Sicherheitstechnologie Die richtige Entscheidung

Daimler
Meinung

Es ist ein beachtlicher Strategiewechsel bei Mercedes-Benz Lkw: Ab Januar 2020 gehört der Active Brake Assist 5, der aktuelle Notbremsassistent mit Kamera-Radar-Technologie, für jeden neuen Actros in Europa zur Serienausstattung. Ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit.

Branchenkenner wussten es bereits, heute wird die Entscheidung in Berlin beim „Mercedes-Benz Truck Safety Dialogue“ offiziell bekanntgegeben: „Die Vermeidung von Unfällen sehen wir seit jeher als unsere gesellschaftliche Verantwortung“, sagt Stefan Buchner, Leiter Mercedes-Benz Lkw, zur Entwicklung bei den Sicherheitstechnologien. „Und dieser Verantwortung kommen wir nach, indem wir unsere Fahrzeuge noch sicherer machen. Gerade deshalb werden wir ab dem 1.1.2020 unseren Active Brake Assist 5, kurz ABA5, in Europa für jeden Mercedes-Benz Actros serienmäßig anbieten.“

Pioniere der Sicherheitstechnologie

„Unsere Sicherheitssysteme können Unfälle vermeiden, indem sie den Fahrer optimal bei seiner täglichen Arbeit unterstützen“, betont Buchner. „Vor diesem Hintergrund entwickeln wir auf der einen Seite regelmäßig neue Technologien und Systeme. Wir sind Pioniere, und zwar nicht seit gestern, sondern seit vorgestern. Viele unserer Lösungen haben wir entwickelt und in den Markt eingeführt, bevor es überhaupt eine gesetzliche Regelung dafür gab. Zum anderen sorgen wir dafür, dass bestehende Systeme – so wie unser modernster Notbremsassistent ABA 5 – möglichst schnell in möglichst vielen Fahrzeugen im Einsatz sind, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer noch weiter zu erhöhen.“

Vorsprung durch Bremstechnik

In der Tat: Es war bereits auf der IAA im Jahr 2012, als Daimler erstmalig den Active Brake Assist (ABA) 3 vorstellte: in einem gelben Actros, der mit hoher Geschwindigkeit auf eine edle schwarze Limousine zuraste und dann wie von Geisterhand kurz vor einem möglichen Aufprall zum Stillstand kam. Ein Versprechen, das später mit einem imposanten Video ins Gedächtnis vor allem der potentiellen deutschen Kunden drang, die freiwillig gerne in mehr Sicherheit investieren wollten.

Es war tatsächlich ein Vorsprung durch Bremstechnik. Und es war ebenfalls die Zeit, als bei der EU in Brüssel gerade die Verordnung über die zukünftige Wirksamkeit von Notbremsassistenten beschlossen wurde. In der sich, so ist es aus heutiger Sicht zu bewerten, die gesetzliche Vorgabe für die damals noch zukünftige Einführung nicht an dem seinerzeit bestmöglichen System, eben dem ABA3 von Daimler, orientierte, sondern nur an der Mindestanforderung, die auch weniger innovative Hersteller erfüllen konnten.

Notbremsung nach Gesetz

Diese EU-Verordnung 347/2012 schrieb unter anderem vor, dass neue Lkw ab acht Tonnen zulässigem Gesamtgewicht spätestens ab November 2015 ein Advanced Emergency Braking System, AEBS, haben müssen, das in dieser ersten Stufe den Lkw vor einem stehenden Hindernis von 80 km/h auf 70 km/h abbremsen musste, seit November 2018 in der zweiten Stufe von 80 km/h auf immerhin 60 km/h.

Das grundsätzliche Prinzip, wie ich es im Detail in meinem Blog „Das Missverständnis“ beschrieben habe: Ein Radarsensor erkennt etwa vor einen Stau ein mögliches Hindernis, im Zuge einer auf die Sekunde genau festgelegten Warn- und Bremskaskade reduziert der Lkw seine Geschwindigkeit. Es sei denn, der Fahrer greift im allerletzten Monet ein und übersteuert die Technik.

Daimler konnte also schon damals deutlich mehr – und verkaufte dieses Mehr an Sicherheit fortan im Rahmen eines „Safety Pack“ gegen Aufpreis an seine Kunden. Wer das nicht wollte, erhielt den rein gesetzlichen ABA, der im Werk Wörth schon seit Sommer 2015 als Serie in jeden neuen Lkw verbaut wird.

Was macht der Wettbewerb?

Im Laufe der Zeit zogen die anderen Hersteller natürlich nach. Längst bieten MAN, Renault, Scania und Volvo ihre aktuellen Notbremsassistenten mit Kamera-Radar-System, mit dem sie auch vor Daimler auf den Markt kamen, als Serienausstattung an. Sie können unter idealen Bedingungen ebenfalls bis zum Stillstand abbremsen.

