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Steven Reinhold von UNITAX „Deutlicher Trend zum Outsourcing“

Unitax, Pharmalogistik, Serialisierungsstation Foto: Unitax

UNITAX-Geschäftsführer Steven Reinhold über die aktuelle Marktlage und die Herausforderungen in der Pharmalogistik

trans aktuell: Herr Reinhold, war 2019 ein anstrengendes Jahr? Schließlich ging das Fälschungsschutzsystem Secur Pharm an den Start.

Steven Reinhold: Secur Pharm war für uns ehrlich gesagt nur ein Baustein eines sehr geschäftigen Jahres. Unitax stand 2019 unter dem Stern eines massiven Wachstums, das zum Teil dem Thema Serialisierung geschuldet war. Die Serialisierungslinie haben wir bei uns im Unternehmen nicht ganz ohne Probleme implementiert, aber so hört man es von der ganzen Branche. Das ist ein komplett neuer Bereich, es gibt ja noch wenig Erfahrungen.

Welche Aufwendungen brachte das Thema mit sich?

Einerseits die Maschinen, die auf die Verpackungen die individuellen Codes aufdrucken. Die Kosten für die Maschinen beliefen sich auf rund 280.000 Euro, dazu kamen Investitionen in die Software von bis zu 65.000 Euro sowie weitere Kosten, so dass wir bei ungefähr 420.000 Euro Gesamtinvest für die Serialisierung lagen. Das Komplexeste daran war aber die EDV-Anbindung an die Kunden, mit der Einrichtung entsprechender Datenhubs. Ehrlicherweise muss man sagen, dass der Markt das Thema noch nicht so angenommen hat, wie wir es erwartet haben. Wir wurden nicht so überrollt, wie wir es erwartet hatten.

Und der andere Wachstumstreiber im vergangenen Jahr?

Was uns mehr überrascht hat, war das sehr starke Wachstum in unseren regulären Dienstleistungen. Dem haben wir Rechnung getragen, indem wir einen neuen Standort in Großbeeren mit mehr als 10.000 Quadratmetern pharmazeutischer Logistikfläche eröffnet haben. Das Thema Kontraktlogistik hat uns einen deutlichen Wachstumsschub gegeben.

Heißt das, dass die Hersteller zunehmend Arbeitsbereiche auslagern?

Ja, es ist ein deutlicher Trend zum Outsourcing zu erkennen. Das haben wir im Regelfall in der Pharmalogistik immer dann, wenn die inländische Produktion wächst, also wenn die pharmazeutischen Hersteller mehr produzieren wollen oder müssen. Dann denken sie vermehrt über Outsourcing nach, was die Mengen auch bei uns steigen lässt, allerdings etwas zeitversetzt.

Was sind die Indikatoren dafür?

Das ist unterschiedlich. So haben wir viele Kunden mit einem wachsenden Exportanteil: Wir spüren bei der Nachfrage nach deutschen Medikamenten weltweit einen Aufschwung, auch durch das Qualitätsversprechen Made in Germany, das immer noch sehr gefragt ist. Dadurch erhöhen sich die Produktionen in Deutschland, was für uns bedeutet, dass wir zusätzliche Lagerflächen vorhalten müssen. Denn in den internationalen Geschäften sind die Wege weiter, also sind auch die Lagerbestände der Produzenten höher und die Laufzeiten länger, bis die Medikamente beim Kunden sind.

Und dabei übernimmt UNITAX in den meisten Fällen auch den Transport?

Richtig, unsere Dienstleistung fängt bei der Abholung an der Produktionsstätte an, geht über die Lagerung und die Versandvorbereitung in Klein-Kommissionierung oder auf Komplettpaletten bis zum Lkw-Transport zum Flughafen und per Luftfrachttransport bis zum Kunden weltweit.

In welche Regionen verzeichnen Sie ein verstärktes Wachstum?

Passend zur aktuellen Lage ist 2019 der Versand nach Asien extrem stark gewachsen – nach China, Japan, Singapur, auch nach Thailand. Leichte Steigerungen verzeichnen wir im europäischen Markt, also für Griechenland, Italien, Spanien, Polen, Tschechien und die Ukraine, während Russland gleichgeblieben ist.

Wenn die Nachfrage so deutlich steigt, wie findet man auf die Schnelle im Großraum Berlin eine Pharma-geeignete Lagerfläche?

Tatsächlich war das eine Mammutaufgabe für uns. Unser Logistikzentrum hier in Schönefeld haben wir ja auf der grünen Wiese selbst entwickelt und gebaut. Das ist dann weniger schwierig, weil man von vornherein alles bestimmen kann – die Art der Heizung, Dämmstoffe, eben die ganze Ausstattung. Wenn man aber auf die Schnelle etwas suchen muss, dann ist eine Bauzeit von neun bis zwölf Monaten natürlich kontraproduktiv.

