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Stefan Ulrich, Simon-Hegele-CEO, im Interview Lieferkette im Blick

Foto: Simon Hegele Gruppe

Stefan Ulrich, seit Januar CEO der Simon-Hegele-Gruppe, über die Herausforderung Coronakrise und den Boom im Healthcare-Bereich.

trans aktuell: Herr Ulrich, Sie sind seit Januar CEO der Simon-Hegele-Gruppe. Vermutlich hatten Sie keinen allzu ruhigen Start, da nur wenig später die Pandemie Thema wurde.

Ulrich: Tatsächlich bin ich seit 2015 in der Unternehmensgruppe in führenden Funktionen tätig und habe mich natürlich über den Vertrauensbeweis gefreut. Und tatsächlich haben wir sehr frühzeitig realisiert, dass sich hier etwas anbahnt, da wir sehr viele Kunden aus dem Healthcare-Bereich haben. Bereits Anfang Februar haben wir uns daher mit dem Thema beschäftigt und sehr zeitnah Vorkehrungen getroffen, um unsere Mitarbeiter und die Lieferketten unserer Kunden zu schützen.

Was hat die Krise bislang bei der Simon-Hegele-Gruppe für Folgen gehabt?

Wir haben sowohl negative als auch positive Effekte gespürt. Manche unserer Industriekunden haben deutliche Nachfragerückgänge verzeichnet, was sich natürlich auch auf die Lageraktivitäten und damit unsere Geschäfte ausgewirkt hat. Zwei Kunden hatten gar für jeweils 14 Tage ihre Werke geschlossen. Die positiven Effekte haben wir vor allem im Bereich Healthcare, der heute bereits über 50 Prozent unseres Umsatzes ausmacht. Dort haben wir ein deutliches Mehrgeschäft erfahren. Generell kann ich aber sagen, dass die Simon-Hegele-Gruppe an sich und mit ihrem Geschäftsmodell gut zurechtgekommen ist.

Worauf führen Sie das zurück?

Zum einen haben wir die ideale Firmengröße – nicht zu groß und formalistisch, mit flachen Strukturen, sodass wir schnell und flexibel reagieren konnten. Unser Geschäftsfeld ist ja hauptsächlich die Kontraktlogistik, wobei wir mit unseren Kunden in zumeist langjährigen Partnerschaften verbunden sind. Darunter sind große und namhafte Mittelständler wie auch Konzerne mit Milliardenumsätzen. Und weil unsere Mehrwertdienstleistungen alle auf die Kunden zugeschnitten sind und wir mit unseren Prozessen in der Lieferkette der Kunden integriert sind, sind wir von Natur aus und schon immer sehr stark veränderungsbereit. Auch unsere Finanzierungspartner haben uns frühzeitig Unterstützung für den Fall der Fälle zugesichert.

Foto: Simon Hegele Gruppe
Stefan Ulrich (49) ist seit dem 1. Januar 2020 CEO der Simon-Hegele-Gruppe.

Haben Sie Kurzarbeit anmelden müssen?

Nur kurzfristig und punktuell, wenn es etwa, wie bei den erwähnten Werksschließungen, personell notwendig war.

Im Bereich Landverkehr haben viele Verlader in der Krise Billigfrachten forciert. Mussten Sie in der Lagerlogistik auch mit Kunden die Konditionen neu verhandeln?

Nein, denn in diesem Bereich sind langfristige Verträge in der Mehrheit. Den Kunden geht es auch nicht darum, kurzfristig ein paar Euro zu sparen, sie wollen, dass nach der Krise ihre Supply-Chain wieder problemlos funktioniert. Wenn wir also nicht richtig performen, dann verlieren die Kunden Geld. Zudem haben sich in der Krise teilweise die Warenströme geändert. Es ging bei manchen Produkten vielleicht die Abnahme zurück, aber die Produktion musste weiterlaufen. Ein Beispiel ist Sonnencreme: Ohne Urlaub und Freibadbesuch hinken die Absatzzahlen hinterher, der Hersteller muss seine Produkte also erst einmal drei Monate zwischenlagern. Das haben wir gut gemeistert, wenn es auch mit erheblichem Mehraufwand hinsichtlich des Personal- und Flächenbedarfs verbunden war. Wir bemerken allgemein eine viel höhere Dynamik, vieles verändert sich gerade im Wochenrhythmus.

Wie sieht die Situation im Healthcare-Bereich aus?

