Schadenmanagement Geschädigte sollten ihre Rechte wahrnehmen

Präventive Ausfalldiagnosen Foto: Karl-Heinz Augustin

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser – das gilt bei der Schadenregulierung. Worauf Werkstätten achten sollten, erklärt der Rechtsexperte Dr. Wolf-Henning Hammer von der Kanzlei Voigt.

Werkstätten können von ihren Kunden nur verlangen, was auch vereinbart wurde. Das geht aus dem Urteil (Urt.) des Amtsgerichts (AG) Brandenburg vom 14. September 2018, Aktenzeichen (Az.) 31 C39/17, hervor. Doch Versicherer sind bei der Bezahlung von Rechnungen im Haftpflichtfall eher sparsam. Dabei ist die Rechtslage eindeutig, und es kann nicht oft genug wiederholt werden, dass die Geschädigten so zu stellen sind, als hätte das schädigende Ereignis nie stattgefunden (§ 249, Abs. 1 BGB). Mehr braucht es nicht für eine rechtskonforme Schadenabwicklung, und die Kürzung des Ersatzes ist unzulässig. Das gilt sowohl bei der Schadenfeststellung wie auch im Rahmen des Schadenmanagements. Geschädigte sollten ihre Rechte, die sich aus der Position als "Herr des Restitutionsverfahrens" ergeben, auch wahrnehmen. Werkstätten sollten aufmerksam sein.

Gutachter und Schadenmanagement-Maßnahmen müssen nicht akzeptiert werden

Es ist nicht verwerflich, wenn Versicherungssachverständige bestrebt sind, die Kosten im Sinne ihrer Arbeit- oder Auftraggeber zu senken. Aber es ist durchaus bedenklich, wenn Kalkulationen nicht den tatsächlichen und üblichen Gegebenheiten, sondern den vom Versicherer vorgegebenen Schemata und Verrechnungssätzen folgen. In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass Sachverständige leicht zur Hilfskraft und Gutachten zu vorgezogenen Prüfberichten degradiert werden (AG Berlin/Mitte, Urt. v. 25.9.2014, Az. 108 C 3118/14). Geschädigte müssen weder den Gutachter noch Schadenmanagementmaßnahmen des Versicherers akzeptieren. Sie sind auch nicht dazu verpflichtet, eine möglichst preisgünstige Reparaturmöglichkeit ausfindig zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 23.1.2007, Az. VI ZR 67/06). Vielmehr haben sie in der Regel einen Anspruch auf einen eigenen Sachverständigen, der die Kosten der Instandsetzung korrekt ermittelt. Dessen Kosten muss der Versicherer ebenso erstatten wie die des Anwalts (BGH, Urt. v. 22.7.2014, Az. VI ZR 357/13; Urt. v. 28.2.2017, Az. ZR 76/16). Sollte sich ein Geschädigter dennoch auf einen Sachverständigen des Versicherers einlassen und bei der Werkstatt die Reparatur gemäß Gutachten in Auftrag geben, ist Vorsicht geboten.

Dass ein Geschädigter sich auf die Angaben im Gutachten verlassen darf, gilt zwar auch hier (BGH Urt. v. 6.4.1993, Az. VI ZR 181/92). Wenn eine Werkstatt diesen Auftrag aber annimmt, ohne sich zuvor mit dem Gutachten zu befassen und den Kunden bei Bedarf aufzuklären, kann es zu Problemen kommen. Die vorbehaltlose Annahme bedeutet für die Werkstatt zwar nicht, dass Weiterungen des Auftrags und Nachbesichtigungen ausgeschlossen oder zunächst nicht entdeckte Schäden ohne Vergütung zu reparieren sind. Aber es zählen eben die bei Abschluss des Vertrags getroffenen Vereinbarungen, und das bedeutet im ungünstigsten Fall, dass die Werkstatt die Kalkulation des Versicherers annehmen muss.Gemäß dem Grundsatz "Wer haben will, muss beweisen" hat die Werkstatt den Nachweis zu führen, dass der Geschädigte den Reparaturauftrag zu den Konditionen des Servicebetriebs und nicht zu den Werten des Versicherungsgutachtens erteilt hat (vgl. BGH, Urt. v. 5.6.1997, Az. VII ZR 124/96). Wenn ein Geschädigter sein Fahrzeug nach Vorgaben des Sachverständigengutachtens des Versicherers in Auftrag gibt, sollte die Werkstatt diese Werte mit dem eigenen Leistungskatalog abgleichen. Da das Gutachten die Arbeiten und deren Umfang konkret beschreibt, dürfte das nicht schwerfallen.

Dr. Wolf-Henning Hammer Foto: Kanzlei Voigt
WERKSTATT aktuell-Experte Dr. Wolf-Henning Hammer kennt die rechtliche Seite des Automobilgeschäfts.

Werkstatt muss dem Kunden Konditionen mitteilen und Zustimmung erhalten

Auf keinen Fall sollte der Betrieb einen solchen Auftrag kommentarlos annehmen und mit den Arbeiten beginnen. Nach den Grundsätzen des allgemeinen Vertragsrechts kommt ein Vertrag nur zustande, wenn sich die Parteien über dessen Inhalt geeinigt haben. Für die Werkstatt bedeutet das, dass sie dem Kunden ihre Konditionen mitteilen und er zustimmen muss. Unterbleibt das, wird im Zweifel nur die übliche Vergütung geschuldet (Oberlandesgericht [OLG] Karlsruhe, Urt. v. 7.12.2015, Az. 13 U 110/13; OLG Celle, Urt. v. 24.9.2014, Az. 14 U 114/13). Gehen die Forderungen und Kosten der Werkstatt darüber hinaus, läuft sie Gefahr, auf dem Mehrbetrag sitzen zu bleiben.Wenn der Geschädigte eindeutig die "Instandsetzung gemäß Sachverständigengutachten" in Auftrag gibt und die Werkstatt ohne Prüfung mit den Arbeiten beginnt, ist davon auszugehen, dass sie den im Gutachten aufgeführten Werten zumindest konkludent zugestimmt hat (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.8.2013, Az. 9 U 218/12). Die Folge ist, dass der Betrieb nicht anhand tatsächlicher oder üblicher Kosten, sondern nur gemäß der Kalkulation des Haftpflichtversicherers abrechnen darf (vgl. etwa BGH, Urt. v. 14.3.2013, Az. VII ZR 142/12; AG Stade, Urt. v. 14.5.2018, Az. 63 C 28/18). Werkstätten sollten sich vor Annahme des Auftrags unbedingt mit dem Gutachten auseinandersetzen und den Geschädigten informieren, wenn der ausgewiesene Betrag die Kosten nicht abdeckt (BGH, Urt. v. 1.6.2017, Az. VII ZR 95/16).

Tut die Werkstatt das nicht, kann der Kunde den Mehrbetrag von bereits geleisteten Zahlungen zurückfordern. Wer einen Instandsetzungsauftrag gemäß Gutachten blind annimmt, ohne die darin aufgeführten Werte zuvor mit dem eigenen Leistungsverzeichnis abzugleichen, handelt grob fahrlässig. Im Zweifelsfall ist er dann an die im Gutachten ausgewiesenen Werte gebunden. Er kann den überschießenden Teil nur dann beim Geschädigten einfordern, wenn er ihn zuvor auf die entstehende Differenz hingewiesen hat. Spätestens hier zeigt sich, dass ein neutraler Sachverständiger das Gutachten erstellen sollte. Das ist für den Geschädigten ebenso wichtig wie für die Werkstatt.

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