Lediglich DAF und IVECO, leider auch im neuen S-Way, haben weiterhin die ausschließlich radarbasierte gesetzliche Version verbaut, die zwar die Geschwindigkeit nach Herstellerangaben etwas stärker reduzieren können – allerdings nicht bis zum Stillstand bremsen. Dahinter verbirgt sich laut der Hersteller eine andere Philosophie. Brancheninsider sprechen dagegen von einem weniger gut entwickelten Radarsensor. Dafür gibt es eine etwas frühere Kollisionswarnung.

Ein leichter Trend zu mehr Sicherheit

Knapp 100.000 Fahrzeuge sind laut Daimler in Europa von 2012 bis Ende 2018 mit dem ABA 3 oder dem Nachfolgesystem ABA 4 ausgestattet worden, davon wurden etwa 95 Prozent über das Safety Pack gekauft. Besonders lobenswert: „Die meisten Safety Packs verkaufen wir aktuell in Deutschland“, antwortete mir die Pressestelle. „Es lässt sich jedoch ein steigender Trend in Europa sowie auch in außereuropäischen Ländern zum Thema Sicherheit erkennen.“

In konkreten Zahlen: Mit Einführung des gesetzlichen AEBS (Stufe 1) in 2015 lag bei Daimler das Verhältnis zwischen Fahrzeugen mit dem gesetzlichen ABA zu Fahrzeugen mit dem ABA 3 und ABA 4 ungefähr bei 70 zu 30 Prozent. Dabei wurden der ABA 3 und ABA 4 in circa 95 Prozent aller Fälle immer in Kombination mit dem Safety Pack gekauft.

In den Folgejahren zeigte sich ein zunehmender Trend in der Verbauungsquote, dahingehend, dass die Verbauung von ABA 4 im Verhältnis zugenommen hat. „Heute liegt Daimler bei etwa 60 Prozent Verbauung des serienmäßigen ABA in den beiden gesetzlichen Stufen versus etwa 40 Prozent Verbauung des ABA4 und des neuen ABA5“, heißt es aus Stuttgart. Mit anderen Worten: Der Trend der Transportunternehmen, mehr Geld für mehr Sicherheit zu berappen, hat nur moderat zugelegt. Die Mehrheit kauft demzufolge immer noch die Serienvariante. Das überrascht mich jetzt auch, ist aber eigentlich kein Wunder.

Die Freiheit der wirtschaftlichen Entscheidung

In den letzten Jahren habe ich in meinen Blogs immer wieder zwei Aspekte zum Thema des Notbremsassistenten bei Daimler angesprochen: Vor allem große Flotten aus Osteuropa haben sich bei ihrer Großbestellung in Wörth meiner Meinung nach mehr von der wirtschaftlichen als der sicherheitstechnischen Entscheidung treiben lassen und bei meist hohen Mengenrabatten auch noch den Aufpreis für das Safety Package gespart.

Auf der anderen Seite hat ein schwerer Lkw-Unfall auf der A6 bei Mannheim mit einem Actros Baujahr 2014, der mit ABA3 im Safety Pack ausgestattet war, und der lange vor dem Amtsgericht Mannheim verhandelt wurde, seitens des Schöffengerichts die aus juristischer Sicht durchaus berechtige Frage aufgeworfen, ob ein Lkw-Hersteller, der sich eine zusätzliche Leistung, nämlich Unfälle technisch verhindern zu können, im Aufpreis bezahlen lässt, dann nicht zivilrechtlich dafür haften müsste, wenn dem nicht so ist. Die Frage ist bis heute allerdings nicht beantwortet.

Eine bessere Unterweisung der Fahrer

Die heutige, sehr gute Entscheidung wurde lange konzernintern diskutiert, ich kann sie in aller Bescheidenheit an dieser Stelle nur begrüßen. „Dass Fahrerassistenzsysteme Unfälle tatsächlich verhindern können, zeigt ein Blick in die Statistik“, sagt Buchner mit Verweis auf eine 2018 veröffentlichte Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen. Danach hat die Zahl der Unfälle mit schweren Güterkraftfahrzeugen zwischen 2002 und 2015 um rund 30 Prozent abgenommen. Diese Zahl gelte es weiter zu senken.

Das ist leider nur die halbe Wahrheit. Seit 2016 nimmt gerade die Zahl der Lkw-Unfälle am Stauende vor allem auf den „Rennstrecken“ durch das größte Transitland Europas dramatisch zu. Dort kracht es oft mehrmals die Woche, teils mehrfach am Tag. Jetzt geht es, und das ist mein Appell an alle Hersteller, vor allem darum, die Fahrer besser in der komplexen Technik der Notbremsassistenten zu unterweisen.

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