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Marktübersicht Start-ups Neue Mitspieler

Start-ups Fotolia

Logistik-Start-ups schicken sich an, den Unternehmen Marktanteile abzugraben. Ihr Kapital sind ihre Ideen, ihre Software, ihre Algorithmen. Welches Geschäftsmodell die Unternehmen verfolgen und worin sie ihre Chancen sehen, zeigt trans aktuell in einer umfangreichen Übersicht von 13 Unternehmen.

Einer aktuellen Analyse der Strategieberatung Oliver Wyman aus München zufolge ist im Jahr 2017 die Zahl der für die Branche interessanten Start-ups in Deutschland, der Schweiz und Österreich von zuvor 40 auf knapp 60 gestiegen.

Laut Max-Alexander Borreck, Logistik-Berater bei Oliver Wyman, sind einige der deutschen Gründungen bereits über die Start-up-Phase hinaus und entwickeln sich zu "ernstzunehmenden Logistikern". Im Gegenzug überlegen etablierte Unternehmen, wie die digitale Transformation sich mit ihrem bisherigen Geschäftsmodell verbinden lässt: DB Schenker, Kühne + Nagel, Fiege, DHL. Laut Borreck nehmen sie die Digitalisierung des eigenen Kerngeschäfts in Angriff oder schicken dafür eigene Start-ups ins Rennen.

Logistiker versus Technologiegiganten

"Die Zeiten der klassischen Supply Chain mit ihren typischen Akteuren werden bald vorbei sein", heißt es in der alljährlichen Marktanalyse des Beratungsunternehmens Oliver Wyman. Der Wettbewerb in der Logistik ordne sich neu: "Onlinehändler und Technologiegiganten besetzen zunehmend wichtige Schaltzentralen der Logistikkette." Google, Amazon und Alibaba sind dabei die Vorreiter.

In Deutschland bestimmen vor allem digitale Speditionen die Start-up-Szene in der Logistik, die mit der Nutzung von intelligenten Algorithmen das Frachtgeschäft effizienter und schneller abwickeln wollen. Darunter etwa Instafreight. "Kunden können sich auf instafreight.de einloggen und über unseren Preisalgorithmus live Preise für Transporte quer durch Europa ermitteln und online verbindlich buchen. Neben der Website binden sich erste große Unternehmen via API an unsere Systeme an und platzieren ihre Aufträge direkt bei uns", sagt Philipp Ortwein, Geschäftsführer von Instafreight, das als "One-Stop-Shop für Straßentransporte von der einzelnen Palette bis zum kompletten Lkw" auftritt.

Sennder fokussiert auf Komplettladungen

Das Start-up Sennder legt den Fokus auf Komplettladungen und verweist auf ein Netzwerk mit rund 3.000 Fahrzeugen sowie auf 100-prozentige Preistransparenz, Live-Tracking wie auch 24/7-Service. "Ein Markt, getrieben von stark wachsenden Handelsriesen, bedient von über 400.000 gelisteten Frachtführern, in welchem Faxgeräte noch als Standard gelten, schreit geradezu nach Optimierungspotenzial", heißt es von dem Unternehmen.

Frachtbuchung einfacher machen

Die Freighthub-Plattform wiederum bietet Quotierung, Buchung und Sendungsverfolgung für den globalen Container(FCL)- und Paletten(LCL)-Transport, vornehmlich für See- und Luftfrachttransporte. "Allein um ein Angebot für den Transport zu bekommen, wartet ein Auftraggeber heute bis zu drei Tage; für die Buchung eines Containers sind im Branchendurchschnitt sogar 12 bis 14 Abstimmungsschritte per E-Mail, Telefon und Fax nötig. Das hat uns so schockiert, dass wir schlussendlich beschlossen haben, Freighthub zu gründen", sagt CEO und Gründer Ferry Heilemann. "Fracht buchen ist bei uns genauso einfach wie Flug buchen."

Etablierung vor Profit

Start-ups haben drei Wachstumsphasen – Hauptfaktor Schnelligkeit
 
Kein Start-up gleicht dem anderen. Und doch lässt sich die Entwicklungsphase der jungen Unternehmen oft in ein Drei-Phasen-Schema einordnen: die Früh-, die Wachstums- und die Endphase. Gablers Kompakt-Lexikon Unternehmensgründung erläutert entsprechend die einzelnen Abschnitte.

In der Frühphase entstehe die Idee zum Produkt und ein noch nicht fertig entwickelter Prototyp, der nach und nach heranreife und auf die Markteinführung vorbereitet werde. Auch die Akquisition von Kunden beginne. "Der Zeitpunkt des erstmaligen Aufeinandertreffens von Idee und Kunde kann meiner Meinung nach nie früh genug sein", erklärt Maximilian Rabl, CEO des Logistik-Start-ups Loadfox gegenüber trans aktuell.
"Wenn das Feedback des Kunden positiv ist, hilft das bei der Finanzierung und der weiteren Produktentwicklung."

Frühphase verbraucht am meisten Geld

Falle das Feedback jedoch weniger positiv aus, wisse man "schnell und relativ günstig", dass man in die falsche Richtung laufe. Das zu investierende Kapital in der Frühphase werde auch als Venture Capital bezeichnet. Gerade in dieser Phase, die auch den Titel Start-up-Phase trägt, bestehe ein erheblicher Finanzierungsbedarf, vor allem für die Entwicklung des Produkts und Marketingaktivitäten. Meist stamme das Kapital aus Krediten der Gründer oder deren privatem Umfeld, dem bereits vorhandenen Eigenkapital, Lieferantenkrediten, von sogenannten Business Angels, Venture-Capital-Unternehmen oder aus Fördermitteln.

