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Nachtexpress Gute Preise für gute Dienste

Foto: Night Star Express

Night Star Express-Chef Matthias Hohmann über Fahrermangel, Digitalisierung und geplante Preiserhöhungen.

KEP aktuell: Herr Hohmann, die Branche leidet unter einem erheblichen Fahrermangel. Night Star Express auch?

Hohmann: Ja, wir auch. Da die Nachtexpressdienstleistung komplexer ist als die eines Paketdienstleisters müssen unsere Fahrer einfach mehr tun und sind nicht so leicht auswechselbar. Sie haben die Schlüsselverantwortung und wir müssen uns 100 Prozent auf sie verlassen können. Wir haben unsere Fahrer deshalb schon immer ein bisschen besser bezahlt, weil wir sie an uns binden wollen. Haben wir einen, der richtig gut ist, tun wir alles, um ihn zu halten. Das kommt uns heute zugute, aber trotzdem kämpfen auch wir um Personal. Wir tun uns sehr schwer, Touren neu zu vergeben und gute Leute zu bekommen, die wir wirklich brauchen.

Wie wollen Sie das lösen?

Wir überlegen, selbst auszubilden und möglicherweise zum Ausbildungsjahr 2019 damit zu starten. Der Prozess der Zustellung ist das Kernstück unseres Geschäftes. Da wird über Qualität entschieden. Legt der Fahrer die Sendung nicht am richtigen Ort ab, haben wir ein Problem. Wenn wir eigene Fahrer installieren, könnten die als Multiplikatoren tätig sein und neue Fahrer wesentlich besser einlernen, als das ein Dritter machen könnte. Wir haben bereits Supervisoren in der Halle, die als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und den Mitarbeitern und Fahrern Hilfestellung leisten und sämtliche Qualitätsfragen beantworten. Dieser qualitätsorientierte Weg würde somit nochmals unterstützt.

Trotzdem bleibt es wahrscheinlich problematisch, junge Leute zu finden, die sich in dem Bereich ausbilden lassen wollen. Könnten Fahrzeuge mit alternativen Antrieben eine neue Fahrerklientel ansprechen?

Grundsätzlich ist das Thema alternative Antriebe im Nacht­express schwierig, weil wir in der Regel weitere Strecken zurücklegen und die Reichweite der Fahrzeuge bislang dafür nicht ausgelegt ist. Auch Lastenräder funktionieren bei uns nicht. Wir haben mal Gasfahrzeuge getestet, im Sommer war alles prima. Aber sobald es kühler wurde, wollten die Jungs wieder ein anderes Auto. Wir sind grundsätzlich offen für das Thema, aber bei 25 Niederlassungen müssen die Fahrzeuge im Durchschnitt einen Radius von 300 km abdecken. Das funktioniert mit E-Fahrzeugen noch nicht, zumal Ladezeiten dazukommen. Insbesondere, da unsere Unternehmer bemüht sind, ihre Fahrzeuge Tag und Nacht einsetzen zu können.

Wie können Sie sonst an junge Menschen rankommen?

Die Generation, die nach uns kommt, tickt einfach anders, nicht besser oder schlechter, aber anders. Wir, die Generation 50 plus, müssen uns darauf einstellen, zumal es das Ergebnis unserer Erziehung ist und wir selbst irgendwann von der Bildfläche verschwinden. Der Austausch mit jungen Leuten kann sehr inspirierend sein. Sie haben viele gute Ideen und einen anderen Blickwinkel. Wir müssen ihnen zuhören und sie ranlassen, ansonsten gehen wir unter mit den alten Lösungen für Probleme, die wir selbst geschaffen haben. Trotzdem bleibt es schwer, diese jungen Menschen zu finden. Wir müssen noch einiges dafür tun, dass unsere Branche wieder sexy wird.

Aber eine richtige Antwort haben Sie nicht?

