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Maut und mehr Zehn Fragen und Antworten zur Finanzierung

Foto: Rathmann
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Marode Verkehrswege, knappes Geld: Wir erläutern, wie die Politik durch die Ausweitung der Nutzerfinanzierung sowie Öffentlich-Private Partnerschaften mehr Geld für die Verkehrswege mobilisieren will. Ein wichtiger Pfeiler im Rahmen der Nutzerfinanzierung ist die Ausweitung der Lkw-Maut auf weitere Bundesstraßen und kleinere Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen. Wir sagen, was es bringt.

1. Wie schlimm ist es um den Zustand der Verkehrswege in Deutschland bestellt?

Vorsicht Baustelle! Solche Hinweise begegnen Kraftfahrern nicht nur auf abgelegenen Landstraßen, sondern zunehmend auf bedeutenden Bundesfernstraßen und in letzter Zeit vor allem auf Brücken. Die Rader Hochbrücke, die den Nord-Ostsee-Kanal überquert, oder die Rheinbrücken bei Leverkusen, Duisburg und Mainz sind bundesweit bekannt und wegen ihrer Staus gefürchtet. Immer wieder mussten die in die Jahre gekommenen Bauwerke für den Schwerverkehr gesperrt werden. Kurzfristig ist für Millionen von Pendlern sowie den Wirtschaftsverkehr keine Entlastung in Sicht: Bis die Brücken saniert beziehungsweise neue Bauwerke errichtet sind, werden noch Jahre vergehen.

Gesperrte Straßen und Brücken sind ein Alarmsignal.

Wichtige Verkehre werden nicht mehr planbar. Transport- und Logistikunternehmen müssen Zeitverlust, Umwege und erhöhte Kosten für Mehrarbeit sowie einen erhöhten Spritverbrauch in Kauf nehmen. Die täglichen Staumeldungen könnten auch ausländische Investoren abschrecken. Denn die Zuverlässigkeit des Verkehrssystems steht auf dem Spiel.

Lange galt Deutschland international als mustergültig, was die Qualität der Infrastruktur angeht. Nicht ohne Grund hat die Weltbank Deutschland 2014 den Titel des Logistik-Weltmeisters verliehen. Damit würdigt sie einerseits die Kompetenz der hiesigen Transport- und Logistikdienstleister. Den Titel gibt es aber auch, weil die Verkehrswege offenbar noch immer gut in Schuss sind. Denn was hierzulande mitunter als beklagenswert dargestellt wird, kann sich im internationalen Vergleich noch immer sehen lassen. Doch es tröstet wenig, zu wissen, dass andere Länder marodere Straßen haben. Es gilt, die Mobilität in Deutschland zu sichern – und das auf einem hohen Niveau. Dazu muss das hohe Gut Infrastruktur stärker als bisher gepflegt werden.

Der Erhaltungsbedarf ist immens.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat keine andere Wahl, als vermehrt Geld in den Erhalt  von Straßen, Schienen und Wasserstraßen zu pumpen. Klar ist, dass dies zu Lasten von Neu- und Ausbaumaßnahmen geschieht. Doch dieser Kurswechsel ist über die großen Parteien hinweg akzeptiert. Trotz der Fokussierung auf den Erhalt steht aber auch fest, dass das Geld hinten und vorne nicht reicht. Der Minister muss also nach weiteren Geldquellen suchen, wenn er den Verschleiß auf Straße, Schiene und Wasserstraße stoppen will.

2. Geld mobilisieren und den Verfall stoppen: Was schlagen Expertenkommissionen vor?

Die Pällmann-Kommission (Vorlage des Berichts im Jahr 2000)

Die zwölfköpfige Pällmann-Kommission unter Vorsitz des früheren Bahn- und Post-Vorstands Dr. Wilhelm Pällmann war als Expertenkommission 1999 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingesetzt worden, um Möglichkeiten zur Finanzierung der Verkehrswege zu erarbeiten. Ihren Schlussbericht legte sie am 5. September 2000 vor.

