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Roland Rüdinger im Gespräch Rüdinger über Fahrermangel

Redaktionsgespräch Foto: Thomas Küppers

Die Rüdinger Spedition aus Krautheim in Baden- Württemberg hat beim Personal ihre eigene Philosophie. Das verdeutlichen die Zahlen: 20 Prozent der 250 Mitarbeiter sind Auszubildende und 40 Prozent Aussiedler. Entsprechend wichtig ist es Geschäftsführer Roland Rüdinger, beide Gruppen erfolgreich in das Unternehmen zu integrieren. Die Marktlage und die angespannte Preissituation sind weitere Themen im Gespräch mit der Redaktion trans aktuell.
 
trans aktuell: Herr Rüdinger, die Unternehmen können sich vor Aufträgen derzeit kaum mehr retten. Herrscht wieder eitel Sonnenschein in der Transport- und Logistikbranche?
Rüdinger: Die Menge stimmt, der Preis nicht. Es ist unglaublich schwer, das Preisniveau dorthin zu bekommen, wo es für einen, der Lkw besitzt, Freude macht. Es ist leider nicht gelungen, die Produktivitätsverluste der vergangenen Jahre durch den digitalen Tachografen und die Arbeitszeitgesetzgebung durch den Preis auszugleichen.
 
trans aktuell: Doch sollten Speditionen angesichts der Laderaumknappheit eigentlich wieder eine bessere Position haben, oder?
Rüdinger: Nach den Regeln des Marktes schon. Doch so verhält es sich nicht. Das betriebswirtschaftliche Paradoxon ist begründet durch die Marktmacht der Verlader. Sie forderten noch im Frühjahr 2010 Rezessionspreise ein. Als dann die Auftragslage im April anzog, hatte man zu Rezessionspreisen ein Übermaß an Ladung. Uns ist es erst im Herbst gelungen, Stück für Stück bei wenigen handverlesenen Kunden die Preise zu erhöhen.
 
trans aktuell: Glaubt man den einschlägigen Marktbarometern, gab es doch zweistellige Preissteigerungen. Alles Schwindel?
Rüdinger: Das mag auf dem Spotmarkt zutreffen. Der spiegelt aber nur einen kleinen Promillebereich des Transportgeschehens wider. Fakt ist: Die Preisbildung wird sich insgesamt ändern müssen. Wir haben auf Kundenseite in den vergangenen drei bis vier Jahren eine Professionalisierung des Frachteinkaufs erlebt. Dagegen steht auf Seite der Frachtführer eine hausbackene Vollkostenrechnung mit Jahresfestpreisen.
 
trans aktuell: Was sollte sich Ihrer Ansicht nach daran ändern?
Rüdinger: Die Preisbildung im Ladungsverkehr muss sich der eines Reiseveranstalters anpassen. Zu bestimmten Zeiten sind verstärkt ausländische Unternehmer auf dem Markt, die Kabotage-Anschlussfahrten suchen. Im Januar/Februar zum Beispiel fahren wir fast leer, weil uns alle unterbieten. In kurzen Wochen – etwa zur Osterzeit – hält sich dagegen kaum ein Osteuropäer mehr in Deutschland auf. Auf diese saisonalen Besonderheiten müssen wir reagieren. Ohne Saisonpreise werden wir nicht überleben. Denn die Reserven der guten Jahre sind weg.
 
trans aktuell: Wie stark macht Ihnen zusätzlich der hohe Ölpreis zu schaffen?
Rüdinger: Der hohe Ölpreis ist für uns natürlich ein Problem, das wir mit Preiserhöhungen angehen werden. Lange Zeit hat man den Diesel-Floater als Schlüssel zum Glück gesehen. Doch versuchen Sie einmal, bei einer Firma, mit der Sie einen Floater vereinbart haben, eine Preiserhöhung durchzusetzen. Das wird nicht gelingen. Deshalb ist der Floater problematisch. Was ist, wenn Lohnerhöhungen anstehen? Wir haben seit zehn Jahren unsere Fahrerlöhne kaum erhöht, das wird sich drehen.
 
trans aktuell: Wie sind Ihre Erwartungen für den weiteren Jahresverlauf?
Rüdinger: Von der Menge her wird es ein geniales Jahr. Seit September läuft der Maschinenbau wieder. Die Fahrzeuge sind ausgelastet wie schon lange nicht mehr. Ich vermute, dass der deutsche Transportraum auch nicht so stark wachsen wird, weil die Banken am Bremsen sind. Viele Transportunternehmen würden aus Unvernunft Lkw kaufen, aber auf Seite der Finanzierung gibt es Restriktionen. Das hilft uns hoffentlich bei unserer schwierigen Aufgabe, die Preise zu erhöhen.
 
trans aktuell: Gehören Sie zu den Vernünftigen, die 2011 keine Fahrzeuge anschaffen?
Rüdinger: Wir haben bereits im Herbst zehn Fahrzeuge gekauft, da wir im Sommer stark unter Beschuss gekommen waren. Die Stammkunden haben ihre Produktion teilweise um ein Fünftel erhöht. Da mussten wir nachziehen.
 
