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Roboter in der Übersicht Künstliche Intelligenz in der Logistik

Starship Delivery Robot Foto: Starship Technologies 7 Bilder

Ob im Lager oder in der Zustellung – in der Logistik nimmt der Einsatz von autonomen elektrischen Helfern beständig zu.

Die Automatisierung greift im Zuge der Digitalisierung immer weiter um sich. Das gilt selbstverständlich auch für die Logistik – und dort für mittlerweile alle Bereiche. Ein Blick in das eine oder andere Logistikzentrum offenbart bereits, wohin die Reise geht. Dabei muss man nicht einmal mehr nach China blicken – auch wenn dort gerade im Hinblick auf die sogenannten AGVs (Automated Guided Vehicles) der aktuell wohl höchste Einsatzgrad zu beobachten ist. So hat etwa der Logistikdienstleister Cainiao Smart Logistics Network aus dem Reich der Mitte in Wuxi, nahe Shanghai, bereits einen sogenannten Future Park ins Leben gerufen. Die Logistik-Tochter des Handelsriesen Alibaba verwirklicht dort auf rund 160.000 Quadratmetern so ziemlich alles, was technisch möglich ist. Mit Anwendungen des Internets of Things (IoT), von Big Data, Edge Computing und künstlicher Intelligenz (KI) machen die Chinesen sich daran, möglichst alles zu digitalisieren.

Automatisch verarbeitet

In Wuxi werden Pakete auf vollautomatischen Montagelinien verarbeitet, die mit Roboterarmen ausgestattet sind. Sie beladen die 500 AGVs, die am Boden unterwegs sind. Die auf diese Weise kommissionierten Pakete gehen auf dem kürzesten Weg zum Lagermitarbeiter. Der sortiert die Sendungen für die weitere Verteilung. Die IoT-Technologie in der Logistik soll bei Cainiao aber übers Lager hinausgehen und die gesamte Supply-Chain verbessern. Bereits Ende des Jahres soll dazu ein Roboter namens G Plus in Serie gehen. Das elektrische Lieferfahrzeug ist dann autonom auf der letzten Meile unterwegs. Beim Empfänger wiederum sollen intelligente Schließfächer vor dem Haus platziert werden. Kuriere erhalten dort per Gesichtserkennung Zugriff. Die Box kann sogar temporär als Mini-Kühlschrank fungieren – oder App-gesteuert auch zum Warmhalten von Speisen dienen. Wer nun glaubt, das sei für uns alles noch weit entfernt, irrt sich. Denn Alibaba setzt aktuell zum Sprung nach Deutschland an. Im Hamburger Hafen könnte schon bald ein Logistikzentrum des chinesischen E-Commerce-Giganten entstehen. Wobei der Standort in der Hansestadt nur Teil eines Logistiknetzes wird, welches Alibaba still und heimlich über Europa spannen möchte. Was nicht heißen soll, es gebe in Europa nicht bereits ganz ähnliche Bestrebungen.

AGVs kommen beispielsweise auch bei BLG Logistics im Logistikzentrum in Frankfurt zum Einsatz. Das dort verwendete System nennt sich G-Com. 75 der niedrig gebauten Transportfahrzeuge der Firma Grenzebach sind im dortigen Lager auf festgelegten Wegen unterwegs. Wie bei Cainiao fahren die AGVs unter das Regal, heben es an, um es dann zum Logistikmitarbeiter zu bringen. Bis zu 600 Kilogramm können diese sogenannten Carrys schultern und 60 Meter in der Minute zurücklegen. Geleitet werden sie durch 2.200 Marker auf dem Fußboden. Eine Schnittstelle zum Inconso-Lagerverwaltungssystem fungiert dabei als Schaltzentrale. Geladen werden die Carrys induktiv über Ladematten am Boden. Das Münchener Start-up Magazino hat die beiden Roboter Toru und Soto am Start (siehe trans aktuell 16/2018, Seite 9). Wobei das Modell Toru bereits bei den beiden Logistikern Fiege und Meyer & Meyer im Einsatz ist. Konzipiert ist der Roboter fürs Kommissionieren von Schuhen. Der Greifarm funktioniert daher bei quaderförmigen Objekten verschiedener Größen. Die 2-D-Kameras scannen den Barcode der Ware, die 3-D-Kamera identifiziert mögliche Greifpunkte – auch bei noch nicht im System erfassten Artikeln. Das aus dem Regal gegriffene Objekt lagert der Roboter in seinem eigenen Regal zwischen und bringt es direkt zur Versandstation.

