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trans aktuell-Symposium 2019 So verlagern Speditionen auf die Schiene

trans aktuell Symposium Paneuropa Foto: Thomas Küppers 28 Bilder

Ein trans aktuell-Symposium zum Kombinierten Verkehr bei Paneuropa in Bakum hat wichtige Impulse fürs Verlagern von Verkehren auf die Schiene geliefert. Worauf es dabei ankommt, lesen Sie hier.

Wenn schon Kombinierter Verkehr, dann richtig. Meint Carsten Hemme, Geschäftsführer von Paneuropa: „Man kann nicht Fisch und Fleisch gleichzeitig machen“. Aus diesem Grund hat das Unternehmen aus Bakum nur noch kranbares Equipment: 400 Tautliner, 90 Kühlauflieger, 150 BDF-Wechselbrücken, 180 Jumbo-Wechselbrücken und 195 Sattel- und Hängerzüge sind im Einsatz. Im Kombinierten Verkehr (KV) bedient Paneuropa bevorzugt die Relationen nach Italien; allein acht Company-Trains fahren pro Woche zwischen Bremen und Verona. Dabei setzt Chef Carsten Hemme auch auf seinen Partner Terratrans aus Bremen. „Im Kombinierten Verkehr denken wir immer in Joint Ventures – etwa in Bezug auf die Auslastung der Züge und die Paarigkeit“.

Paneuropa-Chef Hemme bemängelt Qualität auf Schiene

Trotz aller Baustellen auf der Schiene brach Hemme beim trans aktuell-Symposium unter der Überschrift „Erfolgreich im Kombinierten Verkehr“ in seiner neu bezogenen Firmenzentrale in Bakum eine Lanze für den Intermodaltransport. Bei der Frage der Motivation muss der Unternehmer nicht weit ausholen: Für den Vor- und Nachlauf im KV findet er problemlos Fahrer, der Gewichtsvorteil von vier Tonnen, die geringeren CO2-Emissionen, der Wunsch der Kunden und der Mengenausgleich bei Peak-Situationen.

Über die Fahrpläne sei der KV auch planbarer – allerdings nur auf gewissen Relationen. Und das ist auch das derzeitige Manko: die Qualität im Bahnverkehr, die mangelhafte Infrastruktur, die Verspätungen herbeiführen. Auch das Fehlen europaweit einheitlicher Rahmenbedingungen sind für Hemme Hürden, ebenso unpaarige Warenströme, die einen Equipment-Austausch erschwerten, und die stetigen Preissteigerungen.

Aber Hemme ist Überzeugungstäter und sieht für das System KV trotz aller Problemen auch Zukunftschancen: autonom fahrende Züge könnten etwa den Lokführerwechsel beschleunigen, die Integration von Start-up-Technologien könnten bei der Sendungsverfolgung und der Bündelung helfen. Wenn zudem im Rahmen der Digitalisierung Telematiksysteme besser verknüpft werden, so Hemmes Überzeugung, ermögliche dies einen Blick auf die gesamte Lieferkette. Die Datendrehscheibe, die allen Beteiligten in Echtzeit Informationen liefern soll, ist Ziel des Projekts KV 4.0, für das sich Paneuropa mit anderen Unternehmen engagiere. Auch in Bezug auf den Datenaustausch ist laut dem Paneuropa-Chef das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen wichtig: „Nur so können alle besser werden und bessere Qualitäten im KV erzielt werden“.

Masterplan Schienengüterverkehr fortgesetzt

Dass Verlagerungsziele sich nicht von allein umsetzen, weiß inzwischen auch die Politik – Steffen Müller, Referatsleiter E11 Masterplan Schienengüterverkehr, Gleisanschlussförderung beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), berichtete daher über den Stand des Masterplans Schienengüterverkehr. Der wurde schon in der vergangenen Legislaturperiode vorgestellt, „aber er wird dauerhaft umgesetzt, auch in der neuen Koalition“, sagte Müller.

