Recht Kurzarbeit in der Coronakrise

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Umsatzeinbußen, Kurzarbeit, Gläubigerforderungen: Die Coronapandemie hat massive finanzielle Auswirkungen auf das Kfz-Gewerbe. Dr. Arnd Böhmer von der Kanzlei Voigt erklärt, wie Betriebe über die Betriebsschließungsversicherung zu ihrem Geld kommen.

Kein Thema ist in diesen Tagen so präsent wie die Coronapandemie. Angesichts der massiven und noch lange spürbaren Auswirkungen ist dies auch nicht verwunderlich. Wie massiv sie sind, zeigt auch eine aktuelle Studie der ETL Kanzlei Voigt. Der Umfrage zufolge, an der sich rund 200 Unternehmen aus dem Kfz-Gewerbe beteiligten, haben 83 Prozent aller Karosserie- und Lackierbetriebe Kurzarbeit beantragt.

Es ist keine Überraschung, dass sich der Auftragsrückgang auch auf die Liquidität auswirkt. Über die finanziellen Soforthilfen hinaus haben 16 Prozent aller Reparaturbetriebe (Markenwerkstätten 14 Prozent, freie Werkstätten 13 Prozent und Karosserie- und Lackierbetriebe 16 Prozent) bereits einen KfW-Corona-Hilfekredit beantragt. Weitere 9 Prozent (darunter Markenwerkstätten zu 14 Prozent, freie Werkstätten zu 4 Prozent und Karosserie- und Lackierbetriebe zu 10 Prozent) haben einen Kredit über die Hausbank – ohne KfW-Förderung – in Anspruch nehmen müssen. Damit ist ein Viertel aller Reparaturbetriebe auf Kredite angewiesen. Zudem haben 40 Prozent der Reparatur­betriebe einen Antrag auf Herabsetzung der Steuervorauszahlungen und 33 Prozent einen Antrag auf Erstattung der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung gestellt.

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Dr. Arnd Böhmer von der Kanzlei Voigt erklärt, wie Werkstätten in Corona-Zeiten zu ihrem Geld kommen.

Soforthilfe- und Kreditprogramme in Corona-Zeiten

Die Studie bildet zwar nur einen Bruchteil des Markts ab, ihre Ergebnisse lassen sich aber auf den Gesamtmarkt übertragen. Zudem zeigen sie, dass die Folgen der Einschränkungen sowohl die Privatwirtschaft als auch die öffentlichen Haushalte massiv treffen und treffen werden. Die Soforthilfe- und Kreditprogramme sind daher zu begrüßen. Dies gilt auch für den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld oder die vorübergehende Aussetzung der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht (§ 15a InSO) nach § 1 COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG). Der damit verbundene Schutz vor Insolvenzanträgen durch Gläubiger zählt ebenfalls dazu. Ob diese Maßnahmen tatsächlich einen Beitrag zur Lösung leisten oder die Probleme lediglich auf die Zukunft verschieben, wird sich erst noch zeigen.

Es war jedoch ein wichtiges und überfälliges Signal, dass Kfz-Betriebe seit dem 20. April, wenn auch unter Auflagen, selbst dann wieder öffnen dürfen, wenn sie mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche aufweisen. In welchem Umfang dies auf den Appell der automotiven Spitzenverbände zurückzuführen ist und welchen Anteil die Erkenntnis darüber hat, dass die Verlängerung der Maßnahmen einen Anstieg möglicher Forderungen gegenüber Versicherern und der öffentlichen Hand zur Folge hätte, wird wohl im Dunkeln bleiben. Die von einer Schließungsanordnung betroffenen Betriebe sollten die mit einer Schließung verbundenen finanziellen Einbußen aber nicht kampflos hinnehmen. Sie sollten vielmehr prüfen, ob und welche Ansprüche gegenüber Versicherern oder der öffentlichen Hand bestehen könnten.

