Regelmäßige Wochenruhezeit Montag ist der ideale Kontrolltag

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Nach ihren präventiven Alkoholkontrollen hat die Verkehrspolizei Mannheim nun das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, an einem Montag zusammen mit dem BAG ins Visier genommen. Prompt stieg die Quote der Beanstandungen.

Am Montagmorgen, den 4. Februar 2019, kontrollierten Spezialisten der Verkehrsgruppe "gewerblicher Güter- und Personenverkehr" des Polizeipräsidiums Mannheim insgesamt 40 Lkw-Fahrer. Es ging um die Frage, ob sie möglicherweise gegen das Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen, verstoßen hatten. Dabei wurden sie von Kollegen der Wasserschutzpolizeistation Mannheim, Kontrolleuren des Bundesamtes für Güterverkehr, sowie Spezialisten der Verkehrspolizei Karlsruhe unterstützt. 25 Leute insgesamt. „Die Kontrollen gingen von fünf Uhr bis zehn Uhr“, so Polizeioberkommissar Patrick Geschwill von der Verkehrspolizei Mannheim, der mit seinem Kollegen POK Harry Stadelmann eins der Teams gebildet hat. „Alle Lkw wurden diesmal an der Ausfahrt zur A6 angehalten und auf freigehaltene Parkplätze gelotst.“

Lkw-Kontrolle bis zu anderthalb Stunden

„So eine Kontrolle dauert schon bis zu anderthalb Stunden“, sagte mir Geschwill. Dabei werden die Fahrerkarte und das Kontrollgerät vor Ort ausgelesen, dazu die Frachtpapiere ausgewertet. „Wird ein Verstoß festgestellt, wird bei einem ausländischen Fahrer eine Sicherheitsleistung in bar erhoben. Das kann nochmal bis zu einer Stunde dauern.“ Das Ergebnis ist dennoch beeindruckend: 21 Fahrer, also 51 Prozent, wurden beanstandet. Konkret: es gab in der Tat 18 Verstöße gegen das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug gemäß Art. 8 Abs. 6 der VO (EG) Nr. 561/2006 respektive des Paragrafen 8 Fahrpersonalgesetz. Dazu gab es drei Fehlbedienungen im Kontrollgerät und eine Kabotagefahrt.

„Als Sicherheitsleistungen haben wir insgesamt 30.000 Euro einbehalten“, berichtete Geschwill. Das ergibt sich nach dem deutschen Bußgeldrahmen im Ordnungswidrigkeitenrecht mit je 500 Euro für den Fahrer und 1.500 Euro für den Unternehmer. 19 Fahrer kamen aus Osteuropa (hier: Bulgarien, Rumänien, Estland, Polen, Ukraine, Moldawien), zwei aus Deutschland. Dass dabei allerdings auch die Fahrer selbst in Deutschland dafür bestraft werden, dass sie kaum eine Alternative haben, um ein Hotel aufzusuchen, hatte ich immer wieder kritisiert. Viele sind einfach dazu verdammt, das Wochenende im Lkw zu verbringen. „Dafür wurde dieses Mal kein Fahrer mit zu viel Alkohol erwischt“, so Geschwill. „Die waren entweder schon vorher weg oder haben gemerkt, dass wir an der Ausfahrt kontrollieren und sind gar nicht erst losgefahren.“

Rückblende – wie alles begann

Am 9. Dezember saß Geschwill hier schon einmal zusammen mit seinem Teamkollegen Harry Stadelmann im Polizeibus und wertete Fahrerkarten aus. Damals wurde bei 15 Fahrern, die bei einer rein präventiven Alkoholkontrolle mit zu viel Alkohol auf dem Parkplatz erwischt wurden, erstmalig die Frage geklärt, wie lange diese auf der Raststätte gestanden hatten. Das Ergebnis: zehn von ihnen standen dort das ganze Wochenende, verstießen also auf den ersten Blick gegen das auch in Deutschland bestehende Verbot, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw zu verbringen. Die zehn Anzeigen gingen damals an das BAG als zuständige Bußgeldstelle für Ausländer.

Inwieweit sie auch konkret bearbeitet wurden, wollte mir das BAG auf Anfrage leider nicht verraten, denn, so hieß es, „Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen Verstößen gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr werden in den Außenstellen des Bundesamtes durchgeführt.“ Die Zuständigkeit der Außenstellen hängt von der Nationalität des Betroffenen ab. Da könne man nun einzelne Anzeigen nicht gesondert aus der Masse raussuchen. Ich persönlich befürchte, dass die Fahrer und Unternehmen in acht von zehn Fällen ohne ein Bußgeld davonkommen. Denn laut BAG lag wahrscheinlich kein Verstoß vor.

Unterschiedliche Kontrollpraxis von BAG und Polizei

Grund meiner Anfrage war die unterschiedliche Kontrollpraxis von BAG und Polizei, die ich in meinem Blog „Freibrief statt Kontrolle“ bereits thematisiert habe. Die Polizei hatte festgestellt, dass die Fahrer laut der Taktung der Ruhezeiten nach Artikel 8 Absatz 6 der VO (EG) 516/2006 eine 45-stündige Ruhezeit hätten einlegen müssen. Konkret heißt es: „Hiernach hat der Lkw-Fahrer in zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen entweder zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von 45 Stunden oder eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden einzuhalten.“ In der Antwort schrieb das BAG: „Das BAG vertritt in Übereinstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium die Auffassung, dass eine Ahndung wegen des Verstoßes nach § 8a Abs. 1 und Abs.2 Fahrpersonalgesetz (FPersG) voraussetzt, dass eine reguläre Wochenruhezeit eingelegt worden ist und nicht, dass sie eingelegt werden musste. Auch muss diese nachweislich im Fahrzeug verbracht worden sein.“

Wie das BAG selber kontrolliert, hatte ich bereits im September 2017 mitbekommen. Es ist, jedenfalls an den Sonntagen, mehr ein lockerer Spaziergang durch die Reihen den parkenden Lkw, bei dem lediglich der Tagesaudruck verlangt wird. Das BAG hat eine Höllenangst davor, dass eine richtige Kontrolle in der Ruhezeit als Arbeitszeit des Fahrers gewertet werden muss – und diese dann die Ruhezeit selbst unterbricht.