Aufbau des Vertriebs

In der zweiten Phase, der Wachstums- oder Expansionsphase, stehe der Aufbau des Vertriebs im Fokus. Erklärtes Ziel sei eine schnelle Etablierung im Markt, Gewinn sei erst einmal zweitrangig. Das bestätigt auch Maximilian Rabl: "Gerade für Plattform-Modelle wie Loadfox ist es in der Expansionsphase essenziell, möglichst schnell die kritische Masse an Kunden zu erreichen – falls erforderlich auch auf Kosten der Profitabilität des Start-ups." Laut Gablers Kompakt-Lexikon bereiten manche Jung-Unternehmen in dieser Phase dann einen Börsengang vor. Zudem beginne die Suche nach Fremdkapitalgebern, unabhängig vom Venture Capital der Business Angels oder anderen.

In der dritten Phase – der Endphase – werde häufig das Management, das aus dem Gründerteam besteht, um erfahrene Führungskräfte ergänzt oder ersetzt. Die Finanzierung erfolge nach wie vor über Investoren und über Fremdkapital sowie über eigene oder durch einen Börsengang erzielte Gewinne. Befinden sich die Start-ups in dieser dritten Phase, müssen sie endgültig im Markt etabliert sein, um sich halten zu können: Jetzt wird es erst so richtig spannend.

"Digitalisierung macht dort Sinn, wo sich Prozesse standardisieren lassen"

Max-Alexander Borreck, Logistik-Berater bei Oliver Wyman, über Start-ups und Kooperationsmöglichkeiten mit dem Mittelstand

trans aktuell: Herr Borrek, was zeichnet die Start-ups im Vergleich zu Unternehmen aus der klassischen Lieferkette aus?

Start-ups agieren befreit von historisch gewachsen Strukturen. Daher können sie digitale Prozesse schnell einführen und verbessern. Erfahrene Gründer nutzen dabei ihr Wissen, das sie insbesondere in datenaffinen Branchen wie dem Onlinehandel gesammelt haben. Jedoch fehlt den Start-ups oft das kritische Kunden- und Lieferantennetzwerk. Zudem verfügen sie in der Regel nicht über das Wissen rund um operative Kernprozesse, beispielsweise Verzollung oder Dokumentenmanagement. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich Start-ups hier personell gezielt mit Logistikexperten verstärken.

Was hat bei der digitalen Transformation derzeit die Oberhand – die Entwicklung digitaler Infrastrukturen oder die Entwicklung von Anwendungen?

Beide Themen gehen Hand in Hand. Viele Logistiker tun sich in der Entwicklung von Anwendungen beziehungsweise rein Software-gestützten Lösungen leichter – trotz der großen Komplexität ihrer gewachsenen IT-Systemlandschaft. Die Vorreiter der Digitalisierung in der Logistik setzen auf Partnerschaften, um die digitale Infrastruktur, etwa in Feldern wie Robotik oder Platooning, zu beeinflussen.

Was sind die größten Herausforderungen für die deutschen Logistik Start-ups?

Um einen "Quantensprung" in einer Industrie zu erreichen, bedarf es Zugriff auf eine Vielzahl von Ressourcen oder Know-how-Trägern. Nicht umsonst entstammen so viele erfolgreiche Start-ups dem Silicon Valley, wo es eine einmalige Dichte an High-Tech-Expertise, Finanzierung  und Talenten gibt. Die deutsche Logistiklandschaft mit vielen Weltmarktführeren, spezialisierten Lehrstühlen und Instituten bildet eigentlich einen perfekten Nährboden. Allerdings fehlt es häufig noch an einem eingeübten Zusammenspiel von Start-ups, etablierten Unternehmen und anderen Institutionen.

Wie kann sich der klassische Mittelstand an der digitalen Transformation beteiligen? Sind auch hier Kooperationen mit Start-ups möglich?

Viele Mittelständler sind erfolgreich, weil sie in der Lage sind, flexibel und schnell zu reagieren. Diese Fähigkeit müssen sie auch im digitalen Zeitalter beibehalten. Dazu zählt etwa, komplexe Prozesse auf Automatisierbarkeit zu überprüfen. Das umfasst sowohl die Automatisierung operativer Prozesse, aber auch die Integration von Waren-, Informations- und Finanzflüssen. Kooperationen mit Start-ups sind natürlich möglich – viele junge Unternehmen suchen die Nähe zum Mittelstand. Wichtig ist aber auch zu betonen, dass eine Partnerschaft mit einen Start-up nicht die rigide, organische Digitalisierung des eigenen Kerngeschäfts ersetzen kann.

Wo stehen wir in fünf Jahren: Welche der Start-ups habe eine Zukunft? Haben dann die großen Logistikdienstleister ihre Geschäftsmodelle alle digitalisiert?

Zunächst zu Ihrer zweiten Frage: Ein Großteil der Logistik wird in fünf Jahren digital sein. Digitalisierung macht dort Sinn, wo sich Prozesse standardisieren und automatisieren lassen. Es wird aber auch immer noch komplexe, seltene Geschäftsfälle abseits der großen Routen geben, die manueller Arbeit bedürfen. Hier wird auch in fünf Jahren der Aufwand einer Digitalisierung höher sein als Ihr Nutzen.

Zu Ihrer ersten Frage: Start-ups, die einen echten Mehrwert liefern und zum "Stand der Technik" beitragen, haben eine Zukunft. Das können etwa Start-ups sein, die "Virtual Warehousing" entwickeln und damit die Auslastung von Lagerhäusern steigern wollen, oder aber auch Gründungen, die eine end-to-end Transparenz über Herkunft und Zustand eines Produkts sichern. Insgesamt sehen wir viele Beispiele für solche Gründungen – besonders erfreulich ist der zunehmende Technologiefokus der Gründungen

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