Ein Ziel aus dem Paket der fünf Sofortmaßnahmen wurde 2018 bereits erreicht: die Reduzierung der Trassenpreise, die allein im vergangen Jahr 175 Millionen Euro gekostet habe. Unternehmen sollten das Geld aber nicht nur einstecken, sondern auch für Innovationen und Preissenkungen verwenden, sagte Müller.

Auch mit den anderen Maßnahmen geht es voran: Das 740-Meter-Netz ist laut Müller in der Realisierung, ebenso in der Planung ist das digitale Testfeld in München-Nord. Auch die unternehmerischen Beiträge des Sektors seien erkennbar, um etwa Innovationen bei der Telematik oder dem effizienteren Einsatz von Material voranzutreiben. Im Herbst habe der Runde Tisch zudem das Bundesprogramm Zukunft Schienengüterverkehr beschlossen und die drei Förderbereiche Digitalisierung, Automatisierung und innovative Fahrzeugtechnik festgelegt.

Einfacherer Zugang zum Schienensystem

Quasi deckungsgleich mit den Zielen des Masterplans Schienengüterverkehr ist die Motivation vieler Unternehmen und Organisationen aus der Branche. Auch sie treibt der Ehrgeiz an, Speditionen einen einfacheren Zugang zum Schienensystem zu ermöglichen – sei es durch Standardisierung des eingesetzten Equipments, durch Angebote für den noch nicht kranbaren Trailerbestand oder bessere Prozesse aufgrund digitaler Weichenstellungen.

Was die Standardisierung angeht, weist Karl Fischer, Geschäftsführer des Logistik-Kompetenz-Zentrums Prien am Chiemsee auf den Siegeszug des Containers hin. 1956 erfunden und zehn Jahre später erstmals in Deutschland umgeschlagen, ist die Blechbox aufgrund ihrer genormten Abmessungen im internationalen Warenverkehr heute das Maß aller Dinge. Die Erfolgsgeschichte des Standardcontainers – 2016 waren etwa 38 Millionen davon weltweit unterwegs – will LKZ-Chef Fischer auf das eingesetzte Schienen-Equipment, Container in dem Fall ausgenommen, übertragen. In entsprechenden Teilprojekten möchte Fischer, der früher selbst eine Spedition betrieb, diese Idee weiter vorantreiben.

Future Trailer für Straße und Schiene

Abgeschlossen ist der erste Baustein, das Projekt „Future Trailer for Road and Rail“, das die Standards für den Sattelauflieger geschärft hat, um einen reibungslosen Wechsel zwischen den Verkehrsträgern zu ermöglichen. Partner des im Juli vorigen Jahres abgeschlossenen Projekts waren TX Logistik, die Spedition Zitzlsperger sowie die Trailerhersteller Schmitz Cargobull, Krone und Schwarzmüller. Die Unternehmen machten beim Trailer an 15 Punkten einen Optimierungsbedarf aus und setzten ihre Erkenntnisse im Bau eines Future Trailers um, der diesen Anforderungen Rechnung trägt und den die beteiligten Fahrzeugbauer neuerdings auch vertreiben. Zum Beispiel muss der Trailer – anders auf der Straße – Geschwindigkeiten von bis zu 120 km/h standhalten, weswegen es sich empfiehlt, die Plane stärker zu sichern. Ratsam sind aber auch ein einheitlicher Achsabstand, ein starrer statt ein klappbarer Unterfahrschutz oder eine Anpassung der Positions- beziehungsweise Begrenzungsleuchten, da diese beim häufigen Umschlag nicht selten Schaden nehmen, wie Fischer ausführte.

Noch nicht am Ziel ist der KV-Profi bei seinen Bestrebungen, Einsparpotenziale zu suchen, um Vier-Meter-Trailer durchgehend in Europa zu befördern. „Denn auf 64 Prozent des Transeuropäischen Netzes haben wir ein P385-Profil“, sagte der LKZ Prien-Chef. Für den Megatrailer sind diese Strecken bisher tabu. Um 15 Zentimeter geht es, die Fischer einsparen möchte, um auch den Vier-Meter-Trailer auf dem TEN-Netz zu befördern. „Für neun Zentimeter haben wir schon Ideen, jetzt geht es um die verbleibenden sechs Zentimeter“, machte Fischer deutlich. Er will diese Ideen auch in das nächste Teilprojekt, in den „Future Intermodal Wagon“ einbringen, denn hier ist auch der Eisenbahnwaggon gefordert, der ebenfalls Raum für Verbesserungen bietet.

