Mercedes eActros Perfekte Ladestrategie muss erlernt werden

Mercedes eActros Elektro-Lkw Logistik Schmitt 2019 Foto: Daimler 7 Bilder

Seit Anfang des Jahres ist Logistik Schmitt mit einem Mercedes eActros unterwegs. Chef und Fahrer lernen noch heute im Umgang mit dem vollelektrischen Lkw dazu – und zeigen sich von den Fahrleistungen begeistert.

Für den ersten vollelektrischen Lkw in seinem Fuhrpark scheut Rainer Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter von Logistik Schmitt, keine Mühen. In Kooperation mit der Daimler AG verkehrt der Logistikdienstleister im Zuge eines Praxistests mit dem eActros zwischen dem Lager des Familienunternehmens in Ötigheim und dem rund sieben Kilometer entfernten Werksteil Rastatt des Mercedes-Werks Gaggenau. Die knappe Distanz aber macht die Sache nicht einfacher: So oder so nämlich wurden zehn ausgesuchte Schmitt-Fahrer vor ihrer ersten Fahrt im eActros aufwendig geschult. Dazu musste die mobile, rund 300 Kilogramm schwere und bis zu 80 kW starke Ladestation sicher und für den üblichen Prozess im Lager perfekt positioniert auf dem Firmenareal untergebracht werden.

"Wir fahren so immer mit einem Batterieladestand von 70 bis 90 Prozent."

Auch die Taktung des Fuhrparks, die sich wie ein Busfahrplan mit festen Abfahrtszeiten liest, haben die Mitarbeiter Schmitts komplett umgekrempelt. Um eine der gängigen Mercedes- Actros-1842-Sattelzugmaschinen im Dienste des Unternehmens mit Megatrailer im Schlepptau eins zu eins ersetzen zu können, nimmt der kleinere eActros die kurze Tour nun doppelt so oft unter die Räder. Das Werk nämlich kann sich kaum erlauben, länger auf benötigte Teile zu warten, nur weil diese lokal emissionsfrei angeliefert werden. Auch für den eActros also gilt: Eine Bestellung seitens der Fertigung muss innerhalb von 180 Minuten zugestellt werden. Nicht zuletzt heißt es nun, Tag für Tag dazuzulernen und die perfekte Ladestrategie zu entwickeln. "Am Anfang haben wir unseren eActros nach jeder Tour an die Ladestation angeschlossen. Das hat sich aber schnell als unnötig erwiesen", bilanziert Schmitt. Aktuell werde der E-Lkw mal nach jeder zweiten, mal erst nach der dritten Fahrt ins Mercedes-Werk mit Strom versorgt. "Wir fahren so immer mit einem Batterieladestand von 70 bis 90 Prozent." Die kurzen Touren eignen sich laut Schmitt perfekt für den Einsatz des eActros. Theoretisch könnte der Dreiachser sogar ein komplettes Tagespensum abspulen, ohne nur einmal nachladen zu müssen. Seine 240 kWh fassenden Lithium-Ionen-Batterien nämlich sind gut für eine Reichweite von rund 200 Kilometern – und das, so betont Martin Zeilinger, Head of Product Engineering bei der E-Mobility Group Daimler Trucks, obwohl dies energetisch nur 24 Litern an Dieselkraftstoff entspricht.

Mercedes eActros Elektro-Lkw Logistik Schmitt 2019 Foto: Julian Hoffmann
Mit Strom versorgt werden die Batterien des E-Lkw mittels einer 80 kW leistenden Ladestation.

Mit bis zu zwölf Tonnen schweren Getriebegehäusen unter der Plane fährt der eActros zwölfmal täglich von Ötigheim ins Werk. Inklusive der Rückwege kommt der 25-Tonner damit auf etwa 168 Kilometer pro Tag. Der Dreischichtbetrieb und die in ihrer Leistung beschränkte mobile Ladestation aber machen es unmöglich, den E-Lkw in der Nacht komplett aufzuladen – das nämlich würde schon bei einer Ladeleistung von 150 kW zwei Stunden in Anspruch nehmen.

