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Protokoll Irrfahrt nach Russland

Extra Internationale Transporte, Michael Oeser, Asien Foto: Oeser

Michael Oeser von der Firma Extra Internationale Transporte hat sich auf Spezialtransporte spezialisiert. In einem beschreibt er die Tücken einer Lieferung nach Russland und wieder zurück.
Welchen weiteren Herausforderungen sich Michael Oeser sonst noch stellt, lesen Sie hier.

Protokoll einer Irrfahrt nach Russland und zurück
von Michael Oeser, Extra Internationale Transporte
 
Tag 1
07:30 Uhr:
Übernahme der Ladung bei meinem Auftraggeber in Langenhagen: Geräte zum Messen von Erschütterungswellen für das Volkswagen-Werk Russland/Kaluga.
Transport wird unter Carnet ATA durchgeführt. (Temporäre Aus-und Einfuhr)
 
10:00 Uhr:
Zollabfertigung in Helmstedt. Der Zöllner fertigt offenkundig häufiger Carnet TIR als ATA ab. Er muss im Musterordner nachschauen. Trotzdem dauert es nur 30 Minuten.
 
Tag 2
 
19:00 Uhr:
Ankunft Grenze LV-Terehova zu Russland. Die ersten Lkw-Staus bereits 59 Kilometer vor der Grenze. Mit meinem kleinen Fahrzeug fahre ich vorbei bis fast zum Schlagbaum. Dem Fahrer, vor dem ich mich in der dann nur noch kleinen Schlange einreihe, gebe ich zehn Euro. In der Lkw-Schlange stehen cirka 2.000 Fahrzeuge. Wartezeit vor der Grenze: rund vier Tage.
 
Die Abfertigung meines Carnet ATA dauert etwa fünf Minuten. Ich Kann gar nicht glauben, dass der Zöllner abgestempelt hat und frage nach. Alles OK!
 
Auf russischer Seite sieht es anders aus. Ich reiche einem freien Zöllner meine Papiere. Er betrachtet sie und schaut sich dann nach einem Kollegen um, der von ATA schon einmal gehört hat. Es findet sich auch einer. Der macht mir dann auch schon die ersten Probleme.
 
Tag 3
 
23:00 Uhr
Es gibt zwei Probleme:
- Ich habe keine Vollmacht des Carnet-Inhabers
- Ich brauche eine Einladung von Volkswagen Kaluga.
 
Von einer nötigen Einladung hatte ich noch nicht gehört. Ich muss sie wohl beschaffen. Es ist noch nicht so spät in Deutschland. Also rufe ich meinen Auftraggeber übers Handy an und bitte um Zusendung der geforderten Schreiben. Es dauert auch nicht so lange. Ein Telefonat kündigt die Fax-Übertragung an.
 
Mit einem gewissen Murren erkennt der Zöllner die Dokumente in englisch und russisch geschriebenen Faxen an. Er legt meine Papiere erst einmal zur Seite und beschäftigt sich mit meinen vielen anderen Kollegen. Später, er hat sich meiner erbarmt, kommt ihm eine neue Idee. Ich soll in die Halle fahren. Dort soll die Ladung kontrolliert werden.
 
Ich fahre also dort hinein, soll die Plombe und anschließend die Kiste öffnen. Der Zöllner dort nimmt eine Material-Liste und hakt alle Geräte darauf ab. Außerdem macht er Stichproben bei den Seriennummern. Für diese Kontrolle wird ein vierseitiges Protokoll angefertigt. Nach der Rückkehr ins eigentlichen Zollbüro wird wieder ein Mangel festgestellt.
 
 
- Auf der Materialliste (übrigens in Deutsch und Russisch) fehlen einige Warennummern.
 
Dabei handelt es sich um Warennummern für ebenso wichtige wie teure Gegenstände: Kugelschreiber, Klebestreifen, Holzstäbchen, Fingerlinge, und so weiter.
 
Inzwischen war Schichtwechsel. Es ist eine Chance, einen flexibleren Zöllner zu erwischen. Andererseits muss man sich immer neu erklären. Da inzwischen morgens ist, kann ich mit Deutschland telefonieren und um Warennummern bitten. Doch leider werden nur einige Nummern genannt. Der neue Zöllner und der Chef bestimmen, es ist eine Messanlage nebst Zubehör.
 