Der Future Trailer sei zwar keine Revolution, aber insofern schon mal ein Riesenfortschritt, als dass sich die am KV-beteiligten Akteure überhaupt mal im Sinne einer weiteren Standardisierung ausgetauscht hätten, so die Bewertung von Norbert Rekers, Regional Director Intermodal beim KV-Operateur TX Logistik aus Troisdorf, der auch an den Projekten mitgewirkt hat. Wie Fischer macht sich auch Rekers dafür stark, das Segment der nicht kranbaren Trailer zu erschließen – seinen Schätzungen zufolge sind neun von zehn Sattelaufliegern in Europa nicht kranbar.

Nikrasa-Plattform als Brückentechnologie

Um sie auf die Schiene zu bringen, stellt TX Logistik Speditionen Nikrasa-Plattformen (Nikrasa als Abkürzung für „nicht kranbare Sattelauflieger werden kranbar“) zur Verfügung, auf die der Auflieger gefahren wird. Die Spreader des Portalkrans oder Reach Stackers schnappen sich statt der Greifkante am Trailer die Plattform, um das Fahrzeug auf den Waggon zu heben. Auch Nikrasa – TX Logistik wird das Produkt auf der Messe Transport Logistic als Offroader bewerben – ist in den Augen von Rekers keine Revolution, aber eine Brückentechnologie beziehungsweise „Einstiegsdroge“, bis Speditionen auf kranbare Trailer umgestellt haben.

Die etwa zwei Tonnen schwere Platte könne in jedem Terminal nach einer Vorbereitungsphase von etwa vier Wochen eingesetzt werden, sagt Rekers und nennt bereits zahlreiche Verbindungen, auf denen TX schon Angebote für nicht kranbare Trailer macht – etwa in den zahlreichen Relationen nach Verona, sei es ab Köln, Leipzig oder Lübeck

Hürden für den Einstieg oder ein Engagement im Intermodalverkehr lassen sich aber auch durch digitale Prozesse abbauen, wie Ralf-Charley Schultze ausführte, Präsident der International Union for Road-Rail Combined Transport (UIRR). „Dabei geht es nicht nur darum, alle Prozesse auf papierlos umzustellen“, verdeutlichte Schultze. „Es geht viel weiter.“ Im Vordergrund steht für ihn die Datenverfügbarkeit, idealerweise nicht nur für das einzelne Unternehmen, sondern für alle an einem Prozess beteiligten Akteure.

Dazu brauche es gemeinsame Standards oder eine gemeinsame Plattform, skizzierte der UIRR-Präsident. Als Beispiel für einen gemeinsamen Standard nannte er den ILU-Code, mit dem Auflieger markiert und identifiziert werden können. Vor zehn Jahren hatte die UIRR ihn auf den Weg gebracht. „Bis letztes Jahr hatten sich bereits 1.000 Unternehmen dazu entschieden, ihre Ladeeinheiten entsprechend zu markieren“, sagt Schultze.

Ein weiteres aktuelles Projekt ist der Aufbau eines europaweiten Portals, das Auskunft über alle Service-Einrichtungen rund um den KV gibt, dazu zählen nicht nur Güterbahnhöfe, sondern auch Tankstellen und Werkstätten. Und wie die Kunden im Straßentransport wollen auch Bahnverlader wissen, wann die Sendungen ihr Ziel erreichen, im Fachjargon auch Estimated Time of Arrival (ETA) genannt. Die UIRR hat sich auch hier auf den Weg gemacht und entwickelt zurzeit einen Kalkulator, der auf Künstlicher Intelligenz (KI) basiert und zunächst Auskunft über zwölf Relationen von fünf Operateuren gibt. Geplant ist laut Schultze, das Projekt im September abzuschließen und dann zu entscheiden, inwiefern es auf das gesamte KV-Netz ausgeweitet werden kann.

