Arbeitszeiten Arbeitgeber stürzt Familie in finanziellen Ruin

Geld Geldbeutel Foto: AA

Ein Lkw-Fahrer beklagt sich über zu lange Arbeitszeiten, wird daraufhin fristgerecht gekündigt, bekommt aber den letzten Lohn nicht mehr. Eine Familie steht vor dem Ruin.

Die E-Mail von Roland Wülferstedt* aus Berlin mit einem dreiseitigen Brief als Anhang an die Redaktion FERNFAHRER hat den Betreff: "Arbeitgeber stürzt vierköpfige Familie in den finanziellen Ruin". Darin schildert der 51-jährige langjährige Lkw-Fahrer und Vater zweier schulpflichtiger Töchter die dunkle Seite des deutschen Transportgewerbes – hier aus dem Raum Berlin/Brandenburg, wo noch Bruttomonatslöhne von 1.800 bis 2.000 Euro bezahlt werden, was es kaum ermöglicht, finanzielle Reserven zu bilden. Im April 2018 hat Wülferstedt eine neue Stelle bei einem Transportunternehmen mit rund 15 Lkw an zwei Standorten angenommen.

Arbeitgeber sitzen am Geldhebel

Er schildert, dass die Versprechen von geregelten Arbeitsbedingungen, 13 Stunden "Schicht" bei 11 Stunden Ruhezeit von Montag bis Freitag beim Einstellungsgespräch knapp einen Monat hielten. Dann wurden es immer öfter 15 Stunden "Schicht" bei 9 Stunden Ruhezeit. Es kommt zu Auseinandersetzungen mit der Disposition und dann, im Juni, laut Wülferstedt zu einer total aus dem Ruder gelaufenen Tour und zum Eklat. Wülferstedt schrieb der Dispo, sollte es zu keiner Einigung kommen, würde er den Lkw beim Kunden stehen lassen und nach Hause gehen. Dazu kam es nicht, aber die wenigen Stunden Ruhezeit, der Dauerstress, ein laut Wülferstedt "Schrotthaufen" als Lkw führten dazu, dass er den Lkw auf dem Hof abstellte. Dort musste er auf Anforderung der Firma seine Karte auslesen. Er ließ sich dann, glaubhaft am Ende seiner Kräfte, am 11. Juni krankschreiben. Am 22. Juni erhielt er, unter Einhaltung der gesetzlichen Frist, die Kündigung. Sein Gehalt für Mai 2018 bekam er jedoch nicht wie vertraglich vereinbart am 15. Juni, sondern erst zum 28. Juni. Offen war bei Redaktionsschluss noch das Gehalt inklusive Spesen für den Monat Juni 2018. Eine neue Stelle im Stadtverkehr in Berlin konnte er erst zum 1. August antreten. Schnell war der Dispokredit aufgebraucht, einen Überbrückungskredit anderer Banken gab es nicht, die Familie hatte keine Reserven. Eltern, die helfen könnten, sind verstorben. er musste die kleine Lebensversicherung auflösen, um über die Runden zu kommen.

Immerhin: "Bei einer Monatsmiete Rückstand passiert noch nichts", sagt Harry Binhammer. "Erst bei zwei Monaten Ausstand kann der Vermieter fristlos kündigen. Jedoch empfiehlt sich ein Gespräch mit dem Vermieter, da sonst eine mietrechtliche Abmahnung droht. Auch die Bank lässt sich in solchen Situationen oftmals auf einen Aufschub ein. Die Arbeitgeber sitzen allerdings in der Tat am ‚Geldhebel‘ und nutzen das oftmals – auch widerrechtlich – als Druckmittel." in so einem Fall, rät Binhammer, sollte der Fahrer dem Arbeitgeber Druck machen: eine Zahlungsfrist setzen, Schadensersatz androhen und eine Anzeige wegen Arbeitszeitverstoßes ankündigen. Einen Anwalt hat Wülferstedt nun eingeschaltet. Laut Paragraf 288 BGB gibt es bei Verzug des Schuldners allerdings lediglich einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro "Gerichtliche Hilfe wäre möglich", erklärt Binhammer. "Die Notlage, die eine einstweilige Verfügung erfordert, liegt wohl vor. Aber auch diese Maßnahme dauert in der Regel ein bis zwei Wochen." Das Landesarbeitsgericht Köln hat zwar darauf hingewiesen, dass eine einstweilige Verfügung – gerichtet auf die Auszahlung von Lohnansprüchen – nur unter ganz strengen Voraussetzungen zulässig sei. Es gab allerdings durchaus Fälle, in denen ein Arbeitgeber zu Schadensersatz verurteilt wurde, weil der Arbeitnehmer seinen Lohn zu Unrecht nicht bekam und deswegen letztlich sein Haus zwangsversteigert wurde. Binhammer verweist diesbezüglich auf ein Urteil des LAG Mainz vom 24.09.2015, Az.: 2 Sa 555/14.

Harry Binhammer Foto: Harry Binhammer.
Harry Binhammer.

Zur Person

Rechtsanwalt Harry Binhammer ist seit 1997 Anwalt und seit 2007 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Seit 2009 ist Rechtsanwalt Pfitzenmaier immer wieder mit redaktionellen Artikeln im "Fernfahrer" vertreten, in denen aktuelle Entwicklungen der Rechtsprechung beleuchtet werden.

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FF 10 2018 Titel
FERNFAHRER 10 / 2018
8. September 2018
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