Mobilitätspaket Bei regelmäßiger Heimkehr herrscht Uneinigkeit

08_FF_20 Foto: Jan Bergrath

Das Mobilitätspaket geht ab Herbst in die letzte Verhandlungsrunde, den Trilog. In Teil 2 unserer Serie geht es um die Pflicht der Fahrer zur Heimkehr nach spätestens vier Wochen. Drei Positionen stehen zur Debatte. Wer ist betroffen? Dürfen auch deutsche Fahrer jetzt erst nach vier Wochen heimkehren?

Die Europawahl ist gelaufen. Obwohl die Briten die EU eigentlich verlassen wollten, durften sie wegen ihres verzögerten Austritts doch noch einmal wählen – und entschieden sich mehrheitlich für eine EU-kritische Partei. Die bisherige absolute Parlamentsmehrheit der Konservativen (EVP) und der Sozialdemokraten (S & D) ist zwar dahin, sie bilden aber weiterhin die beiden stärksten Fraktionen. Deutliche Verluste fuhren auch die Linken ein. Zulegen konnten die Liberalen, die Rechtskonservativen sowie die Grünen, die in den bisherigen Abstimmungen zum Mobilitätspaket den Kampf gegen das Sozialdumping im europäischen Gütertransport unterstützten. Für die anstehenden Verhandlungen zum Mobilitätspaket im Trilog, der aus Vertretern der EU-Kommission, dem Rat der Verkehrsminister und den jeweiligen Ausschüssen des Europäischen Parlaments besteht, ergibt sich jetzt folgendes Problem: Zuerst muss sich das Parlament neu konstituieren, danach müssen die Ausschüsse neu besetzt werden. Spätestens im Oktober läuft auch die Amtszeit der bestehenden Kommission aus.

Kommission sieht die unflexibelste Regelung vor

Daraus ergibt sich ein bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht garantierter Zeitplan. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird Ismail Ertug (S & D) im Herbst unter der finnischen Ratspräsidentschaft mit der dann noch im Amt befindlichen Verkehrskommissarin Violeta Bulc versuchen, die bislang bei den drei Teilnehmern des Trilogs beschlossenen Positionen zu den neuen Gesetzestexten zu formulieren, die wiederum in der VO (EG) 561/2006 angesiedelt sind. Sollte das gelingen, müssen am Ende das neu gewählte Parlament und der Rat erneut abstimmen. Ausgangspunkt dieses sehr komplexen Verfahrens waren die Initiativvorschläge der Kommission Ende Mai 2017. Am Beispiel der geplanten Heimkehrpflicht für Lkw-Fahrer wollen wir in Teil 2 unserer Serie erklären, was die einzelnen Positionen für die Fahrer bedeuten – falls sie am Ende so kommen. Einigkeit zwischen den EU-Organen (Kommission, Rat und Parlament) besteht in dem Wunsch, den Fahrern in regelmäßigen Abständen einen mehr oder weniger langen Aufenthalt an deren Wohnort zu ermöglichen. Diese Regelung soll die vermehrt bei Fahrern aus (Süd-)Osteuropa zu beobachtende Praxis von teilweise monatelangen Einsätzen fernab der Heimat beenden.

Die angedachte Rückkehrpflicht ist eng verbunden mit der ebenso noch zu klärenden Frage des Bezugszeitraums der Wochenruhezeiten – gegenwärtig Doppelwochen, künftig gegebenenfalls Vier-Wochen-Zeiträume, in denen ein Mindestmaß an verkürzten und regelmäßigen Wochenruhezeiten eingelegt werden muss. Die Kommission sieht die unflexibelste Regelung vor. In Kombination mit einer möglichen Ausweitung des Bezugszeitraums für die Wochenruhezeiten auf vier zusammenhängende Wochen und der Möglichkeit, zwei verkürzte Wochenruhezeiten hintereinander einzulegen, könnte sich die Situation ergeben, dass der Fahrer jede Wochenruhezeit, die länger als 45 Stunden andauern muss, an seinem Wohnort zu verbringen hat (wegen des Drei-Wochen-Bezugszeitraums, siehe Kasten). Damit wäre bei einer Ausnutzung der maximal verfügbaren Lenk- und Arbeitszeiten das System 3 + 1, also drei Wochen Arbeit gefolgt von einer Woche Freizeit zu Hause, nahezu unausweichlich. Negativ für die Fahrer wäre bei einer Annahme des Kommissionsvorschlags, dass nicht eindeutig geregelt ist, wer die Kosten für die Heim- und Rückreise zu tragen hat – im Zweifel also der Fahrer selbst. Das Unternehmen wäre lediglich verpflichtet, die Arbeit so zu planen, dass der Fahrer in der Lage ist, an seinen Wohnort zu gelangen.

