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Masternaut Deutschland Neid oder heimliche Entlassungswelle?

Foto: Masternaut

Der Telematiker Masternaut Deutschland hat ein neues Webportal entwickelt und ist nach eigenen Angaben auf Wachstumskurs. Kritiker sehen das Unternehmen hingegen auf dem absteigenden Ast.

Größe allein muss noch kein Garant für Erfolg sein – vor allem dann, wenn ein Unternehmen nicht organisch gewachsen ist. Das dürfte wohl einer der Gründe sein, warum einige Telematik-Insider den Anbieter Masternaut Deutschland als einen der Kandidaten für die nächste Übernahme handeln. Das Unternehmen gehört zwar zum in Großbritannien beheimateten Masternaut-Konzern, dem nach eigenen Angaben größten Telematikanbieter Europas, ist aber hoch verschuldet.

Auf den ersten Blick gibt es tatsächlich Anhaltspunkte, die für diese These sprechen. Da sind zum einen die Bilanzen der vergangenen Jahre, die man im Bundesanzeiger einsehen kann. Diese weisen für das Geschäftsjahr 2010/11 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von rund 6,2 Millionen Euro aus. Ein Minus, welches von der Übernahme des Wettbewerbers Cybit herrührt. Der hatte sich wohl durch den Kauf von Truck 24 finanziell übernommen.

"Für uns war dabei vor allem das Lkw-Portal interessant", erläutert Masternaut Deutschland-Geschäftsführer Nick Walker den Hintergrund der Übernahme von Cybit. Wobei er im Gespräch mit trans aktuell betont, dass im Allgemeinen Zukäufe mit Vorsicht zu tätigen sind. "Im Normalfall haben Sie dann zwei Systeme und das Problem, diese zusammenzuführen."

Kontrovers diskutiertes Webportal

Auch wenn er das wahrscheinlich nicht aufs eigene Unternehmen bezieht – gewisse Parallelen lassen sich ziehen: Denn das besagte Online-Portal von Cybit war sichtlich in die Jahre gekommen, weshalb Masternaut eine neue Plattform namens Connect entwickelte.

Rund 20 Millionen Euro flossen in diesen "technologischen Sprung in die Zukunft der Telematik", wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt. Dabei handelt es sich um eine sogenannte SaaS-Lösung (Software as a Service), besser bekannt als Cloud. Connect ist also ein Webportal, das aus unterschiedlichen Modulen besteht. Jeder Kunde kann entscheiden, welche er davon benötigt. 

Von Kritikern ist zu hören, dass eben genau diese Plattform Connect nach wie vor nicht funktioniere. Diesen Aussagen widerspricht Nick Walker: "Das System läuft zuverlässig und ist im Hinblick auf die Skalierbarkeit sowie die Robustheit absolut zukunftssicher." Im Zuge der Recherche von trans aktuell gaben auch dem Unternehmen nahestehende Personen – die allerdings nicht auf dem Gehaltszettel stehen – zu Protokoll, dass die Kritiker falsch liegen und das Webportal tatsächlich funktioniere.

Schlechtes Selbstmarketing

Nicht ganz so gut funktioniert hingegen das Marketing in eigener Sache. Aus der Historie heraus gab es bis April 2013 nämlich auch noch ein Unternehmen namens Masternaut in Meerbusch. Das in einer Pressemitteilung als "Meilenstein für Masternaut" gefeierte Ereignis war nichts anderes als die buchstäbliche Liquidierung eines stark defizitären Vertriebsstandorts, der noch aus Cybit-Tagen stammte. Eine etwas zurückhaltendere Verlautbarung hätte sicherlich weniger (negative) Spekulationen hervorgerufen.

So ganz ohne Zukäufe kommt übrigens auch Masternaut nicht aus. Dabei beschränkt sich das Unternehmen allerdings auf Firmen mit Lösungen, die es selbst nicht im Portfolio hat. Gemeint ist die Übernahme von E-Novation BTC Mitte letzten Jahres. Damit hat sich der Telematiker das Know-how eingekauft, welches er benötigt, um die Tachografendaten in die eigene Lösung zu integrieren.

Intelligente Fahrtenschreiber kommunizieren mit Portal

Für den Nachweis der Lenk- und Ruhezeiten sei so nur noch eine einzige Hardware notwendig. Die Daten fließen dann allesamt ins Webportal Connect. Womit sich – so der Plan – die Daten besser nachvollziehen lassen und die Kunden zugleich ihre Betriebskosten senken können. Ein perspektivisch betrachtet durchaus einleuchtender Schachzug von Masternaut. Schließlich will die Europäische Union den sogenannten intelligenten digitalen Tachografen bis 2017/18 einführen.

Diese intelligenten Fahrtenschreiber können Geschwindigkeiten und Entfernungen sowie den Beginn und das Ende einer Transportfahrt automatisch aufzeichnen. Sie ermöglichen zudem die Fernkontrolle über eine drahtlose Datenübertragung an die Behörden.
Übrigens: Handwerker oder Servicetechniker sind unter bestimmten Bedingungen (maximal 7,5-Tonner, 100-Kilometer-Radius, Fahrer zugleich auch Arbeiter vor Ort) von der Regelung ausgenommen. Für die bei Masternaut starke Pkw-Sparte bringt dieser strategische Zukauf daher nichts. Ein weiterer Hinweis darauf, dass die Verantwortlichen auch weiterhin auf Lkw-Telematik setzen.

