Radarfallen Keine Gleichbehandlung im Unrecht

Foto: Jan Bergrath 2 Bilder

Fest installierte Radarfallen auf der Rader Hochbrücke verärgern derzeit die deutschen Transportunternehmen im Dänemarkverkehr. Sie beklagen Wettbewerbsnachteile bei der Ahnung von Verstößen.

Deutschland hat ein massives Brückenproblem. Viele der in den 70er-Jahren errichteten Bauwerke sind marode und müssen renoviert werden. Bestes Beispiel ist die Brücke der   A1 über den Rhein bei Leverkusen. Bis zu einem für die nahe Zukunft geplanten Neubau ist sie für Lkw über 3,5 Tonnen komplett gesperrt. Immerhin: Nun hat der zuständige Landesbetrieb Straßen.NRW bei der Kölner Bezirksregierung die Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens beantragt, 2017 soll mit dem Neubau begonnen werden. Mit der Fertigstellung wird allerdings nicht vor 2020 zu rechnen sein – wenn zur Abwechslung bei einem großen deutschen Bauvorhaben mal alles nach Plan läuft. Vor allem die deutsche Logistikbranche hat sich offenbar auf die regelmäßigen Behinderungen schnell eingestellt, sie versucht, den Engpass weiträumig zu umfahren und die Lkw umzuleiten. Das führt allerdings besonders in den frühen Morgenstunden, wenn die Lkw aus dem Norden auf den Berufsverkehr des Kölner Autobahnrings trifft, zu langen Staus – und erheblichen Problemen mit den Lenk- und Ruhezeiten, wenn die Lkw-Fahrer im sechs, manchmal sogar zehn Kilometer langen Stau vor dem Leverkusener Kreuz stehen. Über diese Problematik habe ich bereits ausführlich berichtete.

Blitzerstreit auf der Rader Hochbrücke

Nun gibt es neuen Ärger mit einer alten Bücke – der Rader Hochbrücke, mit der die A 7 hoch im Norden über den Nord-Ostsee-Kanal geführt wird. Sie ist nach langer Sperrung nun für den Verkehr wieder freigegeben. (Hier findet Ihr einen Artikel dazu.)

Doch jetzt droht bereits neuer Zwist, wie Thomas Rackow, der Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Logistik Schleswig-Holstein, in einer Pressemitteilung beklagt. Es geht um die Ungleichbehandlung der Halter und Fahrer der Lkw, die nun auf der Brücke geblitzt werden, wenn sie dort schneller als 60 km/h sind. Darin heißt es: Nach den Aussagen eines Sprechers aus dem Wirtschaftsministerium werden ausländische Fahrer, die sich auf der Rader Hochbrücke nicht an die vorgeschriebene Geschwindigkeit halten, zwar geblitzt, aber deren Vergehen nicht geahndet. "Das ist eine Ungerechtigkeit gegenüber dem deutschen Pkw- und Lkw-Fahrer und erinnert stark an ausländische Diplomaten, die in Deutschland Immunität genießen", laute Rackows markante Klage. Und wie aus den aktuellen lokalen Nachrichten zu erfahren ist, stimmt diese These wohl sogar. "Die Dänen rasen ungestraft", schreibt etwa das Flensburger Tageblatt. Mehr als 10.000 Fahrzeuge wurden im ersten Monat auf der maroden Brücke über den Nord-Ostsee-Kanal geblitzt – nur die Hälfte aber wurde dafür auch belangt. Häufigster Grund: "Bußgelder können wegen fehlender Regelungen nicht eingetrieben werden, etwa in Dänemark", erklärt Ulrich Baschke vom Landespolizeiamt. Zudem werden Forderungen unter 70 Euro prinzipiell nicht eingefordert. So kommen viele ausländische Lkw-Fahrer ungeschoren davon. (Hier ein Artikel von shz.de)