Ehrgeizige Pläne für den Megahub Lehrte

Hohe IT-Kompetenz wird auch bei einem weiteren Projekt nötig sein, das der Branche Impulse geben soll: dem im Bau befindlichen Megahub Lehrte. Ein erster Teilbereich, der Umschlag Schiene–Straße soll noch in diesem Jahr eröffnet werden. Es bietet den Unternehmen im KV, aber auch Regionen im Umland ganz neue Möglichkeiten im Bündeln und Abwickeln von Verkehren.

Die Idee dahinter sei es, nach dem Vorbild des Rangierbahnhofs Maschen bei Hamburg eine Umschlaganlage für Container beziehungsweise Auflieger zu bauen, erläutert Peter Hirsch, Vertriebsleiter des Betreibers Deutsche Umschlaggesellschaft Schiene–Straße (DUSS) aus Bodenheim, welche die Megaanlage betreiben wird. Die Pläne sind ehrgeizig: Bis zu sechs Züge auf einmal sollen dort abgefertigt und deren Ladeeinheiten innerhalb von zwei bis drei Stunden auf neue Relationen umsteigen können – wohlgemerkt, wenn das Terminal voll funktionsfähig ist. Herzstück ist eine automatische Sortieranlage, wie sie einzigartig in Europa sein dürfte und die laut Hirsch zeitaufwendige Stafettenkranungen auf der 720 Meter langen Kranbahn überflüssig macht.

Die enorme Umschlaggeschwindigkeit bringt attraktive Laufzeiten mit sich. Duss-Prokurist Hirsch hält es für möglich, dass eine Zugabfahrt in Lübeck um 18.10 Uhr und eine Ankunft in München um 7.00 Uhr am nächsten Tag möglich ist, inbegriffen wäre der ehrgeizig kurze zweistündiger Umschlag in Lehrte. Das würde der Schiene – darin sind sich Branchenkenner einig – einen echten Schub verleihen und sie attraktiv für weitere Kunden machen.

Bier fährt Bahn - jedenfalls bei Warsteiner

Vielleicht eröffnet das Megahub ja auch der Brauerei Warsteiner neue Möglichkeiten. Sie hat 2004 ihr erstes Gleis gelegt und 2005 ihren ersten Zug auf die Reise geschickt. Ihr ging es vor allem darum, die Heimatstadt und die Region ein Stück weit vom zunehmenden Lkw-Verkehr zu befreien – üblicherweise von der A44 kommend und in Soest auf Bundesstraßen abfahrend. Nicht nur die Logistiker bei Warsteiner, sondern auch die Kunden mussten umdenken. „Es ist schon ein Unterschied, wenn man nur noch ein- oder zweimal die Woche Ware bekommt“, erläutert Logistikleiter Uwe Salvey.

Es komme aber auch darauf an, dass man paarige Verkehre aufbauen könne – was mit Leergut auf dem Rückweg schon mal gegeben ist. Und das Angebot auf der Schiene müsse auch preislich konkurrenzfähig sein. Der Malztransport zum Beispiel findet zurzeit auf der Straße statt, weil Warsteiner auf der Schiene drei Euro mehr pro Tonne zahlen müsste, diese Kosten aber nicht weiterreichen kann.

Seit 2009 befördert Warsteiner Bier auch per Bahn nach Berlin, seit 2016 mit zwei Zügen wöchentlich nach Hamburg und aktuell ist man dran, in Zusammenarbeit mit dem Logistikdienstleister Fr. Meyer’s Sohn und der Westfälischen Landes-Eisenbahn (WLE) eine Verbindung nach Bremerhaven aufzubauen. Trotz aller Stolpersteine hat Warsteiner Geschmack an der Schiene gefunden. Die Fixkostenbelastung sei enorm, die Preisgestaltung mitunter intransparent und es habe ein paar Jahre gedauert, um das nötige Know-how aufzubauen. Doch Salvey sieht auch die Erfolge, so soll der unbeschwerte Biergenuss nicht mehr durch überlastete Straßen getrübt werden.

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