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Pilotprojekt Fahrerhaus als Lernstube

Spedition Bode, Fahrerhaus, Fahrer Foto: de Jong

Obwohl noch nicht alle Daten ausgewertet sind, ist das Pilotprojekt Mobile Learning für Berufskraftfahrer gut verlaufen. "Bei allen, die daran teilgenommen haben, lässt sich ein sichtbarer Lernerfolg feststellen", sagt Prof. Dr. Claudia de Witt von der Forschungsgruppe Mobile Lear­ning an der Fernuniversität in Hagen.

Bereits 2009 sind die ersten Schritte in Richtung Testphase gemacht worden. Die Spedition Bode aus Reinfeld bei Hamburg hat nicht gezögert, bei dem Projekt mitzumachen. 27 Fahrer sind dazu mit kleinen mobilen Computern – sogenannten Netbooks – ausgestattet worden. Die Testphase startete im Juli 2011 und ist mit Beginn dieses Jahres zu Ende gegangen. Neun Probanden haben bisher eine Abschlussprüfung abgelegt und ein Zertifikat erhalten.

Da man bei null anfing, galt es zunächst, eine Software zu schreiben und Lernthemen zu entwickeln. Das Ganze sollte übersichtlich und einfach zu bedienen sein, denn etwa die Hälfte der Berufskraftfahrer hatten bis dahin kaum oder keine Erfahrung im Umgang mit dem Computer. Daher war ununterbrochen die Rückmeldung der Testkandidaten gefragt. "Wir haben die Ideen und Anregungen sofort umgesetzt", sagt de Witt.
Entstanden ist ein Kurssystem, das die drei Lernthemen "Gesund und fit im Beruf", "Sicherheit, Tipps und Tricks" sowie "Stress- und Konfliktmanagement" umfasst. Dahinter verbergen sich insgesamt 15 Kurse. Will der Fahrer lernen, loggt er sich mit seinem Kennwort auf der Lernplattform ein und gelangt auf seinen persönlichen Schreibtisch. Hier findet er die Kurse mit den entsprechenden Lerninhalten.

Bei Schwierigkeiten hilft ein Forum

"Der Einstieg in die Lernumgebung und die technische Hilfe ist ein Betreuungsforum, das die Fahrer nutzen können, wenn sie Schwierigkeiten haben, sich auf der Bedieneroberfläche zurechtzufinden oder überhaupt beim Benutzen des Computers", erläutert Sandro Mengel von der Forschungsgruppe Mobile Learning an der Fernuni in Hagen. Rechts am Rand eines Lernthemas befindet sich zudem eine Rubrik mit "Wussten Sie, dass …?"-Fragen, die den Fahrer inhaltlich weiter in den Themenbereichen unterstützt. So lernt er hier etwa, dass man, um eine Currywurst abzutrainieren, 90 Minuten joggen muss. In jedem Kurs befinden sich Materialien, die einen Wissens-Check – also Übungsaufgaben – beinhalten, der sich ständig wiederholen lässt. Hat ein Fahrer ein Lernthema absolviert, legt er eine Prüfung ab, die etwa 20 Minuten Zeit in Anspruch nimmt. Er kann sich aber bis zu einer Stunde Zeit für die Antworten nehmen.

Im Mittelpunkt jedes Lerncontainers steht ein Video

Zentrale Lehreinheit jedes Lerncontainers ist ein Video. Die Filme haben eine maximale Laufzeit von vier Minuten und pausieren ein- bis zweimal automatisch, um eine Auswahlfrage zu stellen. Der Film läuft nur dann weiter, wenn der Fahrer die Frage beantwortet hat. "Man muss interaktiv mitmachen", erklärt Mengel. Weiterhin finden die Lernenden unter dem Button "Bode-Journal" weiterführende Links zu Interessensportalen, die zusätzliche Informationen zum Thema bieten.

Ein zweites Forum behandelt Kursinhalte

Über ein zweites Forum werden die Fahrer bei den Kursinhalten betreut. Hier können sie Fragen stellen oder Wünsche äußern. Zwischendurch öffnet sich zudem auf dem Bildschirm ein Fenster, das abfragt, in welchem Lernbereich sich der Fahrer gerade befindet. Ergänzend zu den Videos sind sogenannte Podcasts hinterlegt. Sie umfassen Lerntexte mit Bildern im PDF-Format, bestehend aus maximal vier Folien, die besprochen werden. Die Idee dazu entstand gemeinsam mit Volker Dührkoop, Experte für Arbeitssicherheit und Brandschutz bei Dekra Automobil. Ein Podcast etwa befasst sich mit dem Thema Müdigkeit. Der Experte weist darauf hin, dass auch innerhalb der Lenkzeiten Müdigkeit auftreten kann. Er rät daher eine Pause einzulegen und sich zu bewegen. Jede Lerneinheit ist aus der Praxis für die Praxis. So dokumentieren beispielsweise Unfallbilder, was passieren kann, wenn man müde weiterfährt.

Videos sollten sich vor- und zurückspulen lassen

"Die Lernumgebung ist natürlich nicht von Anfang an perfekt", ergänzt de Witt. Die Fernuni Hagen hat daher zunächst einen Prototyp entwickelt und dann die Fahrer befragt, wie sie damit zurechtkommen. Über die sogenannte Think-Aloud-Methode haben die Pädagogen herausgefunden, dass die Videos zwar gut, aber noch besser wären, wenn man sie vor- und zurückspulen könnte, was mittlerweile geht. Auch andere Funktionalitäten wurden angepasst oder erweitert. Hauptkritik bei den Lerninhalten war, dass es zu viel Lerntext gab. "Für Berufskraftfahrer muss alles kurz und kompakt sein", erläutert die Lernexpertin.

Fahrer können von überalle Infos abrufen

Vorteil von Mobile Learning ist, dass die Fahrer überall Informationen abrufen können. Dabei sind sie weder von Lernorten noch -zeiten abhängig. So lässt sich das Netbook etwa beim Warten an Rampen einsetzen oder am Abend auf dem Rastplatz. Das Projekt ergab, dass die Fahrer hauptsächlich in der Fahrerkabine lernen, wo sie alleine sind. "Sie lernen aber nicht unbedingt alleine", sagt de Witt. Die Schüler können sich online per Chat oder Mail austauschen. Somit hat Mo­bile Learning auch eine soziale Komponente.

Fernuni Hagen wertet alle Nutzungsstatistiken aus

Wie geht’s weiter? Der Praxiseinsatz ist beendet, die Fernuni Hagen wird jetzt alle Nutzungsstatistiken auswerten. Spätestens im November soll es einen ausführlichen Abschlussbericht geben. Doch beurteilen die Beteiligten die Pilotphase bereits jetzt als Erfolg und längst nicht als abgeschlossen. "Wir würden das System gerne mit weiteren Speditionen erproben", sagt Michael Peters, Leiter des Bereiches "Lernen und elektronische Medien" am Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG). Gesucht werden daher weitere Speditionen, die das System testen wollen.

Bodo prüft, ob das System individuell einsetzbar ist

Auch die Spedition Bode bleibt weiter dran: Unternehmenschef Eckart Bode will nun prüfen, inwieweit sich das System für seine Spedition individualisieren lässt. Die Fahrer danken es ihm und loben einhellig: "Wir bei Bode sind sehr gut ausgebildet." Im Projekt haben sie viel Neues gelernt, aber auch längst verstaubtes Wissen wieder aufgefrischt

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