Ganz überraschend sind die Zahlen für das Verkehrsministerium in Kiel nicht, heißt es in der SHZ weiter. "Es war von Anfang an klar, dass wir nicht jeden, der auf der Brücke zu schnell fährt, zur Kasse bitten können", sagt Harald Haase, Sprecher von Minister Reinhard Meyer (SPD). "Wir können ja keine Nagelbretter auslegen, um jeden zu stoppen." Spediteur Mogens Therkelsen aus Padborg gibt dem Ministerium eine Mitschuld: Wenn öffentlich kommuniziert werde, dass es keine Handhabe gegen Ausländer gibt, liege es nahe, dass sich Fahrer von den Kontrollen nicht abhalten lassen.

Deutsche Fahrer können sich nicht herausreden

Mittlerweile vertritt der Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, einer unserer Experten bei "Fernfahrer hilft", auch die ersten deutschen Fahrer, die auf der Brücke geblitzt wurden. Die rechtliche Lage ist eindeutig: "Auch wenn der gesunde Menschenverstand sagt, dass doch auch die deutschen Fahrer ohne Geldbuße davonkommen müssten, wenn die ausländischen Temposünder nicht geahndet werden, besteht aus rechtlicher Sicht kein Anspruch auf Gleichbehandlung", so Pfitzenmaier. "Diesen Anspruch gibt es nämlich nicht, wenn es auf eine Gleichbehandlung im Unrecht hinauslaufen würde. Das heißt, es könnte zwar vom Staat, sofern dies rechtlich durchsetzbar wäre, gefordert werden, die ausländischen Fahrer genauso zu bestrafen wie die deutschen, umgekehrt kann sich der deutsche Fahrer aber nicht darauf berufen, dass die ausländischen Kollegen auch ungestraft davonkommen. Umso mehr wäre hier eine politische Lösung angezeigt." Im Rahmen der Anhörungen will er nun dennoch für seinen Mandanten Einspruch erheben.

Grelles Schlaglicht auf die Entwicklung in Europa

Allerdings wirft die Posse um die Protokolle auch ein weiteres Schlaglicht auf die schlimme Entwicklung im europäischen Gütertransport: Denn die Dänen haben, nachdem sie über viele Jahre deutsche Fahrer zu billigeren als den heimischen Löhnen beschäftigt haben, nun auch die MOE-Länder für ihren eigenen Wettbewerbsvorteil entdeckt. Neulich war ich an einem Samstag auf dem alten Zollhof und habe mit Schrecken gesehen, dass auch dort die Fahrer aus diesen Ländern unter widrigen Umständen campieren müssen. Dänische Trailer werden von Zugmaschinen aus den MOE-Staaten gezogen. Oder die Fahrer aus Rumänien und Bulgarien arbeiten gleich zu Hungerlöhnen bei dänischen Transporteuren. Diesem Thema werde ich mich demnächst im FERFAHRER widmen.

Für die deutschen Fahrer hat der Kollege Horst Fritzsche, der mehrmals wöchentlich über die Rader Hochbrücke fährt, einen einfachen Tipp. "Einfach an die Begrenzung halten, sie ist ja schließlich ausgeschildert", so Fritzsche. "Die Radargeräte mussten extra für die vielen unvernünftigen Kollegen aus allen Ländern aufgestellt werden. Mit dem dafür investierten Geld hätte man auch Parkplätze für uns bauen können. Was ich aber total gewagt finde, ist, dass der Fertigstellungstermin einer neuen Brücke exakt auf die errechnete Haltbarkeit der jetzigen Brücke abgestimmt ist. Und weil sich bei jedem errechneten Verkehrsaufkommen bisher die Zahlen nach oben berichtigt werden mussten, sehe ich eine Zunahme der Verkehrsprobleme bis zum Ende der Laufzeit der Brücke. Eventuell sogar eine vollständige Sperrung, bevor die neue Brücke betriebsbereit ist."

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsanwalt Matthias Pfitzenmaier Matthias Pfitzenmaier Fachanwalt für Verkehrsrecht
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