Götz Bopp Foto: Wolfgang Grube
Götz Bopp ist Experte der IHK Region Stuttgart.

Parlament stärkt die Position der Fahrer

Die Position des Rates ist teilweise eng an die Kommissionsposition angelehnt. Auch der Rat will statt der Doppelwoche den Vier-Wochen-Zeitraum einführen und zwei verkürzte Wochenruhezeiten hintereinander ermöglichen. Neben dem Wohnort des Fahrers bringt der Rat auch die Betriebsstätte(n) des Unternehmens als "Rückzugsort" ins Spiel. Da nicht klargestellt ist, wer entscheiden kann oder muss, wohin der Fahrer zurückkehrt, erscheint diese Regelung – auch weil ungeklärt ist, wer die Kosten zu tragen hat – für die Fahrer unvorteilhaft. Wie die Kommission verlangt der Rat, dass die auf zwei verkürzte Wochenruhezeiten hintereinander folgende Wochenruhezeit am Wohnort (oder einer Betriebsstätte) zu verbringen ist, was ebenso das System 3 + 1 bedingen könnte. Das Parlament stärkt die Position der Fahrer im Vergleich deutlich und streicht die Flexibilisierungsvorstöße in Sachen Bezugszeitraum, indem die bekannte Doppelwoche erhalten bliebe. Zwei verkürzte Wochenruhezeiten hintereinander wären nicht möglich. In jedem Vier-Wochen-Zeitraum müsste der Fahrer mindestens eine lange Wochenruhezeit am Wohnort oder einem vom Fahrer selbst bestimmten Ort verbringen. Zumindest die Heimreise zum Wohnort müsste zwingend vom Unternehmen bezahlt werden, die Anreise zur Wiederaufnahme der Tätigkeit könnte demnach aber auch nach den Vorstellungen des Parlaments auf die Fahrer abgewälzt werden.

Im Trilog wird also zu klären sein, in welchem Ausmaß die Rechte der Fahrer gestärkt werden. Die vorliegenden Positionen regeln die offenen Fragen nur teilweise und müssten noch umfassender und klarer formuliert sein, wenn das ursprünglich mit dem Mobilitätspaket propagierte Ziel, die sozialen Standards der Fahrer merklich zu verbessern, erreicht werden soll. Abschließend zur Klarstellung: In der Verordnung sollen die Mindeststandards geregelt werden. Niemand kann und soll davon abgehalten werden, häufiger, gern auch täglich, an seinen Wohnort zurückzukehren. Das betrifft vor allem hiesige Lkw-Fahrer, die nun befürchten, in Zukunft erst nach vier Wochen zur Familie, soweit vorhanden, zurückkehren zu dürfen. In der Praxis sind die allermeisten deutschen Fahrer in der Regel am Freitagabend daheim.

Position Kommission

„Ein Verkehrsunternehmen plant die Arbeit der Fahrer so, dass die Fahrer in der Lage sind, innerhalb jedes Zeitraums von drei aufeinanderfolgenden Wochen mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit am Wohnort zu verbringen.“

Position Rat

„Ein Verkehrsunternehmen plant die Arbeit der Fahrer so, dass die Fahrer in der Lage sind, [...] innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zu einer der Betriebsstätten im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnort zurückzukehren, um dort mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen. Hat der Fahrer jedoch zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten eingelegt, ohne zurückzukehren, muss das Verkehrsunternehmen die Arbeit des Fahrers so planen, dass dieser in der Lage ist, bereits am Ende der dritten Woche zurückzukehren.

Das Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.“

Position Parlament

„Ein Verkehrsunternehmen plant die Arbeit der Fahrer so, dass die Fahrer in der Lage sind, vor dem Ende jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit am Wohnort oder einem anderen Ort nach Wahl des Fahrers zu verbringen. Der Fahrer teilt dem Verkehrsunternehmen spätestens zwei Wochen vor dieser Ruhezeit schriftlich mit, ob er sie an einem anderen Ort als seinem Wohnort einlegen wird. Entscheidet sich ein Fahrer, die Ruhezeit am Wohnort einzulegen, stellt das Verkehrsunternehmen dem Fahrer die für die Heimkehr erforderlichen Mittel zur Verfügung. Das Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.“

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