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Pieks für Fahrer und Unternehmer BGL wirbt für Impfpflicht

Foto: Matthias Rathmann

Der BGL macht sich für eine allgemeine Impfpflicht stark, Logistikunternehmer Karlhubert Dischinger ebenfalls. Der BGL wirbt ferner für bundeseinheitliche Regeln.

Angesichts der dramatischen Corona-Lage mehren sich die Stimmen, die schärfere Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie fordern. Nun geht auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in die Offensive. „Wir brauchen eine allgemeine Impfpflicht“, erklärt BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell. „Nur bei einer flächendeckenden Impfung können wir der Pandemie Herr werden“, sagt er. Mit Blick auf die Logistik heiße das, dass alle – vom Unternehmer, über den Disponenten bis zum Fahrer – ihren Beitrag leisten müssten. „Wir können nicht tatenlos zuschauen, dass die Todeszahlen weiter in die Höhe schnellen“, betont er.

Scholz will Weg für allgemeine Impfpflicht ebnen

Zuvor hatte sich schon der Handelsverband HDE in einem Brief an Noch-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine allgemeine Impfpflicht „mit klar definierten Ausnahmen“ stark gemacht. In einer am Donnerstag veröffentlichten Anzeige in den beiden Stuttgarter Zeitungen sprechen sich auch 60 namhafte Unternehmer aus Baden-Württemberg für eine Impfpflicht aus. Darunter ist auch Karlhubert Dischinger, Aufsichtsrat und Gesellschafter des Logistikdienstleisters karldischinger aus Ehrenkirchen, zugleich Präsident des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL). Inzwischen hat auch der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt, noch in diesem Monat ein Gesetzgebungsverfahren für eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg zu bringen.

Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) mahnt ebenfalls höhere Anstrengungen an – und sieht auch die Branche selbst gefordert. „Wir rufen deshalb unsere Mitgliedsunternehmen auf, ihre Belegschaften im Vorgriff auf eine mögliche gesetzliche Impfpflicht zu unterstützen und zu motivieren“, teilt er mit. „Um den Kreislauf immer neuer Coronawellen zu durchbrechen, braucht es zudem kreative Konzepte, indem zum Beispiel Impftermine für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für die Beschäftigten der beauftragten Transportdienstleister organisiert werden.“ Hierfür brauche es unbedingt noch mehr öffentlich zugängliche Impfangebote, die Impfinfrastruktur müsse wieder ausgebaut werden. Das DSLV-Ziel: „Gemeinsam die 5. Corona-Welle verhindern!“ Die Speditions- und Logistikbranche setze alles dran.

Der BGL begrüßt es, dass das Bundesarbeitsministerium nun präzisiert hat, dass Verkehrsmittel – konkret also der anliefernde Lkw – nicht als Arbeitsstätten im Sinne des Infektionsschutzgesetzes gelten. Damit ist es Transport- und Logistikunternehmen und Verladern nun möglich, etwas praxisgerechtere Regelungen an der Rampe finden. Denn die Umsetzung der neuen 3G-Regelungen am Arbeitsplatz habe einen erheblichen Aufwand und große Unsicherheiten ausgelöst.

Foto: Mario P. Rodrigues
BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt: Wir können nicht tatenlos zuschauen, dass die Todeszahlen weiter in die Höhe schnellen.

Manche Verlader seien dabei mit ihrem Hausrecht weit übers Ziel hinausgeschossen, kritisiert Engelhardt – was die Fahrer zu spüren bekommen und die Logistikketten weiter aus dem Takt gebracht hätten. Die führenden Branchenverbände forderten daher eine Kurskorrektur und wandten sich in einem Brandbrief an den geschäftsführenden Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Bei Umsetzung der 3G-Regeln würden nicht nur die Betriebe der Speditions-, Paket- und Logistikbranche selbst, sondern auch deren Kunden aus Industrie und Handel an Grenzen stoßen, wenn sie Betriebsstätten-fremdes Personal auf dem eigenen Betriebsgelände nach den 3G-Regeln erfassen, kontrollieren und gegebenenfalls nachtesten müssten“, erklärten AMÖ, BIEK, BGL, BWVL, DSLV und das Deutsche Verkehrsforum darin. „Vielen Fahrern, die bereits vor Verabschiedung und Inkrafttreten des Gesetzes ihre Fernverkehrstouren begonnen haben, stehen unterwegs keine Testmöglichkeiten zur Verfügung.“

