Reaktionen auf Leipziger Fahrverbots-Urteil Busbranche sieht sich als Teil der Lösung

Feinstaubwarnung Foto: Karl-Heinz Augustin

Die Busbranche reagiert verhalten auf das Diesel-Urteil aus Leipzig – und verweist auf das Sofort-Programm der Bundesregierung. Das umfasst sowohl die Förderung von Elektrobussen als auch die Nachrüstung mit SCR-Systemen. Beides wird jetzt geregelt.

Die deutschen Busverbände reagieren verhalten auf das Diesel-Urteil des Leipziger Verwaltungsgerichts. Sollten Fahrverbote in den Städten verhängt werden, spricht das Gerichtsurteil von gezielten Ausnahmeregelungen, die mit Sicherheit auch für Stadtbusse anzuwenden sind. Insgesamt sehen die Verbände den Bus klar im Vorteil und als Teil der Lösung der Probleme.

VDV: Schlüsselrolle des ÖPNV wurde erkannt

Der Verband der Verkehrsunternehmen (VDV) bezieht sich auf "die wegweisenden Festlegungen im Koalitionsvertrag und die Diskussion um den steuerfinanzierten ‚kostenlosen‘ ÖPNV", die genauso wie das gestrige Urteil zu den Fahrverboten deutlich machten: "Alle Akteure haben die Schlüsselrolle der öffentlichen Verkehrsunternehmen für Klimaschutz und Luftreinhaltung in den Städten erkannt und zum Thema gemacht." Man müsse jetzt schnell die richtigen Maßnahmen für eine Verkehrswende und gegen Fahrverbote umsetzen. Die notwendigen Schritte dafür hätte der VDV der Bundesregierung kürzlich in einem Sofortprogramm vorgeschlagen:
 
"Für Luftreinhaltung und Klimaschutz müssen die Systeme des ÖPNV umfangreich erneuert und ausgebaut werden." Das bedeute, es gehe zunächst um den Kapazitätsausbau: Strecken, Haltestellen, Technik, Fahrzeuge, Personal. Das funktioniere aber nur mit Hilfe einer ausreichenden öffentlichen Finanzierung. "Ein gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem kostet viel Geld, aber es ist wertvoll für alle – denn schließlich geht es um den Klimaschutz und um die Gesundheit der Menschen in den Städten."

Das VDV-Sofortprogramm setzt vor allem auf Euro 6-Anschaffungen, Elektrobusse und SCR-Nachrüstung: "Zusammen mit der Nachrüstung älterer Dieselbusse, der E‐Bus‐Einführung – die bekanntlich nicht "über Nacht" erfolgen kann – ist der Einsatz der schadstoffarmen Diesel-Euro-6‐Busse das geeignetste Mittel, um kurzfristig zusätzliche ÖPNV‐Angebote zu realisieren. Im ersten Schritt sollten 1.000 Euro‐6‐Busse beschafft werden, um die Emissionen bei Linienbussen auf den am stärksten belasteten innerstädtischen Hauptachsen zu senken."

Auch die Bundesregierung und die beteiligten Bundesländer und Kommunen haben sich am 28. November 2017 auf Eckpunkte eines "Sofortprogramm Saubere Luft 2017-2020" geeinigt, zu dem auch mit hoher Priorität die Elektrifizierung und SCR-Nachrüstung der ÖPNV-Busflotten gehört. Im Grunde plädiert der Verband also für den ÖPNV-Ansatz der Bundesregierung gegenüber Brüssel, preist diesen aber sofort adäquat ein.

bdo: Busse müssen von Fahrverboten ausgenommen werden

Nicht ganz so glücklich klingt der Bundesverband Deutscher Busunternehmer (bdo), sind Ausnahmeregelungen gerade für private Reisebusse in den Innenstädten doch wesentlich unwahrscheinlicher als solche für den ÖPNV. Präsident Karl Hülsmann weist denn auch auf die Vorteile des Busses in Sachen Umweltschutz hin: "Busse tragen als öffentliches Verkehrsmittel entscheidend dazu bei, die Zahl der Pkw – und damit auch die Menge der Abgase – in den Innenstädten zu reduzieren." Der bdo weist darauf hin, dass lediglich vier Prozent der Stickoxid-Emissionen auf Busse zurückzuführen seien, in der Gesamtbilanz ist der Verkehr zu rund 70 Prozent für die Stickoxidbelastung in den Städten verantwortlich. "Busse sind daher mit Blick auf die Abgasbelastung durch den Verkehrssektor eben gerade nicht Teil des Problems, sondern ausdrücklich Teil der Lösung." Hülsmann appelliert daher an Entscheidungsträger, die wichtige Rolle des öffentlichen Verkehrs mit Bussen anzuerkennen und sie von etwaigen Fahrverboten auszunehmen. "Wir brauchen jetzt eine Stärkung des Busverkehrs. Insbesondere ein Ausbau der Angebote für Pendler im weiteren Umfeld von Städten ist wichtig, da mit diesen Berufstätige in die Lage versetzt werden, nicht mehr mit ihrem Privatwagen ins Zentrum fahren zu müssen."

