Maximilian Rohs (PwC) über E-Busse Der Durchbruch ist noch nicht erreicht

Foto: Thorsten Wagner

Elektrobusse gehen jetzt auch in Deutschland an den Start, wenn auch langsam. Maximilian Rohs, Experte der Beratungsgesellschaft Price Waterhouse Cooper, erstellt seit einiger Zeit einen Radar zum Thema. Wir sprachen mit ihm über die wirtschaftliche Seite der Umstellung der Flotten auf Elektromobilität.

Wie hat sich der PwC-E-Bus-Radar entwickelt?

Rohs: Wir haben erstmals Ende 2017 Daten erhoben und veröffentlicht, dann noch einmal im Juli 2018. Bald veröffentlichen wir die dritte Ausgabe, einen aktuellen Blick in die Bestandszahlen haben wir hier auf der Bus2Bus gezeigt. Der absolute Zuwachs ist aktuell mit einem Plus von 26 Prozent noch auf einem sehr niedrigen Niveau, aber bei den Planungen der Verkehrsunternehmen tut sich einiges. Im Ist-Zustand sind wir von einem Durchbruch jedoch noch weit entfernt, wenn man berücksichtigt, dass inklusive Hybridbussen die ÖPNV-Busflotte nur zu unter zwei Prozent elektrifiziert ist. In der weiteren Evolution des Radars werden wir auch europäische Nachbarländer betrachten.

Wann würden Sie einen gewissen Durchbruch erwarten?

Rohs: Eine solche Einschätzung müsste man auf die Neuanschaffungen beziehen und nicht auf den Anteil an der Flotte von rund 40.000 Stadtbussen in Deutschland. Sollten wir hier zu einem Anteil von 25 oder 30 Prozent kommen, würde man von einem Durchbruch sprechen können. Unterstellen wir eine Nutzungsdauer der Fahrzeuge von rund 12 Jahren sprechen wir also von rund 3.300 Neubeschaffungen pro Jahr und dementsprechend rund 800 Elektrobussen. Für das nächste Jahr rechnen wir mit einem Zugang von rund 300 Elektrobussen, somit erreichen wir hier noch nicht das erwähnte Durchbruchszenario. Das dürfte eher in den frühen 20er Jahren kommen, wahrscheinlich zwischen 2022 und 2025.

Woran liegt die immer noch spürbare Zurückhaltung vieler Betreiber beim Elektrobuskauf?

Rohs: Es ist tatsächlich so, dass bei den Unternehmen noch Zurückhaltung herrscht. Das liegt zum einen an nicht vorhandenen Fördermitteln beziehungsweise der Enttäuschung über deren Nichtgewährung, denn eine Anschaffung ohne Förderung ist derzeit aus betriebswirtschaftlicher Sicht noch nicht sinnvoll. Wenn dies trotzdem erfolgt, ist dafür zumeist der Wunsch des Aufgabenträgers verantwortlich. Zum anderen sprechen wir derzeit noch über einen reinen Hersteller-Markt und keinen Nachfrager-Markt, auf dem das Fahrzeugangebot durchaus noch überschaubar ist. Ein Unternehmen, das zum Jahresende mehrere Elektrobusse haben möchte, hat momentan Schwierigkeiten, diese geliefert zu bekommen und zwar unabhängig vom Hersteller. Zudem gibt es im ÖPNV-Markt ein großes Vertrauen in die jahrelang aufgebauten Lieferantenbeziehungen, daher warten viele Unternehmen auf die breite Lieferfähigkeit der heutigen Marktführer wie Daimler und MAN. Zudem vernehmen wir häufiger im Markt, dass Unternehmen das Risiko, auf Busse von Kleinserienherstellern umzustellen, aus Gründen der Serviceverfügbarkeit und der Ersatzteilversorgung, zu hoch erscheint. Denn nichts scheuen die Betreiber mehr als ausfallende Fahrten.

Was bieten Sie diesen Unternehmen konkret in der Beratung an?

Rohs: Wir erarbeiten sowohl für Kommunen als auch für ÖPNV-Betreiber Konzepte, wie sie Mobilität nachhaltiger gestalten können. Das fängt an beim Thema Digitalisierung, geht weiter über die Elektrifizierung kommunaler Flotten bis hin zur Erarbeitung eines Business-Case. Wir begleiten gewissermaßen von der Strategie bis zur Umsetzung. Bei den Betreibern selbst geht es zumeist auch um die Finanzierung der Projekte, die oftmals sehr kapitalintensiv sind.

Was sind für Sie die Knackpunkte für eine wirtschaftliche Betrachtung der Umstellung auf Elektrobusse?