trans aktuell: Haben Sie analog den Fahrerstamm im Unternehmen erhöht?
Rüdinger: 30 Fahrer kamen hinzu. Es geht schneller, Fahrer einzustellen, als Fahrzeuge anzuschaffen. Wir setzen Spezialfahrzeuge ein, die brauchen ihre Zeit. Unter zehn Wochen geht da nichts. Ein Fahrer ist schneller eingestellt. Der benötigt aber auch seine vier bis acht Wochen Eingewöhnung, bis er richtig produktiv wird.
 
trans aktuell: War es sehr schwierig, an qualifizierte Fahrer zu kommen?
Rüdinger: Wir stellen auch unqualifizierte Fahrer ein. Wir bilden sie mit Seminaren etwa zur Technik, zur wirtschaftlichen Fahrweise oder zum Umgang mit Kunden intensiv aus – also den Themen, die nun auch für die Weiterbildung vorgeschrieben sind. Nur machen wir das Ganze schon seit 15 Jahren. Die Fahrer beginnen bei uns im Nahverkehr mit Zwölf- Tonnern. Wenn sie gut sind, kommen sie auf mittelgroße beziehungsweise große Lkw. Dadurch sind wir in der Lage, auch Führerschein-Neulinge einzustellen. Wer nur große Züge hat, tut sich da entsprechend schwerer.
 
trans aktuell: Was macht Ihr Engagement in Sachen Ausbildung?
Rüdinger: Das setzen wir unvermindert fort. Wir beschäftigen derzeit 50 Auszubildende – bei insgesamt 250 Mitarbeitern. Wir sind stolz darauf, dass wir überhaupt noch Bewerbungen bekommen. Bei anderen Kollegen ist das nicht der Fall. 15 unserer Azubis – je fünf pro Lehrjahr – sind angehende Berufskraftfahrer. Bei diesem Berufsbild gibt es ein riesiges Problem mit der Ausbildung.
 
trans aktuell: Nämlich?
Rüdinger: Die Ausbildung ist mit Lehrinhalten vollgepfropft. Doch wir haben es mit Bewerbern zu tun, die teilweise nur eine abgebrochene Hauptschule oder einen Sonderschulabschluss vorweisen können. Die können das theoretische Niveau, das der Berufskraftfahrer haben sollte, nicht beherrschen. Hier gibt es enorme Spannungsfelder, an denen die Lehrer und wir scheitern.
 
trans aktuell: Was schlagen Sie deshalb vor?
Rüdinger: Die unruhigen Geister, deren Heil nicht in zusätzlicher Schulbildung liegt, können wir im Betrieb gut qualifizieren – zum Beispiel im Umgang mit speziellen Gütern oder Fahrzeugen. Wir sollten diese jungen Leute aber nicht mit zu viel Theorie quälen. Allein die Abbrecherquote von etwa einem Drittel sollte einen alarmieren. Meiner Ansicht nach brauchen wir eine zweijährige Ausbildung für diejenigen, die keine Lust mehr auf Schule haben.
 
trans aktuell: Eine Forderung nach dem Berufskraftfahrer »light«?
Rüdinger: Warum nicht? Man könnte sich anlehnen an die Ausbildung zum Fachlageristen, die ebenfalls zwei Jahre dauert. Auf drei Jahre ausgelegt ist dagegen die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerwirtschaft. Man könnte also die theoretisch anspruchsvollen Dinge ins dritte Lehrjahr packen, das dann freiwillig wäre. Damit kriegen Sie auch diejenigen raus, die ihnen sonst den Unterricht zerlegen würden.
 
trans aktuell: Und hinterher sollen dann beide den gleichen Job machen?
Rüdinger: Ich könnte mir vorstellen, dass in Verbindung von Solofahrzeugen und Führerscheinklasse C ein verkürztes Modell zum Tragen kommen könnte. Fällt der internationale Fernverkehr weg, kommt man auch mit weniger Ausbildungsinhalten klar.
 
trans aktuell: Noch stellen die Auszubildenden im Fahrerbereich die Minderheit. Die meisten Fahrer kommen über Umschulungen in den Beruf. Wird das durch die Hürden zur Qualifizierung so bleiben?
Rüdinger: Fakt ist: Umsteiger haben es deutlich schwerer als früher. Für Migranten zum Beispiel ist der Berufszugang zu. Wer sprachlich nicht gut ist, hat enorme Schwierigkeiten mit der Grundqualifikation. Ganze Bevölkerungsgruppen, die wir bisher als Fahrer integrieren konnten, sind nun ausgeschlossen.
 
trans aktuell: Was wiederum den Fahrerengpass weiter verstärken dürfte ...
Rüdinger: Sogar ganz erheblich. Insgesamt 40 Prozent meiner Mitarbeiter sind Aussiedler. Wenn man sie gut integriert, werden daraus Top-Leute. Allesamt erbringen sie heute Premiumdienstleistungen. Außerdem: Welche Alternative haben wir denn, wenn wir nicht genügend einheimische Mitarbeiter bekommen? Ein großer Teil der Unternehmer geht noch immer davon aus, dass gute Fahrer vom Himmel fallen – sponsored by Bundeswehr oder Arbeitsamt.

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