Voraussetzungen der Betriebsschließungsversicherung

Die Betriebsschließungsversicherung ist strukturell vergleichbar mit der Kaskoversicherung. Sie ist oft Bestandteil der Betriebsunterbrechungsversicherung. Was und wofür der Versicherer zu leisten hat, steht in den Bedingungen. Wer über eine Betriebsunterbrechungsversicherung verfügt, sollte daher prüfen, ob diese nur leisten muss, wenn der Betrieb infolge eines Schadensereignisses – zum Beispiel eines Brands – geschlossen wird, oder ob auch Betriebsunterbrechungen infolge von Infektionskrankheiten nach § 6 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) erfasst werden. Da ältere Bedingungen mitunter nur Versicherungsschutz für Krankheiten und Erreger gewähren, die in §§ 6 und 7 IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 erwähnt werden, ist nicht auszuschließen, dass ein Versicherer auf die Bedingungen verweist und Leistungen verweigert. Klein beigeben sollte man aber noch lange nicht.

Das IfSG wurde geschaffen, um unter anderem den Schutz der Bevölkerung vor Infektionskrankheiten zu verbessern und um schneller und zielgerichtet Bekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können (Bundestagsdrucksache BT 14/2530 vom 19.01.2000). Zudem ist die Liste der Krankheitserreger der Erläuterung zu § 7 IfSG zufolge gerade nicht abschließend und erfasst auch neue sowie nicht aufgeführte Krankheitserreger.

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Der Covid-19-Virus hat die Branche fest im Griff.

Vorsicht bei „Kulanzangeboten“ der Versicherer

Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher und verständiger Versicherungsnehmer versteht und verstehen darf. Was ein Versicherer mit Verklausulierungen bezwecken will, ist ziemlich egal. Für einen verständigen Versicherungsnehmer ist es von den Folgen her schließlich egal, ob eine Behörde die Schließung anordnet oder „nur“ die Öffnung untersagt. Dies ist auch den Versicherern bewusst. Da die Auswirkungen von Covid-19 indes aber eine versicherungsnehmerfreundliche Rechtsprechung nahelegen, lehnen manche Unternehmen die Leistungen nun nicht mehr komplett ab, sondern unterbreiten ihren Versicherungsnehmern „Kulanzangebote“.

Von der ungeprüften Annahme derartiger Angebote ist dringend abzuraten. Wer ein solches Angebot annimmt, erklärt sich für jetzt und alle Zeit aus diesem Schaden heraus für abgefunden. Die Durchsetzung weiterer Ansprüche ist selbst dann verbaut, wenn sie an und für sich bestehen würden. Wer ein derartiges Angebot erhält, sollte es daher besser durch einen versierten Anwalt prüfen lassen, bevor er möglicherweise vorschnell Ansprüche verschenkt.

Bei Kompensationsangeboten ist Vorsicht geboten

Das gilt auch für die sogenannte bayerische Lösung. Das Wirtschaftsministerium Bayerns hat mit einigen Versicherern vereinbart, dass sie ihren Kunden 15 Prozent der Versicherungssumme anbieten, selbst wenn nach Auffassung der Versicherer kein Versicherungsschutz bestehen sollte. Auf diese Weise sollen Betriebe, die Bewilligung staatlicher Hilfsmaßnahmen ­vorausgesetzt, auf eine Kompensationsquote von 80 bis 85 Prozent kommen. Garantiert ist dies jedoch nicht. Zumindest kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass Ansprüche aus Betriebsschließungsversicherungen auf staatliche Maßnahmen, besonders das Kurzarbeitergeld, anzurechnen sind. Dem Betrieb wäre damit wenig geholfen.

Die Voraussetzung für Entschädigungen nach dem IfSG sind in § 56 und in § 65 geregelt. Gemäß § 56 IfSG besteht Anspruch dann, wenn ein Arbeitnehmer oder der im Betrieb tätige Inhaber als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern Tätigkeitsverboten unterliegt.

Ansprüche aus § 65 IfSG kommen dann in Betracht, wenn die Maßnahme der Behörde ihre Ermächtigungsgrund­lage in §§ 16, 17 IfSG hat. Die Krux besteht aktuell aber darin, dass Behörden sich im Regelfall nicht auf §§ 16, 17 IfSG, sondern auf § 28 IfSG als Grundlage für die Schließungsanordnung berufen haben. Ein Grund zum Aufgeben ist aber auch das nicht. Ansprüche können durchaus aus der Anwendung von § 56 IfSG analog gegeben sein, und der Verfasser sieht auch einen Anspruch aus § 65 IfSG als gegeben an. Schließlich folgt die Maßnahme der Behörde aus § 16 IfSG und nicht aus § 28 IfSG. Ob und welche Ansprüche bestehen, kann aber nicht pauschal beantwortet werden, sondern bedarf der Prüfung im Einzelfall.

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