Die wichtigsten Erkenntnisse: Die Kommission macht eine immense Lücke bei der Finanzierung der Verkehrswege aus. Beim Bundesverkehrswegeplan 1992 können nach Ansicht der Experten 120 der 490 Milliarden Mark im Zeitraum von 1991 bis 2012 nicht durch die klassische Haushaltsfinanzierung realisiert werden.

Die Kommission hält fest, dass der Rückstand bei Neu- und Ausbau sowie Substanzerhaltung der Infrastruktur bereits kritisch ist. Die Bundesländer geben einen jährlichen Fehlbetrag von vier Milliarden Mark für die Bundesfernstraßen an. Bei der Schiene hält Pällmann drei Milliarden Mark jährlich zusätzlich für erforderlich, bei der Wasserstraße 0,5 Milliarden Mark.

Umstieg auf Nutzerfinanzierung

Der Ausweg aus dem Finanzierungsdilemma führt für Pällmann über den konsequenten Umstieg auf eine Nutzerfinanzierung. Wer wie viel zu zahlen hat, soll von der jeweiligen Beanspruchung abhängen. Die Kommission schlägt ferner vor, die Privatisierung auch auf die Bundesverkehrswege auszudehnen und spricht sich für privatrechtlich organisierte Finanzierungsgesellschaften aus. Der Bund soll seine Infrastrukturverantwortung behalten. Die Experten werben dafür, zunehmend Dritte - also Unternehmen –- bei der Finanzierung einzubinden.

Die Pällmann-Kommission schlägt konkrete Höhen für mögliche Mautsätze vor. Pkw sind mit drei Pfennig pro Kilometer auf Autobahnen dabei, leichte Lkw mit 7,5 Pfennig und schwere Lkw mit 30 Pfennig. Auf Bundesstraßen regt Pällmann etwa die dreifache Höhe an, dort seien die Fahrleistungen auch höher. Er spricht sich dafür aus, bei der Umstellung auf die Nutzerfinanzierung 2003 zuerst mit den Lkw über zwölf Tonnen zu beginnen.
Der im Dezember 2013 verstorbene Jurist Dr. Wilhelm Pällmann, Jahrgang 1934, war Vorstandschef der Hannoverschen Verkehrsbetriebe Üstra und danach Vorstandsmitglied bei der damaligen Bundesbahn und bei der Bundespost.

Die Daehre-Kommission (Vorlage des Berichts im Jahr 2012)

Die Lkw-Maut ist 2005 gestartet. Trotz der zusätzlichen Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung ist die Infrastruktur unterfinanziert. Die schwarz-gelbe Bundesregierung und die Länder setzen eine neue Kommission ein, die prüfen soll, wie die Lücke zu stopfen ist. Die 19-köpfige Daehre-Kommission unter Vorsitz des früheren sachsen-anhaltinischen Verkehrsministers Dr. Karl-Heinz-Daehre (CDU) beleuchtet am 19. Dezember 2012 in ihrem Bericht eine Vielzahl an Finanzierungsinstrumenten.

Einige Erkenntnisse daraus: Die Daehre-Kommission hält fest, dass der Verkehr klassisch unterfinanziert ist. Von 1992 bis 2012 sei der Anteil der Verkehrsinvestitionen am Bruttoinlandsprodukt von einem auf 0,7 Prozent zurück gegangen. Die Experten warnen vor einem massiven Ausfall von Teilen der Infrastruktur, wenn nicht gegengesteuert wird.
Die Kommission sieht die Republik durch den Substanzverzehr der Infrastruktur gefährdet. Betroffen seien alle Verkehrs- und Baulastträger.

Jährlich fehlen 7,2 Milliarden Euro.

Jährlich fehlen nach Angaben der Kommission 7,2 Milliarden Euro für den Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserstraßen. Die Straße benötigt 4,7 Milliarden Euro zusätzlich, die Schiene zwei Milliarden Euro und die Wasserstraße eine halbe Milliarde Euro obendrauf.