Die Freude wärt nicht lange. Erstens hat der Zöllner mit der der Eingabe von 1.200 Artikeln eines anderen Carnet ATA in den Computer zu tun. Außerdem gibt er mir zu verstehen, dass es ein weiteres Problem gibt:
 
- Das Zollamt in Kaluga kann kein Carnet-ATA abfertigen.
 
Das geht nur in Moskau. Ich frage nach, ob es denn auch in Smolensk möglich sei. Das läge schließlich auf meiner Route nach Kaluga. Jawohl, das ist möglich. Aber dafür brauche ich eine neue Vollmacht meines Auftraggebers.
 
Kein Problem, die wurde vom Nachtdienst meines Auftraggebers ausgestellt und gefaxt. Doch leider nicht richtig. In Smolensk gibt es nämlich drei Zollämter. Die genaue Adresse müsse schon angegeben werden, heißt es.
 
Doch wie lautet die? Der Zollchef muss helfen. Ich frage ihn und er sucht
freundlicherweise das richtige Zollamt. Also die neue Info nach Deutschland gemeldet, mit der Bitte nach einer neuen Vollmacht.
 
Die kommt dann auch. „Mein“ Zöllner ist noch immer mit der Eingabe der 1.200 Artikel beschäftigt. Dabei sieht das Carnet ATA-Verfahren eigentlich vor, auf einfache Weise Waren für Ausstellungen, Berufsausrüstungen und so weiter hin und her zu senden.
 
Eine „Verarbeitung“ in Deklaration und Computer ist eigentlich erst dann vorgesehen, wenn etwas verkauft oder auch gestohlen wurde, also wenn Abgaben fällig werden. Die Russen gehen jedoch immer einen anderen Weg: Erst mal alles im Protokoll festhalten! Jetzt sind meine Papiere dran. Nach 29 Stunden Wartezeit kann ich die ungastliche Stätte verlassen.
 
Tag 4
 
02:00 Uhr:
Abfahrt von der Grenze LV/RU. Unterwegs genehmige ich mir drei Stunden Schlaf.
 
10:00 Uhr
Ankunft am Zoll in Smolensk. Ich lege meine Dokumente vor. Man beratschlagt sich. Überlegt, wer sich mit Carnet ATA-Verfahren auskennt und vertröstet mich auf später.
 
13:00 Uhr
Der Zöllner Dmitriy A. Kurchenkov tritt in mein Leben. Er studiert meine Papiere und ordnet eine Kontrolle an.
 
14:00 Uhr
Einfahrt in das Zoll-Lager. Vorher muss ich mich registrieren und bekomme einen Laufzettel. Im Lager werden meine Daten in den Computer eingegeben. Dann wird mir ein Platz zugewiesen. Ein anderer Zöllner kommt hinzu. Die Plombe am Auto
wird geöffnet, die Box ausgeladen und gewogen. Nächstes Problem:
 
-  Die Box wiegt nicht 60 Kilogramm wie angegeben, sondern nur 54,2.
 
Sämtliche Teile werden ausgeladen, auf die Waage gelegt und fotografiert. Manche Fotos werden wiederholt. Selbst alle Kleinteile wie Kugelschreiber, Holzstäbchen, Kleber, Fingerlinge, und Arbeitshandschuhe werden penibel fotografiert.
 
Besonders wird auf die Etiketten mit den Daten auf der Geräterückseite geachtet. Die Seriennummern werden mit den Daten auf den Gerätelisten verglichen. Und wieder wird ein Fehler entdeckt:
 
-  Die Seriennummern von zwei Messgeräten stimmen nicht mit der Geräteliste überein.
 
Nach der Kontrolle wird wieder ein Protokoll angefertigt.  Darin ist alles genau aufgeführt. Auch der Fehler mit den zwei falschen Seriennummern. Nach der Kontrolle muss das Fahrzeug auf einem Platz abgestellt werden, der mit Maschendraht gesichert ist.
 
Verschiedene Gespräche finden statt zwischen mir, dem Zöllner Dmitrij und Herrn Hlobucek von Volkswagen. Der Zoll in Kaluga solle eingeschaltet werden, um die Geräte per Deklaration von Smolensk nach Kaluga zu transportieren.
 
An diesem Tag gibt es dann nichts Neues mehr. Ich informiere meinen Auftraggeber in Deutschland und VW Kaluga. Es ist nach wie vor geplant, dass ich morgens nach Kaluga fahre.
 

Übersicht: Protokoll
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