Ein Jahr vor der Tire Cologne 2020 haben der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV), die Messegesellschaft koelnmesse im Schulterschluss mit dem ETM-Verlag Reifenhersteller, -handel, Flottendienstleister und Transporteure zum Dialog eingeladen, um aktuelle Trends zu diskutieren. Damit etabliert sich der Tire Fleet Day 2019 als Forum der Branche.
Mit Ihrem Debüt 2018 hatte The Tire Cologne ihren Einstand als Branchenmesse für Hersteller Handel und Service rund um das Thema Reifen. Dass Fuhrparks im Allgemeinen und Nutzfahrzeugflotten im speziellen eine wichtige Rolle im Reifengeschäft spielen zeigte sich bereits mit der Tire Fleet Lounge, die die Messegesellschaft Koelnmesse, der Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) und der ETM-Verlag begleitend zur Leistungsschau veranstaltete. Mit dem Tire Fleet Day ging dieses Diskussionsforum nun in die nächste Runde.
„Mit 530 Austellern und mehr als 16.500 Besuchern aus 113 Ländern versteht sich The Tire Cologne als Industrieplattform für Hersteller und Handel“, eröffnete Ingo Riedeberger verantwortlicher Direktor der Koelnmesse. „Letztes Jahr haben wir mit der Tire Fleet Lounge einen Anlaufpunkt für die Flotte geschaffen. Dann ist es nur konsequent, dass wir heute zum Tire Fleet Day zusammen kommen sind, um uns über aktuelle Inhalte der Branche auszutauschen“.
Fachkräftemangel und Digitalisierung beschäftigen die Branche
In den Podiumsdiskussionen, an denen sich mehr als 90 Vertreter der Branche – bestehend aus Reifenhersteller, -handel, Flottendienstleister und Transportgewerbe – beteiligten, kristallisierten sich der Fachkräftemangel, die zunehmende Digitalisierung und die damit einhergehende Schnittstellproblematik zwischen den Systemanbietern als Leitthemen der Veranstaltung heraus.
Dass diese Themen vor allem Flottenbetreibern zu schaffen machen, weiß Karim Freiss, Leiter Marketing & Operations Digital Solutions beim Reifenhersteller Continental. Mit Blick auf den aktuellen Stand der automobilen Digitalisierung zeige sich seiner Meinung nach deutlich, dass es inzwischen eine Vielzahl solcher Lösungen gibt. „Es wird jedoch auch deutlich, dass es sich dabei um Insellösungen handelt, die nicht miteinander kommunizieren“, ergänzt Freiss. Das bedeute für Continental, dass Flottenlösungen sich nahtlos in bereits integrierte Flottenmanagement-Systeme des Kunden integrieren müssen. Mit dem hauseigenen RDKS Conti Pressure Check verfolge Continental deshalb eine offene Strategie, die von den jeweiligen Telematik-Anbieter voll integriert werden kann. „Darin sehen wir auch die Zukunft, denn Daten müssen durchgängig und Systeme vernetzbar sein – und zwar über das gesamte Flottenmanagement, von A bis Z“. Aktueller Ansatz bei Continental sei aber auch der intelligente Reifen, der neben den heute im Fokus stehenden Parametern wie Reifenfülldruck und -temperatur künftig auch Profiltiefen, Last und Laufleistungen übermitteln werde. Davon werde letztendlich auch der Kunde profitieren, da diese Daten helfen sollen noch bessere Reifen zu entwickeln.
Der Reifen als Erfolgs- und Sicherheitsfaktor
Nach Ansicht von Dirk Menzel, Goodyear-Verkaufsleiter für die digitale Dienstleistung Goodyear Proactive Solutions zeige der digitale Reifen deutlich, wohin die Reise in Zukunft gehen wird. Auch wenn dieser Reifen noch seine Zeit brauche bis er in der Flottenpraxis angekommen sei, habe der Reife heute jedoch immer noch eine ganz essentielle Aufgabe. Denn seiner Meinung ist er das einzige Element, dass ein Fahrzeug auf der Straße hält. Abseits davon gebe der Reifenhersteller mit dem hauseigenen Drive-Over-Reader und dem Goodyear TPMS Flottenbetreibern bereits ebenfalls digitale Lösungen an die Hand, die das Tagesgeschäft vereinfachen. „Entscheidend dabei ist, dass die Daten bei Goodyear zentral online zur Verfügung stehen. Basierend darauf kann sich der Goodyear Proactive Solutions Kunde die Daten bedarfsgerecht zusammenstellen, so wie er sie braucht“, berichtet Menzel. Mit Blick auf die Daten-Transparenz verfüge Goodyear ebenfalls über Möglichkeiten die gesammelten Daten direkt in das System des jeweiligen Herstellers oder Flottenbetreibers einzuspielen. Doch abseits des Nutzwerts der digitalen Möglichkeiten bleibe der Flottendienstleister vor Ort ein entscheidender Faktor für die Einsatzfähigkeit einer Fahrzeugflotte.