Die Nutzerfinanzierung hat anders als bei Pällmann nicht mehr den überragenden Stellenwert. Die Einführung der Lkw-Maut habe zu einer gleichzeitigen Absenkung der haushaltsfinanzierten Anteile an den Investitionsmitteln geführt, kritisiert Daehre. „Voraussetzung jeglicher Form der Nutzerfinanzierung muss daher eine strikte Zweckbindung der Mittel sein, wobei der steuerfinanzierte Anteil mindestens konstant zu halten ist“, heißt es.

Kommissionschef Daehre spricht von einem Instrumentenkasten, den seine Experten für alle Landverkehrsträger präsentieren. Sie benennen bei allen Maßnahmen die jeweiligen Vor- und Nachteile. Eine Möglichkeit, Gelder für den Verkehrsbereich zu reservieren, ist in den Augen der Experten ein Fondsmodell, wie es in Österreich oder der Schweiz existiert. Was den Instrumentenkasten angeht, hat die Kommission allein für die Bundesstraßen zehn Ansätze zur Finanzierung auf Kosten und Nutzen geprüft.

Das Spektrum reicht von der Erhöhung der Haushaltsmittel über eine höhere Mineralöl- oder Kfz-Steuer und eine höhere Maut. Daehre ist auch der Frage nachgegangen, welchen Nutzen eine Maut für Busse, kleinere Lkw und Pkw stiften würde. Entsprechende Instrumente bringt er auch für die kommunale Infrastruktur sowie Schiene und Wasserstraße ins Spiel. Um die Finanzen für die Kommunalstraßen zu erhöhen, steht auch eine City-Maut im Raum.

Dr. Karl-Heinz Daehre, Jahrgang 1944, war von 2002 bis 2011 Verkehrsminister in Sachsen-Anhalt. Zuvor war der CDU-Politiker von 1991 bis 1994 für das Bauressort verantwortlich.

Die Bodewig-Kommission (Vorlage des Berichts im Jahr 2013)

Die neunköpfige Kommission unter Vorsitz des früheren Bundesverkehrsministers Kurt Bodewig legte am 30. September 2013 ihren Abschlussbericht vor. Bewusst veröffentlichten die Fachleute ihre Empfehlungen erst nach der Bundestagswahl, um das Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten und um der  Arbeitsgruppe Verkehr in den Koalitionsgesprächen konkrete Empfehlungen an die Hand zu geben.

Die Kommission rät dazu, Straßen, Schienen und Wasserstraßen aufgrund von Netzzustands- und Leistungsberichten zu bewerten und bedarfsgerecht, also nicht nach Quoten oder Haushaltsjahren zu errichten oder zu sanieren. Als erster Schritt soll die Bindung zusätzlicher Mittel „überjährig und zugriffssicher“ erfolgen. Im Rahmen eines Stufenplans schlägt die Kommission dazu drei Pakete vor.

Sondervermögen Nachholende Sanierung angeregt.

Paket 1 enthält die Schaffung eines Sondervermögens „Nachholende Sanierung“ in Höhe von 38,5 Milliarden Euro. Das sind jährlich 2,7 Milliarden Euro an zusätzlichen Haushaltsmitteln über 15 Jahre auf Basis von 2012. Die Pakete 2 und 3 sehen die Weiterentwicklung der Nutzerfinanzierung unter Einbeziehung der Bahn-Dividende sowie weiterer 500 Millionen Euro jährlich vor, die über eine Novellierung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung Bund/Bahn fließen sollen.

Die Ausdehnung der Lkw-Maut auf alle Bundes- und Landesstraßen sowie auf Klassen unter zwölf Tonnen soll im Rahmen eines „zeitlich gestreckten Stufenkonzepts“ 2015 und 2016 folgen. Insgesamt werden nach den Vorstellungen der Länder über diesen Weg weitere 2,3 Milliarden Euro jährlich generiert, sodass dann pro Jahr zusätzlich fünf Milliarden Euro für Ausbau und Sanierung der Infrastruktur zur Verfügung stünde.