DHL testet weltweit neue Lösungen

Selbst ein großer Konzern wie die Deutsche Post DHL sieht sich lediglich als Logistiker, der keine automatisierten Supply-Chain-Lösungen entwickelt. Zumindest verfolgt das Unternehmen aber die Entwicklung aktiv und testet weltweit beständig neue Lösungen. Ein solches Pilotprojekt gab es etwa mit dem finnischen Technologie-Unternehmen Wärtsilä in dessen Zentrallager im niederländischen Kampen. Dort testeten die beiden Partner Roboter der Firma Fetch Robotics in der Ersatzteil-Logistik. Die AGVs transportieren bis zu 78 Kilogramm und bewegen sich mit bis zu zwei Metern pro Sekunde. Das Ganze war derart erfolgreich, dass der Einsatz der Roboter nach dem Abschluss des Pilotprojekts weiterläuft – auch wenn die Testphase noch nicht gänzlich abgeschlossen ist. In Amerika wiederum setzt DHL auf die Roboter von Locus Bots. Im US-Bundesstaat Tennessee unterstützen diese kollaborativen Roboter Lagerfachkräfte. Sie helfen nicht nur dabei, die Waren zu finden, sondern nehmen den Kommissionierern zudem die körperlich anspruchsvolle Arbeit ab. An gleich mehreren Standorten weltweit kommen die beiden kollaborativen Robotermodelle Baxter und Sawyer von Rethink Robotics zum Einsatz. Die beiden intelligenten Maschinen nehmen verschiedene Aufgaben wahr, unter anderem die Verpackung von Produkten oder Mehrwertdienste wie Montage oder Konfektionierung. Auch bei der Vorbereitung für den Ladenverkauf, beispielsweise bei der Etikettierung, werden sie eingesetzt. Dabei werden auch die Möglichkeiten des 3-D Druckverfahrens ausgelotet, um spezielle Greifer herzustellen, die bei der Erledigung weiterer Aufgaben im Lager zum Einsatz kommen könnten.

Im hessischen Bad Hersfeld wiederum folgt der sogenannte Postbot den Mitarbeitern auf Schritt und Tritt. Der gelbe Roboter, der Briefe und Päckchen bis zu einem Gesamtgewicht von 150 Kilogramm tragen kann, soll die Zusteller entlasten. Der Postbot wurde auf Basis eines Roboters der französischen Firma Effidence entwickelt. Mittels Sensoren erkennt er die Beine des Postboten und folgt diesem auf dem Gehweg. Hindernissen weicht er aus oder stoppt davor. Durch ergonomisch platzierte Bedienelemente an beiden Seiten des Geräts sei er besonders rücken- und gelenkschonend konzipiert, heißt es seitens Deutsche Post DHL. Ebenfalls autonom, aber gänzlich ohne Begleitung sind die Lieferroboter von Starship Technologies unterwegs. Pilotkunden hat das Unternehmen in Großbritannien, Deutschland und der Schweiz gefunden. Mit von der Partie sind unter anderem der KEP-Dienstleister Hermes sowie der Handelskonzern Metro. Bei den Robotern handelt es sich um Fahrzeuge mit sechs Rädern. Sie sind elektrisch betrieben, 50 Zentimeter hoch, 70 Zentimeter lang und bewegen sich im Schritttempo. Dabei können sie Sendungen bis zu einem Gewicht von 15 Kilogramm auf eine Entfernung von fünf Kilometern befördern.

Drohnen zur Inventur

Den Fahrtweg ermittelt das AGV mithilfe von neun Kameras. Die Sendungen im Transportfach sind übrigens gleich mehrfach gesichert: per Sicherheitsschloss, Überwachungskamera und PIN-Code-Abfrage. Versucht jemand, das Transportfach gewaltsam zu öffnen, löst der Roboter Alarm aus und verständigt einen Operator. Dank konstantem GPS-Signal kann Hermes die Position des Fahrzeugs jederzeit einsehen. Die Zustellroboter von Starship haben bereits ihren Siegeszug angetreten. Mitte des Jahres ließ das Unternehmen verlauten, dass schon bald 1.000 weitere der autonomen Fahrzeuge in Deutschland und den USA unterwegs sein werden.Auch der Fahrzeughersteller Daimler ist von dem Konzept überzeugt. So ist Mercedes-Benz Vans nach eigenen Angaben Hauptinvestor des Start-ups aus Estland. Der Zustellroboter wiederum ist Teil eines Mutterschiff-Konzepts: Der Sprinter dient als mobiles Lager und Transporteur für die autonom fahrenden Starship-Lieferroboter, die die Feinverteilung vornehmen. Bei der Daimler-Studie Vision Van, die auf der IAA Nutzfahrzeuge vor zwei Jahren zu sehen war, gehen die Stuttgarter noch einen Schritt weiter und nutzen den E-Transporter als Start- und Landeplatz für Drohnen.

