Vor dem Amtsgericht Köln musste sich der Fahrer eines Econic-Müllwagens der Kölner AWB verantworten. Vor einem Jahr hatte er beim Abbiegen in eine Spielstraße einen siebenjährigen Jungen übersehen, der mit seinem Rad unter den Lkw kam und starb.
Es ist eine regelrechte Meute an Reportern und Kameraleuten, die an diesem Mittwochmorgen im Sitzungssaal des Kölner Amtsgerichts auf den Angeklagten wartet. Seit Tagen ist der tragische Fall Stadtgespräch. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte der Mitarbeiter der Abfallwirtschaftsbetriebe beim Rechtsabbiegen in eine Spielstraße in Köln-Widdersdorf, der derzeit größten Eigenheimsiedlung Deutschlands, einen siebenjährigen Jungen auf seinem Fahrrad mit der Hinterachse des Econic überrollt. Der Junge starb noch an der Unfallstelle.
Verteidiger widerspricht Gutachter
Im langwierigen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hatte ein Gutachter festgestellt, dass der Fahrer den Jungen mindestens 3,5 Sekunden lang über den Weitwinkel-Rückspiegel hätte sehen müssen. Eine Gefängnisstrafe stand im Raum. Der Verteidiger des sichtlich angeschlagenen Fahrers, der seit dem Unfall krankgeschrieben ist und in psychologischer Behandlung ist, konnte dies glaubhaft widerlegen. Über 200 Mal sei der Fahrer diese Tour schon gefahren. Im Mercedes Econic sitzt Fahrer vergleichsweise tief, und der Junge fuhr an diesem Morgen gegen 7.45 Uhr mit seinem Kinderrad hinter den parkenden Pkw auf dem Gehweg. Sein Vater war bereits rund 30 bis 40 Meter vorausgefahren, ebenfalls auf dem Rad. Sein Sohn folgte ihm „blind“ und so nahm das Unheil seinen Lauf.
Der Fahrer versicherte glaubwürdig, dass er über die Pkw am Straßenrand hinweg den Jungen auf dem Gehweg nicht habe sehen können. Gleichzeitig musste er darauf achten, dass durch die gelenkte Hinterachse seines Lkw ein entgegenkommender Pkw nicht berührt wurde.
AWB erprobt nun Abbiegeassistenten
Nach einem halbstündigen Rechtsgespräch mit allen Beteiligten hat das Schöffengericht das Strafverfahren heute eingestellt. „Es war tragisches Unfallgeschehen“, fasste die Richterin zusammen. Der Fahrer, selbst zweifacher Vater, der sich mit brüchiger Stimme noch einmal entschuldigte, muss nun einen Nettolohn an eine gemeinnützige Einrichtung bezahlen. Er würde alles geben, dieses Unglück ungeschehen zu machen, betonte er. Da war die Reportermeute allerdings schon lange weg. Seine Firma, die AWB, erprobt derweil zwei Abbiegeassisteten von Birdview.