Kurt Bodewig, Jahrgang 1955, ist Präsident der Deutschen Verkehrswacht. Bis 2002 war der Sozialdemokrat Verkehrsminister unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD).

3. Wie viel Geld steht für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur aus dem Haushalt zur Verfügung?

Alljährlich ist es ein Kampf mit den Haushaltskollegen, wenn die Verkehrspolitiker mehr Geld verlangen. Die Gespräche sind nicht einfach, denn auch die anderen Ressortchefs stellen ihre Ansprüche, so etwa für Bildung, Soziales, Verteidigung und andere Aufgaben. Der Einzelplan 12 des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bleibt jedoch der größte Investitionshaushalt des Bundes.

Inzwischen sind sich aber Politiker aller Parteien des Stellenwerts einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur bewusst. So sagt auch für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass finanzielle Spielräume, wo auch immer sie sich ergeben, für Investitionen in die Verkehrswege genutzt werden sollten.

Im Koalitionsvertrag von 2013 verspricht die Große Koalition: „"Für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes schaffen wir eine verlässliche Finanzierungsgrundlage. Wir werden in den nächsten vier Jahren die Bundesmittel für Verkehrsinfrastruktur substanziell erhöhen.“" Außerdem ist im Koalitionsvertrag verankert, dass für die dringend notwendige Investitionen in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur insgesamt fünf Milliarden Euro zusätzlich mobilisiert werden.

Fünf Milliarden Euro zusätzlich für die Verkehrsinfrastruktur

Diese Mittel teilen sich wie folgt auf: Für 2014 sind 505 Millionen Euro für zusätzliche Investitionen veranschlagt. 2015 fließt eine Milliarde zusätzlich in den Haushalt des Verkehrsministers, 2016 dann 1,4 Milliarden und 2017 und 2,095 Milliarden. Damit erhöhen sich die klassischen Verkehrsinvestitionen in Straße, Schiene, Wasserstraße, und Kombinierter Verkehr laut Ministerium in den kommenden Jahren deutlich – von 10,5 Milliarden Euro in 2014 auf 11,0 Milliarden in 2015. Für 2016 sind 11,6 Milliarden und für 2017 12,1 Milliarden vorgesehen.

Die zusätzlichen fünf Milliarden Euro verteilen sich wie folgt: 1,5 Milliarden für laufende Projekte, 2,1 Milliarden für Bundesfernstraßen, 1,05 Milliarden für die Schiene, 350 Millionen für Wasserstraßen. Bei den Investitionen in Straße und Schiene soll der Schwerpunkt auf Sanierungsmaßnahmen liegen. "„Erhalt geht vor Neubau“", heißt es. Der Plan von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) ist es, durch zusätzliches Geld der Verkehrsteilnehmer, aber auch durch andere Schritte – höhere Haushaltsmittel, Einbindung von privaten Investoren und stärkere Prioritätensetzung – deutlich mehr Mittel für Investitionen zur Verfügung zu haben. Ziel ist es, das Niveau von aktuell rund zehn Milliarden Euro für die Straße ab 2018 auf 14,5 Milliarden Euro im Jahr anzuheben.

4. Wie groß ist die Lücke im Verkehrsetat?

Zwar ist es den Verkehrspolitikern der Großen Koalition gelungen, zusätzliches Geld für Investitionen in Straßen, Schienen und Wasserstraßen zu mobilisieren. Schließlich kamen in der laufende Legislaturperiode noch einmal fünf Milliarden Euro hinzu. Allerdings stand auch schon mal mehr Geld für Investitionen zur Verfügung. Im Jahr 2009 etwa waren es dank Mittel aus den Konjunkturprogrammen mehr als elf Milliarden Euro.

Auf 7,2 Milliarden Euro hat die Daehre-Kommission im Dezember 2012 die jährliche Finanzierungslücke auf Deutschlands Straßen, Schienen und Wasserstraßen beziffert. Der Straße fehlen demnach 4,7 Milliarden Euro, der Schiene zwei Milliarden Euro und der Wasserstraße eine halbe Milliarde Euro. Doch woher nehmen?