Der Kunde braucht Reifenhersteller und Reifenhandel
Eine Ansicht, die Peter Lüdorf, Geschäftsführer von Gummi Berger und Mitglied der Euromaster-Gruppe teilt. „Reifen werden nicht im Internet montiert, sondern analog von unseren Mitarbeitern“ stellt Lüdorf klar. Trotzdem begreife man den Wandel, der bei den Kunden stattfindet, als Chance und Arbeitserleichterung. „Wir sollten unseren Auftrag als Mobilitätsdienstleister für unsere Kunden ernst nehmen und uns in die existierenden und noch zu entwickelnden Systeme unserer Kunden einbringen“, so der Reifenfachmann. Mit Blick auf den total cost of ownership benötige der Reifenhandel im Dienste des Kunden jedoch mehr Transparenz. Denn nicht nur Reifen- und Servicekosten spielen hier eine entscheidende Rolle, sondern eben auch Laufleistung, Luftdruck-Daten, Routenführungen und Verbräuche. „Erst dann können wir unserem eigenen Anspruch gerecht werden und unseren Kunden eine bestmögliche Beratung zukommen zu lassen“, attestiert Lüdorf. Seiner Meinung nach werde der Reifenhandel durch seine Kundennähe als Multiplikator unterschätzt. Deshalb appelliere er an Kunden und Hersteller den Reifenhandel als kompetenten Dienstleister wahrzunehmen und noch stärker mit diesem zusammenzuarbeiten.
Neben der Digitalisierung und den einhergehenden Herausforderungen zeigte sich während der Diskussionsrunden aber auch, dass der Fachkräftemangel ein stetig wachsendes Problem der Branche ist. Davon sei nach Angaben von Thorsten Schuckenböhmer, Leiter Großverbraucher beim Flottendienstleister Vergölst auch der Pannennotdienst betroffen. „Der Fachkräftemangel ist für uns eine besondere Herausforderung“, berichtet Schuckenböhmer. Zwar bleibe die Reaktions- und Instandsetzungszeit über die letzten Jahre immer noch stabil, es sei allerdings zunehmend schwierig Fahrer für die Service-Mobile von Vergölst zu finden. Lenk- und Ruhezeiten, die auch für die Fahrer der 7,5-Tonner gelten, seien auch hier einzuhalten. „Wer tagsüber im Betrieb arbeitet, kann nachts nicht zum Einsatz rausfahren – das ist die Realität“, so Schuckenböhmer. Zudem finde der Flottenservice zunehmend mobil statt. „Während noch vor zehn Jahren der Service zu 65 Prozent stationär auf dem Betriebshof stattfand und zu 35 Prozent mobil, haben sich diese Zahlen heute komplett umgekehrt“. Das erfordere zudem ein größeres Personalvolumen im Bereich des Service-Mobiles.
Fachkräftemangel – ein Branchenproblem
Diese Entwicklung kann auch Danko Hartig, Technical Operations Director beim Fahrzeugvermieter Pema beobachten. In Gesprächen mit seinen Kunden habe sich der Fachkräftemangel ebenfalls als Hauptanliegen herauskristallisiert. „Speditionen sagen, dass sie keine Fahrer haben. Werkstätten beklagen sich, dass sie keine Mechatroniker haben. Und Dispositionen berichten uns, dass es aussichtslos ist Disponenten zu finden“, berichtet Hartig aus der Praxis. Gleichzeitig werden seiner Meinung nach bestehende Mitarbeiter mit stumpfsinnigen Absprachen und Aufgaben betraut, die größten Teils immer noch über Telefon oder E-Mail stattfinden. Deshalb sei man bei Pema sehr dankbar für Dienstleister, die das Unternehmen immer wieder daran erinnern, in die Administration nicht so viel eigene Arbeitskraft zu investieren. „Das hilft uns zum einen die wenigen Mitarbeiter die uns zur Verfügung stehen wieder für unser Unternehmen zu gewinnen und zum anderen unsere Kostenstruktur im Griff zu haben“, berichtet Hartig. Komplexitäten zu reduzieren sei seiner Meinung nach folglich das, was sich Unternehmen künftig auf die Fahnen schreiben müssten.
Um dem Fachkräftemangel im Transportgeschäft zu begegnen setzt Wolfang Thoma, Geschäftsführer des international agierenden Transportdienstleisters Ansorge Logistik dagegen auf eine alternative Transportkette. „Wir versenden jedes Jahr etwa 35.000 Einheiten im intermodalen Verkehr - eine kleine Antwort auf die Frage des Fachkräftemangels“, berichtet der Praktiker. Überall dort wo das Unternehmen nahegelegene Terminals anlaufen kann, habe er Fahrer im Einsatz, die im Tagesverkehr abends wieder zuhause sind. Dies wiederum motiviere Fahrer wiederum, besser auf den Zustand von Fahrzeug und Reifen zu achten. Deshalb mache er aus dem Thema Reifendruck auch keine Wissenschaft, sondern sieht hierbei auch den Fahrer in der Pflicht. „Wir haben bei Ansorge im Schnitt zwischen vier und sechs Pannenfälle im Jahr. Abgesehen von Einfahrschäden, haben wir auch keine klassischen Reifenplatzer mehr“, berichtet Thoma. Dies führt Thoma zum einen auf dem Transport auf der Schiene zurück, zum anderen auf den Einsatz seines Reifendienstleisters sowie die steigende Reifenqualität – ein Statement, das für die stetigen Bemühungen der gesamten Reifenbranche spricht, ihre Produkte und Dienstleistungen immer weiter zu verbessern.