Wie haben Sie also das Objekt gefunden?

Wir haben ein Bestandsobjekt gesucht, und dabei hat uns unsere regionale Vernetzung im Raum Berlin-Brandenburg geholfen – sowohl im Bereich der Politik als auch der Wirtschaftsförderung. Wie es der Zufall so will, sind wir am Ende auf ein Objekt gestoßen, das viele unserer Anforderungen an ein Pharmalogistikzentrum erfüllt, und das bei einer Vorlaufzeit von nur knapp sechs Monaten, in denen wir aktiv gesucht haben.

Und was macht UNITAX jetzt in dem neuen Lager?

In Großbeeren haben wir 10.000 Quadratmeter im Temperaturbereich 15 bis 25 Grad, also für normale Humanarzneimittel, Ausgangsstoffe etc. unserer Kunden. Den neuen Standort werden wir sehr stark für die Produktionsversorgung nutzen, dort halten wir also Material und Rohstoffe für die Produktion unserer Kunden vor. Des Weiteren haben wir dort 1.000 Quadratmeter bei minus 21 Grad, also im Tiefkühlbereich. Dort lagern wir Veterinärarzneimittel und -impfstoffe. Das ist ein sehr spezieller Bereich, wo wir mit Europas größtem Tierarzneimittel- und Impfstoffproduzenten eine Geschäftsbeziehung eingegangen sind. Dieses Geschäft werden wir in den nächsten Jahren sukzessive ausbauen.

Damit meinen Sie den Spezialbereich?

Ja. Bei normaler Pharmalogistik reden alle über die 15 bis 25 Grad Raumtemperatur, das sind das Aspirin und das Ibuprofen. Bei zwei bis acht Grad lagern schon die spezielleren Medikamente wie Krebstherapeutika und Insuline. Und wir gehen jetzt einen Schritt weiter und binden auch die minus 21 Grad ein, die Tierarzneimittel und -impfstoffe einschließen.

Je spezieller die Arzneimittel, desto mehr Transparenz braucht es doch?

Was wir machen, ist schon sehr speziell, sicher auch im Vergleich zu anderen Logistikbereichen. Denn wir tragen eine hohe Verantwortung. Dessen sind wir uns alle – von der Geschäftsführung bis hin zum einzelnen Mitarbeiter – bewusst. Wir bewegen eine Ware, die Menschen helfen soll und deswegen eine hohe Sensibilität verlangt. Wir haben strenge Anforderungen und benötigen viele Zertifikate, es gibt eine hohe Anzahl an Regularien und restriktiven Prozessen. Denn der Kunde muss sichergehen können, dass seine Arzneimittel korrekt gehandelt wurden. Am Ende geht es darum, dass der Patient ein wirksames, einwandfreies Medikament bekommt.

Und wie stellen Sie das sicher?

Dabei helfen uns die Serialisierung als Schutz vor Arzneimittelfälschungen ebenso wie die Temperaturkontrolle auf dem Weg, unterstützt von der Good Distribution Practice, die seit 2013 gilt und den Transport zum ersten Mal in der EU reguliert hat. Die GDP stellt sicher, dass das Medikament im richtigen Temperaturbereich unterwegs ist, also zwischen 15 und 25 oder zwischen zwei und acht Grad

Wie läuft die Temperaturkontrolle ab?

Das ist sehr vielschichtig. Es gibt Augenkontrollen, papierbasierte Kontrollen sowie eine Vielzahl digitalisierter Lösungen, wie das Tracking der Transporttemperatur, das mit einem redundanten GPS-System erfolgt. Das heißt, wir haben zwei GPS-Sensoren im Einsatz, auf dem Lkw und am Trailer, die die Temperatur in 15-Minuten-Abständen messen und direkt an unsere Server melden. Wir haben teilweise auch Aggregate im Einsatz, deren Temperatureinstellung ich aus dem Büro steuern kann, ohne dass der Fahrer aussteigen muss. Auch Tracking & Tracing gehört zu den Maßnahmen. Über ein Kundenportal auf unserer Webseite kann der Kunde nachvollziehen, wo die Ware geladen wurde, wie die Temperatur auf dem Lkw ist und wann die Ware bei ihm ankommt, inklusive Ablieferbeleg, Und das ist alles digital abrufbar. Auch die Lagertemperatur wird bei uns gemessen, wir können alle 15 Minuten eine Live-Temperatur aus jedem Lagerstandort erhalten.

Damit sind Sie in puncto Digitalisierung schon weit, oder?