Viel verspricht sich Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) vom Ausbau der Nutzerfinanzierung. Er will im Juli die Mautpflicht auf weitere Bundesstraßen und im Oktober auf kleinere Lastwagen ab 7,5 Tonnen ausdehnen. Von 2016 an schließlich möchte er ausländische Autofahrer mit der Pkw-Maut, die bei ihm als Infrastrukturabgabe firmiert, zur Kasse bitten. Ab 2018 ist dann die Mautplicht für Lkw auf allen Bundesstraßen geplant. Außerdem prüft er den verstärkten Einsatz von Öffentlich-Privaten Partnerschaften, um zusätzliches Kapital von der Privatwirtschaft zu mobilisieren.

5. Was bringt die Pkw-Maut?

Der Weg für die Pkw-Maut ab 2016 ist frei. Der Bundestag hat Grünes Licht für das Vorhaben gegeben, wonach Kraftfahrer auf deutschen Autobahnen zur Kasse gebeten werden. Nach dem Modell von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) wird es für deutsche Autofahrer im Gegenzug eine Entlastung über die Kfz-Steuer geben, sodass ihnen keine zusätzlichen Kosten entstehen. Der Minister erhofft sich Einnahmen von rund 600 bis 700 Millionen Euro im Jahr. Nach Abzug der Verwaltungskosten sollen rund 500 Millionen Euro übrig bleiben.

Was bringt die Infrastrukturabgabe wirklich?

Doch sowohl Wissenschaftler als auch Haushalts- und Verkehrspolitiker halten diese Erwartung für überzogen. Ein Verlustgeschäft für die öffentliche Hand wird die sogenannte Infrastrukturabgabe aber auch nicht werden, darin sind sich die Experten einig.  Wie hoch das Aufkommen tatsächlich sein dürfte, darüber gehen die Prognosen auseinander. Das hat damit zu tun, dass sich nur sehr begrenzt Aussagen darüber treffen lassen, wie viele ausländische Kraftfahrer deutsche Autobahnen benutzen und wie viele davon Zehn-Tages-, Zwei-Monats- oder Jahresvignetten kaufen werden.

Gegenwind kommt von der Opposition im Bundestag. Für die Grünen steht fest: „"Der Dobrindt'sche Wegzoll bringt nur einen Bruchteil dessen ein, was der Verkehrsminister der Öffentlichkeit gerne weißmachen will. Er konstruiert mit falschen Zahlen Einnahmen, die in der Realität niemals erreicht werden können."“ Bündnis 90/Die Grünen verweisen auf Zahlen einer von ihnen in Auftrag gegebenen Studie beim Institut Schmid Mobility Solutions. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Einnahmen nicht bei 500 Millionen Euro, sondern lediglich bei 80 bis maximal 140 Millionen Euro im Jahr liegen werden. Die Grünen folgern daraus: „"Die Maut der Bundesregierung ist Irrsinn.“"

6. Was bringt die Ausweitung der Lkw-Maut?

Technisch läuft die Lkw-Maut stabil. In den ersten zehn Jahren seit dem Start der Gebühr ab 1. Januar 2005 hat sie nach Angaben des Betreibers Toll Collect 39 Milliarden Euro in die Kassen der öffentlichen Hand gespült, pro Jahr also rund 4,5 Milliarden Euro. Zusätzliche Einnahmen will die schwarz-rote Bundesregierung nun durch die Ausweitung auf weitere Bundesstraßen und kleinere Fahrzeuge erzielen. Die Ausdehnung auf weitere Bundesstraßen und mittelschwere Lkw bringt laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) etwa 400 Millionen Euro im Jahr ein. Wenn ab 2018 Lkw auf allen Bundesstraßen zur Kasse gebeten werden, ist das nach seiner Kalkulation mit weiteren zwei Milliarden Euro im Jahr verbunden. 

Ab 1. Juli 2015 werden weitere 1.100 Kilometer Bundesstraßen mautpflichtig.