Kontaktlose Zustellung in der Praxis kaum möglich

Doch auch die daraufhin erfolgte Klarstellung der Regeln für die Logistik löst laut BGL die Probleme nicht. Fahrer müssen bei der Einfahrt in ein fremdes Betriebsgelände weiterhin einen 3G-Nachweis mit sich führen – und ihr eigener Arbeitgeber hat das Mitführen zu prüfen, wie das Ministerium von Hubertus Heil (SPD) mitteilt. Davon können Unternehmen jedoch abweichen, wenn an der Rampe ein Kontakt zu anderen Personen ausgeschlossen und zum Beispiel durch Hygienepläne geregelt ist. Das sei zwar eine Erleichterung, räumt BGL-Vorstandssprecher Engelhardt ein. „Aber irgendwann muss der Fahrer aussteigen und tanken oder Papiere abgeben“, sagt er. „Die Fahrer können ihre Papiere nicht alle auf der Ladefläche bereithalten.“

VVRP-Chef Nagel: Herausforderungen im Fernverkehr

Das bestätigt der Verband des Verkehrsgewerbes Rheinhessen-Pfalz (VVRP). „Es ist ernüchternd, was wir in den vergangenen Tagen an den Rampen wahrgenommen haben", sagt VVRP-Geschäftsführer Heiko Nagel und stützt sich dabei auf die Berichte seiner Unternehmen. „Die gesetzlichen 3G-Anforderungen für den Arbeitsplatz stellen die Branche, vor allem den Fernverkehr, vor gewaltige Herausforderungen“, sagt er. „In unserer Branche gibt es einen sehr hohen Anteil an osteuropäischen Fahrern mit leider noch sehr niedriger Impfquote. Jetzt gibt es zwar eine Präzisierung seitens des Bundesarbeitsministeriums, dass unter bestimmten Anforderungen auf die 3G-Kontrolle verzichtet werden kann, doch wie soll ein physischer Kontakt an der Rampe ausgeschlossen werden, wo ja auch Papiere übergeben werden müssen?“, fragt Nagel.

Symposium Dischinger 2018 Pharmalogistik Foto: Thomas Küppers
Logistikunternehmer Karlhubert Dischinger gehört zu den Unterzeichnern einer Anzeige, in der 60 namhafte Unternehmer aus Baden-Württemberg für eine allgemeine Impfpflicht werben.

Der BGL pocht daher auf weitergehende und vor allem bundeseinheitliche Regeln, die dann von allen Akteuren in der Logistikkette akzeptiert werden. Er schlägt folgendes Vorgehen vor: Der Fahrer testet sich bei seinem Arbeitgeber. Der dafür qualifizierte Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Person überwacht das Ganze und stellt ihm einen 24 Stunden gültigen Negativtest aus, den auch die Entladestelle anerkennt. Für Fahrer im Fernverkehr, die nicht innerhalb von 24 Stunden zu ihrem Arbeitgeber zurückkehren, regt der BGL ein Alternativ-Szenario an ausgewählten SVG-Autohöfen an. Ist im Rahmen einer Tour auch kein Anfahren einer Raststätte mit zertifiziertem Test-Procedere möglich, greift für den BGL Variante drei: Fahrer treten in Kontakt mit ebenfalls zertifizierten Online-Ärzten und können ihren Negativtest über einen Nachweis auf dem Smartphone erbringen.

BGL: Lösungen, um die Branche mobil zu halten

„Wir brauchen Lösungen, um die Branche mobil zu halten“, betont Engelhardt. Er hält es für ärgerlich, dass die Branche selbst Lösungen suchen muss. „Wenn die Politik uns Vorgaben macht, wäre es eigentlich ihre Aufgabe, auch Lösungen anzubieten.“

Der BGL hebt lobend hervor, dass einige Verlader auch in der vierten Corona-Welle Fahrern Zugang zu Sozialräumen gewähren. „Das sind aber die positiven Ausnahmen“, bedauert Vorstandssprecher Engelhardt. Viele hätten aus den vergangenen Corona-Wellen wenig gelernt. „Sie behandeln die Fahrer weiterhin wie Aussätzige – im Wissen, dass sie dringend auf ihre Lieferung angewiesen sind“, berichtet der Verbandschef. In der Verladerschaft sei vielfach kein Umdenken erfolgt, weshalb sich Engelhardt für eine gesetzliche Regelung ausspricht, die Fahrern eine Nutzung von Sanitärräumen ermöglicht. „Als Privatperson verweigert man einem Handwerker doch auch nicht einen Schluck Wasser oder den Gang zur Toilette.“

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