Die Digitalisierung macht nur einen Teil aus, weil wir in allen Bereichen strengen Regeln unterliegen und entsprechend zertifiziert sind, natürlich auch bei den EDV-Lösungen, die sind etwa nach GAMP 5 validiert. Alles, was wir hier machen, sind 50 Prozent Programmieraufwand und 50 Prozent Dokumentation und Validierung, was die Kosten auch nach oben treibt. Digitalisierung könnte noch viel mehr, aber es können aktuell nicht alle Lösungen für den Pharmabereich validiert werden.

Wohin geht denn die Reise beim Thema Regulierung und Zertifikate?

Die Reglementierung der Pharmaindustrie wird weiter zunehmen. Die Spezialisierung als Logistiker, vor allem hinsichtlich der besonderen Branchenkenntnisse, wird also weiter notwendig sein. Das ist auch der Grund, warum nicht jeder das Thema bearbeiten kann. Und man merkt schon, dass das Thema Zertifizierungen in der Logistikbranche immer wichtiger wird. Ein normales Lager zu haben, das wird in den nächsten Jahren deutlich zurückgehen. Die Branche bewegt sich Stück für Stück in Richtung Speziallogistik, so wie wir sie schon anbieten.

Bringt das noch mal Bewegung in den Markt der Pharmalogistiker, etwa eine Marktkonsolidierung?

Das sicher nicht, Akquisitionen oder Zusammenschlüsse sind in diesem Segment nicht üblich. Der Markt unterteilt sich eher in familiengeführte Mittelständler wie uns, die aus einem Kleinbetrieb heraus immer größer wurden, sowie größere Mittelständler, die sich als Pharmalogistiker eines Standard-Logistikdienstleisters ausgegründet haben, und Abspaltungen oder Joint Venture von Pharmaunternehmen. Das Feld ist also sehr übersichtlich.

Diverse Mittelständler, darunter UNITAX, haben sich auch zu einem Joint Venture namens Medtrasol zusammengeschlossen. Wie ist hier der Stand?

Unser Thema ist hochspeziell, gleichzeitig haben wir doch eine gewisse Menge an Pharmaprodukten zu bewegen. Medtrasol ist genau aus diesem Grund entstanden: Das Pharmalogistiknetz ist ausschließlich für den Bereich des Transportes zuständig, da wollen wir unseren Weg gemeinsam finden. Wie weit das Thema noch geht, ist schwer zu sagen, momentan übernehmen wir FTL oder LTL im Bereich 15 bis 15 Grad unter GDP – das ist aktuell der Scope unserer Leistungen. Unter dem Dach Medtrasol gibt es zudem gemeinsame Vertriebsaktivitäten, aber so, dass jeder seine Eigenständigkeit wahrt. Wir haben etwa keine Intentionen, im Bereich letzte Meile aktiv zu werden.

Ist das für UNITAX denn ein interessanter Bereich?

Die letzte Meile, also die direkte Belieferung des Kunden, steht für UNITAX nicht an erster Stelle. Aber Anbieter, die die Online-Zustellungen machen, brauchen ja auch Lagerflächen und einen Prozess, der die Ware zum Kunden bringt. Darauf richten wir unser Augenmerk und bieten etwa für Start-ups die Abholung der Ware beim Hersteller und die Einlagerung an, nehmen die Online-Bestellung entgegen und machen die Ware versandfertig für die KEP-Dienstleister. Dabei arbeiten wir etwa im Lager mit neuen Technologien wie Google-Glas, so dass wir das Versandversprechen von 24 Stunden von unserer Seite auch garantieren können.

Was sind die Projekte für 2020?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren einen Pharmalogistik-Consulting-Bereich aufgebaut, weil der Markt zunehmend nach Beratungsleistungen fragt. Den Bereich werden wir 2020 deutlich vorantreiben. Zudem sind spezialisierte Projekte im Bereich der Herstellung geplant, wo wir über das Thema Sekundärverpackung hinausgehen und weiter in die Spezialproduktion der Pharmazeuten eingreifen wollen, um den nächsten Schritt in der Produktion von Arzneimitteln zu machen. 2020 wollen wir außerdem auch die Themen Cannabis und Betäubungsmittellogistik noch stärker bearbeiten.

Zur Person

  • Steven Reinhold, geboren 1988, ist Sohn von André Reich, dem Gründer und geschäftsführenden Gesellschafter der UNITAX-Pharmalogistik
  • Er ist Geschäftsführer von UNITAX- Pharmalogistik sowie von Effect Pharma, einer Firma, die er 2016 gründete
  • Seit 2010 ist er in dem Familienunternehmen UNITAX tätig und ist seit 2011 Leiter der Herstellung und Verantwortliche Person Großhandel sowie seit 2013 Betäubungsmittel-Verantwortlicher
  • Seit 2014 belegt er ein berufsbegleitendes Studium mit dem Abschlussziel „Bachelor of Business Administration“ an der Hochschule für Ökonomie und Management in Berlin
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