Ab dem 1. Juli 2015 wird die Mautpflicht auf weitere etwa 1.100 Kilometer Bundesstraßen ausgedehnt. Sie dürfen aber keine Ortsdurchfahrten sein und müssen vier oder mehrspurig ausgebaut, durch Mittelstreifen getrennt, an das Autobahnnetz angebunden oder mindestens vier Kilometer lang sein. Technisch wird das nach Angaben des Mautbetreibers Toll Collect kein Problem sein. Alle On-Board-Units (OBU), auch die älteren, sind kapazitätsmäßig demnach für die Aufnahme der zusätzlichen Bundesstraßen bereits ausgelegt.

Zum 1. Oktober 2015 werden Lkw ab 7,5 Tonnen mautpflichtig.

Zum 1. Oktober 2015 wird die Gewichtsgrenze, ab der Lkw mautpflichtig sind, von bisher 12 auf 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht gesenkt. Das gilt auch für Fahrzeugkombinationen, also auch für 7,49-Tonner mit Anhänger, wie sie viele Handwerks- und Handelsunternehmen einsetzen. In solchen Fällen wird die Maut dann für ein mindestens dreiachsiges Fahrzeug erhoben, die drei Cent über der Maut für zweiachsige Lkw ab 7,5 Tonnen liegt. Das ist eine starke Mautdifferenzierung gegenüber straßenschonenderen Dreiachsern. Den Fahrzeugen, die im Anhängerbetrieb die 7,5-Tonnengrenze überschreiten, ist außerdem ein OBU-Einbau zu empfehlen, wollen sie nicht auf das aufwendigere manuelle Buchungsverfahren angewiesen bleiben.

Außerdem soll es nach bisheriger Planung von 1. Oktober an vier Achslastklassen mit jeweils eigenen Mautsätzen geben, nämlich für zwei Achsen, drei, vier sowie für fünf und mehr Achsen. Für vierachsige Fahrzeuge soll also eine neue Mautklasse eingerichtet werden, bisher wurden die Vierachser mit fünfachsigen Fahrzeugen gleichgestellt.

Gegen diese Pläne regt sich aus der Fahrzeugindustrie, aber auch von Seiten der Verbände Widerstand. Sie befürchten eine Abwertung des bestehenden Fuhrparks der Dreiachsfahrzeuge. Außerdem halten sie es für nicht nachvollziehbar, dass Fahrzeuge, die die Straße durch höhere Achslasten stärker beanspruchen, in der Maut günstiger gestellt werden. Geplant ist, dass der Mautsatz für vierachsige Fahrzeuge um 1,8 Cent pro Kilometer günstiger ausfällt, als für fünfachsige Lkw. Das könnte, prognostizieren die Fachverbände, in der Praxis dazu führen, dass vermehrt Vierachser zum Einsatz kommen, etwa durch Nutzung zweiachsiger Auflieger anstelle dreiachsiger.

7. Was sagen Kritiker zu den Mautplänen?

Kritiker, darunter der ADAC, lehnen die Mautpläne ab und weisen darauf hin, dass Kraftfahrer schon genügend zur Kasse gebeten würden. "„Es ist zwar richtig, dass alleine den Bundesfernstraßen jedes Jahr rund zwei Milliarden Euro fehlen"“, erklärt der ADAC. Dies liege aber nicht an mangelnden Einnahmen aus dem Straßenverkehr. „"Bereits jetzt zahlen die Straßenbenutzer jedes Jahr über Kfz-, Mineralöl-, anteilige Mehrwertsteuer und Lkw-Maut 53 Milliarden Euro an den Fiskus"“, heißt es. Fürs Straßennetz gebe die öffentliche Hand – also Bund, Länder und Kommunen – aber nur 17 Milliarden Euro aus.

Anderen Ländern ist die Verkehrsinfrastruktur mehr wert.