Rohs: Im Moment kann eine solche Betrachtung nur prämissenbasiert erfolgen, zum Beispiel aufgrund der Unsicherheit, ob das Batteriepaket erst nach acht oder schon nach fünf Jahren ersetzt werden muss. Spannend wird es aus wirtschaftlicher Sicht, wenn die Batterien über die gesamte Laufzeit eines Fahrzeuges durchhalten. Das wäre sicherlich ein Durchbruch. Das Thema Restwerte spielt bei den Total Cost of Ownership-Betrachtungen hingegen wegen der erfolgten Abschreibung kaum noch eine Rolle, auch wenn im Second Life die Batterien noch verwertet werden können. Ein weiterer wesentlicher Faktor sind die Instandhaltungskosten, zu denen auch die Erneuerung einer Batterie während der Laufzeit zu zählen ist. Zudem hat die Förderquote natürlich einen massiven Einfluss darauf, wie die TCO des Unternehmens ausfallen. Seriös kann man derzeit für die Laufzeiten der Busse keine verstetigte Förderung unterstellen, da es eher Adhoc-Förderprogramme gibt. Elektromobilität kann daher meiner Meinung nach auf mittlere Sicht nicht ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen vorangetrieben werden. Wesentlich zu bedenken ist hierbei vielmehr auch der volkswirtschaftliche Nutzen, da die Kommunen, die für die Organisation der Mobilität verantwortlich sind, auch die damit verbundenen Probleme bewältigen müssen. Selbst wenn der ÖPNV insgesamt teurer wird, dann sind saubere Luft und eine lebenswertere Stadt durchaus Effekte, die die höheren Kosten rechtfertigen. Hierfür sollten allerdings auch externe Kosten mit berücksichtigt werden und wie interne Kosten behandelt werden. International gibt es hierzu durchaus Ansätze, beispielsweise in Form von Citymaut-Systemen.

Welche Auswirkungen hat das alles auf die aktuellen Ausschreibungen?

Rohs: Wie man Dieselbusse ausschreibt, wissen die Unternehmen seit Jahrzehnten. Jetzt kommt jedoch nicht nur eine neue Technologie sondern auch eine neue Infrastruktur hinzu. Wenn man an Flotten von 30 bis 50 Bussen denkt, wird die Ladeinfrastruktur immer wichtiger und damit haben die meisten Unternehmen überhaupt noch keine Erfahrungen. Hierbei ist es nicht unbedingt zielführend, aufwendige Lastenhefte oder Funktionsbeschreibungen zu gestalten, und am Ende bieten kein Unternehmen in den Ausschreibungen. Bei der Ausgestaltung solcher Ausschreibungsverfahren unterstützen daher auch unsere Juristen von PwC legal. Wenn es einen reiferen Markt mit akzeptierten Standardprodukten gibt, wird dieses Prozedere sicher wieder einfacher werden. Aber da sind wir noch nicht.

Welche Segmente werden aus Ihrer Sicht als nächstes elektrifiziert?

Rohs: Im Moment rechnen sich Hybrid- oder gar Elektroantriebe für Überland-oder Reisebusse aufgrund der erforderlichen Energiedichten der Batterien noch nicht. Im eigenwirtschaftlichen Reiseverkehr regiert allein der Markt. Solange es keine Produkte gibt, die sich für die Unternehmer rechnen, wird es ohne Förderprogramme schwierig eine Elektrifizierung umzusetzen. Im Stadtverkehr gibt es dagegen aufgrund der Daseinsvorsorge und der gesellschaftlichen Aufgaben ohnehin einen Zuschussbedarf. Hier stehen die Städte aktuell unter einem großen Handlungsdruck zur nachhaltigeren Gestaltung der Mobilität, daher beobachten wir hier zunächst die größten Bemühungen zur Umstellung auf Elektrobusse. Eine Elektrifizierung außerhalb der Städte werden wir hingegen deutlich später sehen.

Sehen Sie in den unterschiedlichen Ansätzen von Depot- und Streckenladung eine Art Kulturkampf in der Industrie?

Rohs: Für mich wird es keinen Kampf der Systeme geben, sondern eine Koexistenz von Lösungen, die auf die jeweiligen Bedürfnisse der Städte angepasst sind. Es kommt ganz auf den Anwendungsfall an, aber innerhalb der verschiedenen Lösungen muss und wird es eine technologische Standardisierung geben. Die Erfahrungen, die jetzt gemacht werden, sollten in guter Ingenieurstradition schnell in Standards überführt werden.

Sehen Sie irgendwelche wirtschaftliche Alternativen zur Elektromobilität?

Rohs: Ich denke, die Weichen sind in Richtung Elektromobilität gestellt, in der Form in der sie jetzt ins Rollen kommt. Dazu zählen auch Brennstoffzellenbusse, die gerade im ländlichen Raum eine bedeutendere Rolle spielen werden. Die Systementscheidung ist global gefallen, und die können wir in Deutschland nicht einfach ignorieren. Trotz allem verbietet sich eine dogmatische Betrachtung. Wir werden auch in 20 oder 30 Jahren noch Verbrenner sehen, wenn anwendungsspezifische und wirtschaftliche Gründe dafür sprechen. Die Mobilitätswende ist zudem weitaus mehr als eine reine Antriebswende, davon bin ich fest überzeugt.

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