Weizen".

Sind elektronische Ausschreibungen Segen oder Fluch? "Bei einer technischen Ausschreibung hört keiner  auf eventuelle Haftungsbedenken", sagte Mittelständler Weiss. Und Possekel meinte, das Thema Lager sei zu komplex für eine elektronische Ausschreibung. Persönliches Gespräch oder automatisierter Prozesse? Für den Software-Anbieter Prestifilippo gibt es hier "kein entweder oder" – elektronische Prozesse seien etwa gut, ein solides Angebot schnell vorzulegen, auf dessen Basis  dann weitere Gespräche folgen könnten.

"Preisermittlung mit Tool, die Tenderbearbeitung ohne Tool", ist für Weiss eine gute Lösung. Und die Logcoop verschließt sich der Technik ebenso wenig – Possekel will für die Bearbeitung von Transportanfragen künftig auch eine Software einsetzen.
"Wer weiß, ob wir diese Diskussion so in zehn Jahren auch noch haben", sagte Apfelstädt. Nach Ansicht des Wissenschaftlers sei heute gar nicht auszudenken, wer dann die Transportaufträge fährt. "Dann werden Ladungsträger sich ihren Transport selbst organisieren", sagte Prestifilippo – darum sollten Dienstleister bereits heute mit der Digitalisierung anfangen.

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