Hier kann sich Deutschland von anderen westlichen EU-Ländern eine Scheibe abschneiden: Die geben – bezogen auf ihre Einwohnerzahl – nach einer Erhebung des Verbands Pro Mobilität wesentlich mehr für ihr Straßennetz aus. Pro Mobilität hatte in 13 westeuropäischen Staaten die Investitionen in Straßen und Brücken ins Verhältnis zur Einwohnerzahl gesetzt. Das Ergebnis: "Deutschland investierte 2011 insgesamt 142 Euro pro Einwohner, die westlichen Nachbarländer gaben im Schnitt 226 Euro aus". Die anderen Staaten hatten ihre Investitionen seit dem Jahr 2000 um 30 Prozent erhöht. Deutschland dagegen habe nur einmalig im Jahr 2009 dank der zusätzlichen Konjunkturspritze das hohe Niveau von 2000 erreicht.

Unter Berücksichtigung der Baupreissteigerungen seien die Investitionen in Straßen real gar um ein Fünftel gesunken. "„Andere Staaten haben besser verstanden, dass moderne, leistungsfähige Verkehrswege nicht zum Nulltarif zu haben sind“", heißt es von Pro Mobilität.

8. Was bringen Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP)?

Schneller und effizienter bauen - Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) sollen es möglich machen. Indem private Investoren in Bau und Betrieb von Verkehrswegen einbezogen werden, ergibt sich die Chance, Projekte deutlich schneller zu realisieren, als wenn man die dafür nötigen Haushaltsgelder abwarten müsste. Das entlastet nicht nur staugeplagte Bürger, sondern auch der Kasse des Verkehrsministers. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition heißt es: „"Wir wollen die Möglichkeiten der Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Geldgebern oder Infrastrukturgesellschaften als zusätzliche Beschaffungsvariante nutzen, wenn dadurch Kosten gespart und Projekte wirtschaftlicher umgesetzt werden können.“"

A-Modelle zum Bau von Autobahnen

Nach den sogenannten A-Modellen, die sich auf Bau und Betrieb von Autobahnen bezieht, finanziert ein privater Investor das Projekt und erhält im Gegenzug die dort anfallenden Mauteinnahmen. Meist handelt es sich bei diesen Projekten um den Ausbau von stark belasteten Autobahnen von vier auf sechs Streifen.

Sechs Projekte wurden bereits realisiert, davon vier als Teil der Pilotstaffel ab 2005. Zwei weitere Projekte auf der A 8 von Ulm nach Augsburg in Bayern und auf der A 9 von Lederhose bis zur bayerischen Landesgrenze in Thüringen sind Teil der zweiten Staffel. Diese umfasst insgesamt neun Projekte. Die erste Staffel hat ein Bauvolumen von rund 1,1 Milliarden Euro und eine Strecke von insgesamt 230 Kilometer. Aktuell bereitet das Bundesverkehrsministerium eine dritte Staffel von ÖPP-Projekten vor.

Bundesrechnungshof sieht ÖPP kritisch

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die ÖPP nicht als Wundermittel ansehen. Der Bundesrechnungshof bemängelt bei den ersten sechs realisierten Modellen, dass sie gegenüber der klassischen Haushaltsfinanzierung deutlich teurer seien. Als Grund dafür führen die Experten die Finanzierungskosten der privaten Unternehmen an. Der Staat komme immer billiger an Geld als die Privatwirtschaft. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat auf Veranstaltungen aber immer bekräftigt, an ÖPP festhalten zu wollen. Er bereitet mit der dritten Staffel eine „neue Generation ÖPP“ vor, wie sein Ministerium erklärt. Noch werde an den konkreten Projekten gearbeitet. Die neue Generation ÖPP umfasse 670 Kilometer Autobahn und ein Neubau-Investitionsvolumen von rund 7,5 Milliarden Euro. Dazu kämen Erhaltungs- und Betriebsmaßnahmen von rund 7,5 Milliarden Euro, die im gesamten Konzessionszeitraum der 30 Jahre anfallen.