Wachstumspotential im Pkw-Bereich

Apropos Pkw: Genau dort sieht Masternaut weitere Wachstumspotenziale. So ist es nicht weiter verwunderlich, wenn in den Erfolgsmeldungen zur Neukundengewinnung insbesondere die Serviceflotten ein starkes Gewicht haben. Aber auch in der Logistik kann das Unternehmen punkten, so etwa im Heimatmarkt. Dort konnte Masternaut erst kürzlich die Zusammenarbeit mit dem europaweit agierenden Transport- und Logistikdienstleister Currie European mit Sitz in Schottland verlängern. Der wiederum hat rund 700 Fahrzeuge mit der Telematik von Masternaut ausgestattet.

Auf eine neue Strategie setzt Masternaut durch die Zusammenarbeit mit der spanischen Telefongesellschaft Telefónica, der in Deutschland der Mobilfunkbetreiber O2 gehört. Was allerdings den Vorwurf auslöste, dass Masternaut die Vertriebsaktivitäten reduziere. "Es ist richtig, dass in bestimmten Fällen nicht mehr der gewohnte Masternaut-Vertriebsmitarbeiter zuständig ist. Dafür bieten wir unsere Telematiklösung ohne Anfangsinvestition an. Das läuft dann allerdings über die Telefónica", erklärt Walker. Anders ausgedrückt funktioniert das Ganze wie beim Handy: Das Gerät gibt es umsonst, die Kosten werden auf die  monatlichen Raten umgelegt. "Das schont das Eigenkapital der Logistikunternehmen, die zudem sofort von der Rendite der Telematik profitieren", sagt Walker.

Mitarbeiterzahl nimmt ab

Wie trans aktuell aus gut unterrichteten Kreisen erfahren hat, befindet sich der Telematikanbieter Masternaut Deutschland zumindest bezüglich der Mitarbeiterzahlen anscheinend auf Talfahrt. Anders als von Masternaut Deutschland behauptet, würden eben nicht mehr als 40 Personen für das Unternehmen mit Sitz in Oberhaching arbeiten. 33 Personen seien es 2013 gewesen – aber nur bis zum Herbst.

Aufgrund betriebsbedingter Kündigungen hätte allein bei Masternaut Deutschland acht Mitarbeiter den Schreibtisch räumen müssen. Einige davon wären erst kurz zuvor per Headhunter ins Unternehmen geholt worden. Aber auch bei anderen Ländergesellschaften habe Masternaut Kündigungen ausgesprochen. Laut den Informationen die trans aktuell zugetragen wurden, dürfte Masternaut in der gesamten Gruppe damit noch rund 500 Menschen beschäftigen – und eben nicht mehr als 600, wie Masternaut angibt.

Unternehmen dementiert

Nick Walker, Geschäftsführer Masternaut Deutschland, widerspricht diesen Vorwürfen im Gespräch mit trans aktuell: "Wir haben lediglich das Marketing zentralisiert. Dabei wurden zwei Personen bei Masternaut Deutschland entlassen. Außerdem wurden zwei Mitarbeiter in der Probezeit gekündigt, weil diese nicht den Erwartungen entsprachen", erklärt er. Das sei zwar nicht optimal – aber ein normaler und nachvollziehbarer Vorgang. In Deutschland würden zudem de facto 42 Personen für Masternaut arbeiten.

Auf Nachfrage stellte sich allerdings heraus, dass hier die rund zehn Mitarbeiter von E-Novation bereits hinzugezählt wurden. Das Unternehmen also, welches Masternaut erst im vergangenen Jahr zugekauft hat. Auch bezüglich der Mitarbeiterzahl im Gesamtkonzern widerspricht Walker. Er geht von zuletzt 621 Beschäftigten im Jahr 2013 aus.

Probleme in Deutschland

Die Gerüchte machen auch in Bezug auf die Marktdurchdringung nicht Halt. Demnach tut sich Masternaut schwer, in Deutschland neue Kunden zu gewinnen. Tatsächlich sieht es so aus, dass der Telematiker vor allem in Frankreich und Großbritannien punkten kann. In jüngster Vergangenheit allerdings auch nur durch die Verlängerung bereits bestehender Verträge.

In einem zollen aber selbst die schärften Kritiker Respekt: Die neuen Web-Plattform Connect, in die der Telematiker nach eigenen Angaben rund 20 Millionen Euro investiert hat, sei ein Meilenstein. Zudem ist zu hören, dass Masternaut in eigene Hardware investiert. Eine Nachricht, die bei potenziellen Kunden sicherlich gut ankommt. Warum das Unternehmen sich ausgerechnet an dieser Stelle nicht mit Ankündigungen überschlägt, ist hingegen nur schwer nachvollziehbar.

Festzuhalten ist, dass Größe allein ist tatsächlich kein Garant für Erfolg darstellt. Aber nur weil die Pkw-Telematik bei Masternaut den höheren Stellenwert einnimmt, heißt das nicht zwangsläufig, dass die Lkw-Sparte bald auf der Übernahmeliste eines anderen Unternehmens stehen muss oder gar komplett den Betrieb einstellen wird. Das gilt für den deutschen Ableger allerdings nur so lange, wie die Muttergesellschaft ihre schützende Hand über Oberhaching hält.

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