Das Ergebnis der Sonntagskontrollen hat mir das BAG dankenswerterweise nun aktualisiert: „Im Zeitraum von September 2017 bis einschließlich Dezember 2018 wurden an den Sonntagen in dem Rechtsgebiet Fahrpersonalrecht insgesamt 7.439 Fahrzeuge kontrolliert. Hierbei wurden 99 Verstöße gegen die Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit ohne geeignete Schlafgelegenheit erfasst und weiterverfolgt.“ Das ist natürlich unbefriedigend. Denn an den Wochenenden sind nahezu alle Autobahnraststätten überfüllt.

BAG ist jetzt zufrieden

So hatten sich BAG und Polizei am Montagmorgen auf Kraichgau-Süd darauf verständigt, dass – nach einer Handlungsanweisung des BAG - nur die Verstöße zu werten waren, bei denen die Fahrer tatsächlich länger als 45 Stunden im Lkw waren. Damit war auch das BAG selber zufrieden, wie es nun auf meine Anfrage aus Köln heißt: „Die Kontrolle zu Verstößen gegen das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit entsprach dem Vorgehen des BAG. Das bedeutet, bei Fahrtbeginn, also nach Beendigung der Ruhezeit zu kontrollieren. Dies macht eine effektive Kontrolle zu Verstößen gegen das Verbot des Verbringens der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit im Fahrzeug möglich.“ Und die lässt sich nun an den Zahlen des BAG selber ablesen. „In dem angefragten Zeitraum wurden an den Montagen insgesamt 31.387 Fahrzeuge kontrolliert. Hierbei wurden 354 Verstöße gegen die Verbringung der wöchentlichen Ruhezeit ohne geeignete Schlafgelegenheit erfasst und weiterverfolgt.“

Neues Urteil aus Belgien

Mittlerweile gibt es auch neue Erkenntnisse aus Belgien, mir persönlich übermittelt vom „Erfinder“ der Kontrollen der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit, dem Hauptinspektor Raymond Lausberg Nicht nur der EuGH hat sich bei seiner Klarstellung im Dezember 2017 auf eines dieser belgischen Strafverfahren bezogen, nun gibt es auch ein zweites Urteil aus Dezember 2018. „Bei diesem Fall aus dem Jahr 2016 wurde der Fahrer in der Woche kontrolliert“, so Lausberg“, und bei der Überprüfung der Lenk- und Ruhezeiten wurde festgestellt, dass der Fahrer, vorher, also nicht im Moment der Kontrolle, zwei 45er Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht hatte. Das wurde auch vom Fahrer zum Schluss selber bestätigt.“

Auf frischer Tat ertappt

In Deutschland ist hinsichtlich der Ruhezeitkontrolle gelegentlich die Rede davon, dass man den Fahrer auf „frischer Fahrt ertappen müsse". In Belgien, jedenfalls, und laut des Gerichts in Verviers demzufolge auch in der zugrundeliegenden EU-Verordnung 561/2006, läge aber, so Lausberg, keine gesetzliche Bestimmung für den Tatbestand „auf frischer Tat“ vor. Allein entscheidend seien die vom Fahrer vorzulegenden Schaublätter für 28 Tage beziehungsweise die Daten der letzten 28 Tage auf der Fahrerkarte gemäß VO (EWG) Nr. 3821/85 und VO (EG) Nr. 561/2006. Die Logik: Wenn demzufolge die Karte gesteckt war, war der Fahrer auch im Lkw.

Lausbergs Dienststelle alleine hat bislang 434 Verstöße festgestellt. Bei einem Bußgeld allein für den Unternehmer von 1.800 Euro nach dem belgischen Strafrecht eine Gesamtsumme von 781.200 Euro. „Dieses Gerichtsurteil hat somit meine langjährige Vorgehensweise bestätigt. Ich verfolge mit meinem Team an der E 40 seit 2015 die 45er Verstöße auch in der Woche.“ Da das BAG direkt zu Wochenbeginn auch wieder die Fahrerkarten ausliest, kann ich dazu abschließend nur sagen: der Montag ist demzufolge wohl der ideale Kontrolltag.

Positives Fazit der Verkehrspolizei Mannheim

„Bei unseren bisherigen Abfahrtskontrollen wegen alkoholisierten LKW-Fahrern fiel uns auf, dass viele Fahrer die Nacht im Lkw verbrachten“, so abschließend Polizeidirektor Dieter Schäfer. „Verstöße gegen die Ruhezeitbestimmungen lagen nahe. Jetzt haben wir in einer zeitaufwändigen und personalintensiven Stichprobe 40 Lkw-Fahrer überprüft. Fast die Hälfte der Überprüften musste beanstandet werden. Ich befürchte, dass die Verstoßrate insbesondere bei den osteuropäischen Fahrern noch deutlich höher liegt. Wir wollen unsere Kontrollen daher zusammen mit dem BAG in regelmäßigen Abständen fortsetzen.“

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