9. Was bringt die Einrichtung eines Infrastrukturfonds?

Es häufen sich die Stimmen derjenigen, die einen Fonds zur Finanzierung der Infrastruktur fordern. Er wäre langfristig angelegt und Vorhaben wären in Planung und Finanzierung nicht mehr nur auf ein Haushaltsjahr beschränkt. Experten schätzen, dass sich die Effizienz von Bauvorhaben durch eine Fondslösung um zehn Prozent steigern lässt – das entlastet den Haushalt immens.

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) hatte ein solches Modell ins Spiel gebracht, für das sich nun auch sein Kollege und Parteifreund aus Mecklenburg-Vorpommern, Christian Pegel, stark macht. Pegel hat bis Ende 2016 den Vorsitz der Verkehrsministerkonferenz. Im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell sagt Pegel dazu: "„Ich finde die Fondslösung einen schönen Gedanken, weil dann Geld langfristig zur Verfügung stünde und man neue Modelle des Planens und Bauens in Angriff nehmen könnte. Aktuell verhält es sich so, dass wir zwar mehr Geld verlangen, von der Planungs- und Ausführungskompetenz her aber gar nicht in der Lage wären, zum Beispiel 2015 einfach mal das Doppelte auszugeben. Man müsste die Mittel langsam aufbauen. Genau das ist ja eine der Ideen hinter der Fondslösung. Man könnte Schritt für Schritt die Planungskapazitäten in den Ministerien sowie in der Wirtschaft bei den Baufirmen aufbauen."“ Eine Prognose, ob die Fondslösung kommt, wagt Pegel aber nicht. Beim Bund sehe er derzeit keine Bereitschaft, die Länder hier zu unterstützen.

Haushaltspolitiker befürchten Schattenhaushalt

Thomas Hailer, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums, denkt, dass Haushaltspolitiker sich nur an der Begrifflichkeit stören. „"Das Wort Fonds riecht nach Schattenhaushalt und nach Geldern, auf die sie keinen Zugriff haben"“, erläutert er im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell. „"Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, braucht es eine starke parlamentarische Kontrolle für ein solches Instrument. Für die Idee von Fondslösungen machen wir uns weiterhin stark: Denn wir brauchen den Rückfluss nicht verbauter Investitionsmittel und langfristig überjährige Budgets"“, erklärt Hailer.

Als Vorteil eines solchen Modells sieht er, dass die Wirtschaft dann eine deutlich höhere Planungssicherheit bekomme und besser Kapazitäten für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten aufbauen könne. "„Experten gehen davon aus, dass man unterm Strich die Effizienz um zehn Prozent steigern könnte"“, sagt Hailer. „Die Beschränkung auf immer ein Haushaltsjahr ist schwierig: Die Investitionen fließen durch das sogenannte Dezemberfieber oft nicht in die wirklich dringenden Projekte, außerdem können die Planungs- und Ingenieurbüros ihre Kapazitäten nicht optimal steuern“, erläutert der Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums.

10.  Was bringt eine Privatisierung von Verkehrsprojekten?

Wird die Autobahn zum attraktiven Renditeobjekt? Können sich künftig auch Bürger Anteile an Verkehrsträgern sichern? Möglich ist offenbar vieles. Eine von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte „Expertenkommission zur Stärkung von Investitionen“ lotet mehrere Möglichkeiten aus, wie verstärkt privates Kapital für den Verkehrswegebau mobilisiert werden kann. Ein Bürgerfonds, über den sich Kleinanleger an Baumaßnahmen beteiligen können, wäre Medienberichten zufolge demnach eine Option.

Geprüft wird aber auch, wie verstärkt institutionelle Anleger – explizit Pensions- und Versicherungsgesellschaften – für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten herangezogen werden können. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kann sich diese Form der Einbindung zum Beispiel im Rahmen einer neuen Generation von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) vorstellen. Möglich sei zum Beispiel, dass Auftragnehmer von ÖPP-Projekten die Wahl haben, ob sie ihren Finanzierungsanteil klassisch über eine Bankenfinanzierung oder eben durch institutionelle Anleger erbringen.

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