Wir müssen den modernen IT-getriebenen Teil mehr in den Fokus rücken. Heute ist ein Logistiker mehr IT-Unternehmer als Transporteur. Dieser Wandel ist in den Köpfen aber noch nicht verankert. Dazu kommt, dass die Logistikbranche als Ganzes noch immer meist negativ belegt ist. Wir müssen uns vor sie stellen und für sie werben. Wir müssen vermitteln, dass man auch als Fahrer stolz auf seine Arbeit sein kann und ihnen mehr Wertschätzung entgegenbringen. Hier kann jeder einzelne seinen Betrag leisten. Und um genau diese Imageaufpolierung geht es ja auch bei der jüngst vorgestellten und groß angelegten Kampagne „Logistikhelden“, initiiert durch „Die Wirtschaftsmacher“. Die Idee: An einer konzertierten Aktion beteiligen sich möglichst viele logistiknahe Verbände, Vereine, Medien und Unternehmen. Denn nur gemeinsam wird es zu schaffen sein, ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit zu erlangen und die dafür nötigen finanziellen Mittel, geplant ist eine 7-stellige Summe, zusammenzubekommen. Ich persönlich finde die Idee gut und auch wertvoll genug, sie zu unterstützen. Aber ob das ausreichen wird …

Vielen Menschen ist scheinbar nicht klar, dass alle von der Logistik profitieren, und viele wollen möglichst nichts dafür bezahlen. Sie haben nun angekündigt, Ihre Preise um 5,9 Prozent anzuheben. Höchste Zeit, oder?

Wir erhöhen die Preise jährlich, weil auch wir Kostentreibern ausgesetzt sind, die für steigende Produktionskosten sorgen. Hauptgrund sind die bereits deutlich gestiegenen Personalkosten sowie der immer enger werdende Fahrermarkt. Hier müssen wir mehr investieren. Das haben wir besprochen. Wir sind mittelständisch organisiert und haben keine Konzernmutter im Rücken. Wir können gar nicht mit Dumpingpreisen rausgehen. Zudem sind die Anforderungen an die Qualität der Dienstleistung in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Wir möchten und müssen unsere Fahrer leistungsgerecht vergüten, wenn wir unseren Kunden weiterhin eine „First Class“-Qualität bieten wollen. Aber es findet ein Umdenken in der Branche statt, dass gute Dienstleistungen adä­quat bezahlt werden sollten, und das ist gut so.

Im Nachtexpress gelingt die Zustellung immer beim ersten Versuch. Ihre Zustellfahrer legen die Sendungen an einem mit dem Kunden vereinbarten Platz ab. Haben die immer noch riesige Schlüsselbunde dabei oder öffnen sie Depots oder Kofferräume inzwischen elektronisch per App?

Ja, noch sind die Fahrer mit Schlüsseln ausgestattet. Aber es gibt bereits Projekte zur Kofferraumzustellung per App – das entwickelt sich. Das Schlüsselthema ist heikel, es geht ja auch um die Haftung. Wir können die Schlüssel ja nicht einfach markieren. Sollte ein Fahrer einen verlieren, lädt das natürlich Diebe ein. Auch wenn ein Aushilfsfahrer zum Einsatz kommt, muss der wissen, welcher Schlüssel zu welchem Kunden passt. Hier setzen wir inzwischen eine Technik ein, die ihn unterstützt. Für uns wäre das toll, wir könnten Kofferräume oder Depots via App und elektroni­schem Schlüssel öffnen. Die Herausforderung liegt nicht selten in der Elektrifizierung dieser Depots. In Innenstädten oder bei bestimmten Empfängern ist es vorstellbar, ohne Schlüssel Zugang zu bekommen. Viele Landwirte werden dafür wohl nicht extra eine neue Stromleitung verlegen lassen.

Dennoch ist die Digitalisierung auch bei Ihnen ein Thema. Was kann Ihre neue IT besser als die alte?

Für uns wird vieles transparenter. Wir sehen permanent, wo die Sendungen sind und wie die Touren gefahren werden. Die Touren lassen sich deutlich besser disponieren. Außerdem können wir den Fahrern zum Beispiel Nachrichten hinterlassen, welchen Schlüssel sie beim Kunden X benutzen müssen. Sie müssen kein Depotblatt mehr dabeihaben, denn man kann ihnen Informationen auf die Scanner schicken, wie es am Ablageort oder wie die Retoure aussieht und wo sie liegt. Das ist vor allem auch für Aushilfsfahrer nützlich. Damit können wir deutlich mehr für die Leute tun, die für uns unterwegs sind. Der neue Scanner ist dem Smartphone recht ähnlich und somit sind die Zusteller schnell damit vertraut.

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