80 kW Ladestation versorgt die Batterien mit Strom

Die mobile, "nur" 80 kW leistende Ladestation aber wiederum ist nötig, um die weiterentwickelte Version des eActros für ihre rund 14 Kilometer lange Fahrt in den Werksteil Gaggenau genau am anderen Ende des Firmengeländes später laden zu können. Bei einer festen Ladestation müssten die Teile später also jedes Mal mit den Staplern, die im Übrigen ebenfalls elektrisch fahren und per schnellem Batterietausch statt langer Ladepause einsatzbereit gehalten werden, quer durch die Lagerhalle bewegt werden. Teilladungen über etwa eine halbe Stunde sind damit das Mittel der Wahl. Dass der Lkw dafür immer zur per 125A-CEE-Drehstromsteckdose an das Gebäude angeschlossenen Ladestation gefahren werden muss und dort mittels eines CCS-Steckers ans Netz gehängt wird, ist für Schmitt kein Nachteil: "Der eActros muss zur Abfertigung ohnehin in diesem Bereich stehen. Das kurze Stecker rein, Stecker raus ist für die Fahrer kein Thema und hat keine Fahrzeitverluste zur Folge. Im Gegenteil: Anders als die anderen Diesel-Lkw muss ich für den eActros nie einen Fahrer zum Tanken schicken." Auch von der Wartungsfreundlichkeit eines E-Lkw schwärmt der geschäftsführende Gesellschafter. Üblicherweise müssen Zugmaschinen in seinem Fuhrpark etwa zweimal pro Jahr in die Werkstatt.

Die Servicearbeiten und der Ausfall des Lkw sowie eines Fahrers kosten jedes Mal mehrere Hundert Euro – auf gut 70 Einheiten im Fuhrpark gerechnet kommt da schnell eine stolze Summe zusammen. Zeit und Geld, die sich Schmitt mit einem batterieelektrischen Lkw sparen könnte – so seine Hoffnungen. "Die regelmäßigen Motorölwechsel fallen mit dem eActros weg. Bis dato war er dazu immer voll verfügbar, wir haben noch keinen Ausfall zu verzeichnen", erzählt Schmitt am Steuer seines leisen Dreiachsers. Auf dem Beifahrersitz nimmt er uns mit auf eine der Touren, die der E-Lkw im normalen Betrieb immer und immer wieder abspult.

Mercedes eActros Elektro-Lkw Logistik Schmitt 2019 Foto: Mit Strom versorgt werden die Batterien des E-Lkw mittels einer 80 kW leistenden Ladestation.
Rainer Schmitt, geschäftsführender Gesellschafter Logistik Schmitt: „Die lineare Beschleunigung ohne Zugkraftunterbrechungen und die niedrige Geräuschkulisse – das schätzen die Fahrer besonders an unserem eActros.“

Fahrer schätzen lineare Beschleunigung

Begeistert zeigt er sich hier von der Durchzugskraft des E-Antriebs mit zwei je 126 kW starken Elektromotoren, die nahe den Radnaben der auf der ZF AVE 130 basierenden Antriebsachse platziert sind. Das lineare Beschleunigen ohne Schaltunterbrechungen und die entspannte Geräuschkulisse auch beim Anfahren an der Ampel würden die Fahrer ganz besonders schätzen – und auch die schier unbändige Kraft, mit der die Elektromotoren, zu Generatoren umfunktioniert, Bremsenergie in die Batterie speisen. "In fünf Stufen kann ich am Hebel rechts neben dem Lenkrad die Rekuperation steuern. In der stärksten Stufe nimmt der eActros so viel Geschwindigkeit raus, dass wir innerhalb weniger Meter nur noch langsam dahinrollen", so Schmitt. Der Einsatz der Bremse gehe laut den Telematikdaten in der Folge im Vergleich zu einem konventionellen Lkw um rund die Hälfte zurück.Am Ende kommt Schmitt dann aber doch auf Knackpunkte in der Elektromobilität zu sprechen. Noch ist nämlich völlig unklar, was so ein eActros im regulären Verkauf kosten wird. Und vor allen Dingen, was er im Wiederverkauf bringt: "Für mich mit meinen kurzen Distanzen ist eine knappe Reichweite kein Problem. Aber gibt es auch einen zweiten Markt für so einen Lkw – oder muss ich ihn fahren, bis er nicht mehr will?"Eine fundierte Antwort auf diese Frage wird ihm wohl auch Daimler zunächst schuldig bleiben müssen. Schmitt selbst wird dafür im Rahmen des Dekra Zukunftskongresses Nutzfahrzeuge am 19. und 20. November 2019 in Berlin über seine Erfahrungen mit dem eActros berichten. Hierfür anmelden können Sie sich unter veranstaltungen@etm.de, alle Informationen zum Event finden Sie auf eurotransport.de/zuku19.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
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14. September 2019
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