Die Simon-Hegele-Gruppe ist führend in der Logistik und der Montage medizinisch-technischer Großgeräte. In der Pandemie gibt es punktuell einen erheblichen Mehrbedarf an Computertomografen, sprich CT, die auch für die Analyse der Lunge eingesetzt werden. Zu unseren Leistungen gehören nicht nur die Produktionsver- und -entsorgung und die Zwischenlagerung, sondern auch der Versand, die Vorbereitung der Baustelle vor Ort und die Montage. Vor allem für unsere Monteure gab es durch die Reiserestriktionen auch Einschränkungen. Ich erwarte hier also einen Verschiebe-Effekt, weil die Kliniken viele Projekte nachholen werden. Langfristig erwarten wir für den Healthcare-Bereich ein gutes Wachstum, weil als Folge der Pandemie weltweit sicherlich verstärkt in den Gesundheitsbereich investiert werden wird.

Werden Sie den Bereich weiter ausbauen?

Ja, dabei haben wir uns drei Schwerpunkte für die Healthcare-Branche gesetzt: Wir wollen erstens natürlich neue Kunden gewinnen und zweitens die Wertschöpfungstiefe bei unseren Kunden erweitern. Dazu passt, dass wir im April die Mehrheitsbeteiligung an der Kilian Metallverarbeitung übernommen haben, einem langjährigen Partner und Hersteller von Transportgestellen. Diese Gestelle setzen wir auch im Bereich Healthcare ein, sodass wir auch hier mit maßgeschneiderten Lösungen unterwegs sind. Und drittens wollen wir uns noch stärker internationalisieren. Neben weiteren Niederlassungen in Europa und den USA haben wir in nächster Zeit etwa Südamerika im Blick. Dabei wollen wir aber mit Augenmaß und nur mit den Kunden wachsen.

In welchem Geschäftsbereich wollen Sie außerdem die Aktivitäten verstärken?

Wir sehen gute Chancen im Bereich Refurbishment, also bei der Zurückholung und qualitätsgerechten Überholung und Instandsetzung von Gütern bis zu einer Wiedervermarktung. Das machen wir schon seit vielen Jahren, die Aufgabe bekommt aber aufgrund der Nachhaltigkeitsdebatte eine zunehmende Bedeutung.

Wer zählt zu den Kunden?

Etwa Drogerieketten und Lebensmitteldiscounter. Wir bereiten Kosmetiktheken wieder auf oder kümmern uns um Regale, die wir abholen, reinigen, nach Sicherheitsstandards prüfen und wieder in neue Märkte verbringen. Noch anspruchsvoller sind Getränkeautomaten, bei denen teilweise das gesamte technische Innenleben ausgetauscht wird und auch die Erstbefüllung durch uns erfolgt. Auch medizinisch-technische Geräte wie MRT überholen wir nach Vorgaben des Kunden, der dann die Qualitätsendprüfung übernimmt.

Montage, technische Überprüfung: Das sind anspruchsvolle Aufgaben. Wie schwer ist es, Personal zu finden?

Das fällt uns wie allen anderen in der Branche nicht leicht, aber es klappt. Denn unsere Mitarbeiter wissen, dass sie eben nicht nur Paletten transportieren, sondern eine anspruchsvolle Leistung erbringen, die mitunter sogar systemrelevant ist – das machen wir bereits im Rekrutierungsprozess klar. In den vergangenen Monaten haben wir so doch sehr gute Leute gewonnen.

Wie geht es in den nächsten Monaten weiter?

Wir hoffen, dass wir alle glimpflich aus dieser Krise herauskommen und dass bei uns der Umsatz stabil bleibt. Die nächsten zwei Monate werden sicherlich noch schwierig, und wir stellen uns natürlich auf eine zweite Viruswelle ein, die aber hoffentlich nur regional aufflammt. Deswegen hoffe ich, dass die Wirtschaft im zweiten Halbjahr insgesamt wieder anzieht und sich zum Jahresende 2020 stabilisiert.

Das Unternehmen

  • Die Simon-Hegele-Gruppe mit Sitz in Karlsruhe verfügt über weltweit 50 Standorte und beschäftigt 2.500 Mitarbeiter.
  • Schwerpunkt der Gruppe ist die Kontraktlogistik in den Bereichen Industrie, Handel und Healthcare.
  • Die Gesamtlagerfläche der Gruppe beträgt 600.000 Quadratmeter. Die eigene Flotte in Deutschland hat 200 Fahrzeuge, die im Rahmen der Transportlogistik als Zusatzleistung zum Einsatz kommen.

Zur Person

  • Stefan Ulrich (49) ist seit dem 1. Januar 2020 CEO der Simon-Hegele-Gruppe.
  • Der Diplom-Kaufmann ist seit 2015 Teil der Geschäftsführung und verantwortete in dieser Position die Umsetzung des konzernweiten Optimierungsprogramms.
  • Nach Unternehmensangaben hat er langjährige Erfahrung als Vorstand und Unternehmensberater in der strategischen Neuausrichtung von Unternehmen im In- und Ausland.
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