Elektrobusförderung greift nur für große Stückzahlen

Auch bei der Förderung der Elektromobilität sieht der bdo die Privaten benachteiligt, wenn es um die Förderrichtlinien geht. Der Verband hat daher mit einem Ruf nach Nachbesserung auf eine aktuell veröffentlichte Förderrichtlinie der Bundesregierung zur Anschaffung von Elektrobussen reagiert. "Die neue Richtlinie erhielt zwar, wie das Bundesumweltministerium kurz zuvor mitgeteilt hatte, die notwendige Zustimmung der EU-Kommission und sieht nun eine Übernahme von bis zu 80 Prozent der Investitionsmehrkosten vor. Dies greift jedoch nur, wenn fünf oder mehr Fahrzeuge angeschafft werden. Diese festgeschriebene Mindestabnahme überfordert die gut 4.000 kleinen und mittleren Busunternehmen in Deutschland, die einen Großteil der Fahrzeuge auf den Straßen betreiben." Von den gut 75.000 Bussen hierzulande werden mehr als 42.000 von privaten mittelständischen Unternehmen eingesetzt. "Aufgrund ihrer Betriebsgröße können diese Betriebe die geforderte Mindestabnahme nicht stemmen. Die vorgesehene Möglichkeit der Bildung von Bietergemeinschaften existiert letztlich nur auf dem Papier, da sich in der Praxis kaum zu überwindende Hürden schon bei der Antragstellung auftürmen." Solche Beschaffungsgemeinschaften haben die großen Verkehrsunternehmen wie Hamburger Hochbahn, BVG oder die Unternehmen im Ruhrgebiet bereits gebildet. Hülsmann weiter: "In der Realität geht die Förderrichtlinie damit am Großteil der Busunternehmen in Deutschland vorbei und der Effekt der Förderung bleibt folglich weit hinter den Möglichkeiten für den Schutz der Gesundheit und der Luft zurück." Derzeit prüft der bdo denn auch ganz konkret, das Thema bei der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission anhängig zu machen. Es sei schlicht nicht verständlich, dass beim Kauf von sechs Bussen das Bundesumweltministerium bis zu 80 Prozent der Mehrkosten fördere (bei Solobussen wären das rund 500.000 Euro; Anm. d. Red.), bei vier Bussen jedoch nur 40 Prozent vom Verkehrsministerium (analog ca. 160.000 Euro; Anm. d. Red.), so rechnet man beimVerband vor.

Naturgemäß klingt das beim VDV etwas anders, hier zeigt man sich über das Prozedere zufrieden, kritisiert aber die finanzielle Ausstattung. Präsident Jürgen Fenske sagt dazu: "Eine Förderung von Elektrobussen ist ein wichtiger Baustein, um den ÖPNV in den Städten mittelfristig noch umweltfreundlicher zu gestalten. Aber der Einsatz von Elektrobussen erfolgt nicht über Nacht, dazu braucht es weitere Verbesserungen an den Fahrzeugen und vor allem die nötigen Investitionen in die Ladeinfrastruktur auf den Betriebshöfen und in den Werkstätten. Mit Blick auf die akuten Herausforderungen der Kommunen in Sachen Luftreinhaltung braucht der ÖPNV deshalb zunächst ausreichende Kapazitäten, um seine Angebote kurzfristig erweitern zu können. Und dazu gehört auch der moderne, emissionsarme Diesel Euro-6-Bus, den man deshalb bei der weiteren Förderung nicht vergessen darf. Denn diese Fahrzeuge sind auch kurzfristig in entsprechender Stückzahl am Markt erhältlich und sofort einsatzfähig."

Hersteller mauern weiter bei jetzt möglicher SCR-Nachrüstung

Städte wie Paderborn, Aachen und Berlin haben bereits damit begonnen, ihre Flotten von Bussen mit niedriger Euro Norm 3 bis 5 nachzurüsten, mehrere Hersteller haben hochwirksameSysteme im Angebot, die die Stickoxide um über 90 Prozent reduzieren. Die Mehrkosten von rund 20.000 Euro belaufen sich auf einen Bruchteil der Investitionen für Elektrobusse, die es von deutschen Herstellern derzeit zudem nicht serienreif gibt - auch wenn Daimler mit der Vorstellung seines Elektrobusses Mitte des Jahres den Anfang macht. Professor Ralph Pütz hat die Tests der Systeme mit seinem privaten belicon-Institut begleitet und auch Elektrobusse und deren Verbrauch vermessen. Er war auch Teil der Expertenrunde, die an der Nachrüstrichtlinie für Busse gearbeitet haben. Nach Auskunft des BMVI wird diese im März veröffentlicht.

Die Hersteller mauern bei der Nachrüstung derweil weiter. Gerade MAN ist von der Thematik besonders betroffen, haben die Münchener doch bis hinauf zur Euro 5 Norm und dem freiwilligen Standard EEV ohne SCR-System mit einem offenen Filtersystem und Abgasrückführung gearbeitet ("MAN Pure Diesel"). Hardware-Nachrüstungen mit SCR-Systemen sehe man aber immer noch nicht als "sinnvoll" an, so eine Sprecherin. Auch Daimler sieht vor allem die Produkthaftung als Problem an, immerhin prüft man seit 2017 die Nachrüstung im eigenen Servicenetzwerk. Bisher ohne Ergebnis. Das könnte sich nun aber schnell ändern.

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