Wobei die Logistik aufgrund der restriktiven Rechtslage die Drohnen ohnehin nur im Lager für die Inventur nutzt. So etwa beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) mit seinem Forschungsprojekt "InventAIRy". Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Technologieprogramms ist eine automatische Inventur mithilfe von autonom fliegenden Drohnen. Zum Einsatz kommt die Lösung bereits bei der Rigterink Logistikgruppe.Wirft man nun wiederum einen Blick über den großen Teich, stechen einem vor allem die logistischen Innovationen beim Versandhändler Amazon ins Auge. Der US-Konzern, der anders als sein chinesischer Rivale Alibaba in Europa bereits fest im Sattel sitzt, ist in dieser Hinsicht ebenfalls alles andere als untätig. Im Logistikzentrum in Dupont im Bundesstaat Washington etwa heben große Roboterarme gepackte Paletten von einer Hallenebene in die nächste. In dem Lager sind das immerhin sieben Meter. Neben einem Irrgarten an Förderbändern kommen auch dort jede Menge AGVs zum Einsatz. Die sehen auf den ersten Blick aus wie die der Alibaba-Tochter Cainiao – stammen aber aus der Entwicklerschmiede von Amazon Robotics. Wird ein Artikel angefordert, hebt das AGV das entsprechende Regal an und bringt es zu einem Mitarbeiter. Der wiederum entnimmt das Produkt und legt dieses in eine Transportkiste. Über die Förderanlage geht’s schließlich zur Packstation. Dort legt ein Mitarbeiter den Artikel in einen Versandkarton, bevor es wieder per Förderband weitergeht. Zur Endkontrolle kommt das Paket schließlich auf die Waage. Amazon hat das Gewicht der einzelnen Artikel akribisch genau erfasst, um diesen Schritt auf diese Weise zu automatisieren.

Daimler integriert Drohnen in die Lieferkette
Pilotprojekt in Zürich gestartet

Für Amazon UK sind bereits seit zwei Jahren Zustell-Drohnen unterwegs

Wie weit der US-Konzern mit seinen Plänen hinsichtlich einer Automatisierung in der Zustellung ist, ist schwer zu sagen. Anders als die Chinesen halten sich die Amerikaner hier gerne bedeckt. Fakt ist allerdings, dass Amazon Drohnen von Lkw, Schiff und Bahn aus auf Reisen schicken möchte. Ein Patent wurde bereits vor mehr als einem Jahr eingereicht. Wie ernst es Amazon mit den Drohnen ist, zeigt noch ein anderes US-Patent. Darin hat der Online-Versandhändler einen bienenstockähnlichen Turm skizziert. Dieser ist als Stützpunkt und Lager für die Drohnen-Flotte konzipiert. Amazon nennt das Konzept "multi-level fulfillment center for unmanned aerial vehicles". Ob das Realität wird, muss sich zeigen. In Großbritannien zumindest sind Zustell-Drohnen bereits unterwegs. Dort ging Amazon UK vor rund zwei Jahren in die Luft. Wobei wir tatsächlich beim Thema Selbstzerstörungsmechanismus angelangt sind. Kein Scherz: Kleine Sprengsätze sowie Federn sollen einem Patent zufolge dafür sorgen, dass einzelne Komponenten abgestoßen werden können – natürlich nur kontrolliert über dafür geeigneten Bereichen. Und das auch nur dann, wenn es eine Fehlfunktion gibt und es somit die Sicherheit erfordert. Im Normalfall kündigt sich die Drohne kurz vor ihrer Ankunft mittels der Prime-Air-App auf dem Smartphone des Kunden an. Der hat dann Zeit, eine geeignete Landezone zu markieren. Hierfür gibt es eine spezielle Matte, die der Nutzer etwa in seinem Garten auf den Rasen legt. Dort landet die Drohne, gibt das bis zu 2,5 Kilo schwere Paket ab und fliegt wieder selbstständig zur Basisstation. Der Nutzer darf aber nicht weiter als 15 Kilometer von der Amazon-Niederlassung entfernt wohnen. Dafür bekommt er seine Bestellung dann aber auch innerhalb von nur 30 Minuten.

Einem weiteren Patent zufolge denken die Verantwortlichen sogar über einen Paketabwurf mithilfe eines Fallschirms nach. Doch kann die Lösung in Sachen letzte Meile auch deutlich bodenständiger ausfallen, selbst wenn Amazon nach aktuellem Stand keine eigenen Zustellroboter plant. Dort kommen ohnehin zumeist KEP-Dienstleister zum Einsatz, die ihre eigene Strategie verfolgen. Um die Waren zwischen den Lägern transportieren zu können, setzt Amazon auf ein Netzwerk namens "Central Roadway Management Systems". Hierbei sollen dann autonom fahrende Lkw zum Einsatz kommen – auch auf einer mehrspurigen Straße mit Gegenverkehr ohne Mittelleitplanke. Die Automatisierung der Logistik ist im digitalen Zeitalter also nicht mehr aufzuhalten. Doch während Amazon und Alibaba an End-to-End-Lösungen arbeiten, herrschen in Europa noch voneinander losgelöste Einzellösungen vor – selbst in einem Konzern wie DHL. Die Entwicklung spiegelt schlicht die heterogenere Logistik-Landschaft wider. Solange eine kollaborative Zusammenarbeit herrscht, hinkt Europa den – zugegebenermaßen taktgebenden – Handelsriesen aus China und den USA nicht hinterher.

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