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Logistische Lösungen Logistik lernen von den Bienen

Instituts-Chef Prof. Clausen Foto: Oliver Tamagnini

Auf der Suche nach logistischen Lösungen für unsere bewegte Zeit hat das Fraunhofer-Institut in Dortmund oft die Nase vorn. Die Wissenschaftler um Prof. Uwe Clausen finden Antworten, die nah an der Praxis sind.

Logistik planen, Mobilität sichern, Zukunft gestalten – das sind die Ziele, die das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik Dortmund tagtäglich antreiben. Um ihre hohen Ansprüche in die Tat umzusetzen und ihren Kunden Logistiklösungen für die Praxis zu bieten, pflegen die Wissenschaftler einen kurzen Draht zu Industrie und Handel. Gleichzeitig gilt es, aktuelle Entwicklungen kritisch zu analysieren und Trends aufzuspüren. Welche Rolle dabei Schwarmfische spielen und mit welchen Fragen sich das Effizienz-Cluster Logistik Ruhr beschäftigt, erzählte Institutsleiter Prof. Uwe Clausen trans aktuell-Redakteurin Claudia Wild.

trans aktuell: Herr Clausen, was können wir von Schwarmfischen und Bienen für die Logistik lernen?

Clausen: Der Nutzen naturanaloger Verfahren für die Intralogistik liegt darin, dass die Systeme flexibler reagieren können und einzelne Fahrzeuge nicht die Rückmeldung einer zentralen Instanz brauchen. Wenn wenig zu tun ist, kann man die Hälfte daher einfach entfernen und woanders einsetzen. Das Projekt wird zum Teil mit Mitteln aus dem Innovationscluster finanziert. Wir sind gut unterwegs, stecken aber noch im ersten Teil.

Was ist daran so interessant?

Das System lässt sich auch auf die Verkehrslogistik übertragen. Die heutigen Navigationssysteme reagieren recht statisch auf Informationen. In Zukunft könnten andere Faktoren eingebracht werden, wie die Störungsanfälligkeit von Routenvorschlägen und das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer. Neuere Lösungen des Routings durch ein Netzwerk werden dann möglich, wenn Fahrzeuge, Behälter, Menschen und Logistiksysteme miteinander kommunizieren können. Logistik basiert einfach sehr stark auf Kommunikation.

Sie sind wissenschaftlicher Leiter des Effizienz-Cluster Logistik-Ruhr. An welchen Projekten arbeiten Sie dort zurzeit?

Ich nenne Ihnen zwei Beispiele: Bei Multimodal Promotion geht es darum, eine Web 2.0 Oberfläche im Internet zu entwickeln, damit seltene Kunden im Kombinierten Verkehr gezielt Angebote erhalten und sich Anbieter so neue Kundenkreise erschließen können. Dazu bilden wir die Standorte und die Angebote von KV-Operateuren ab und treffen mit Vor- und Nachläufen eine Schätzung der Laufzeit und Kosten in einem Hersteller neutralen Umfeld. CO2-frei, denn das ist für viele ein wesentliches Kriterium.

Und das zweite Beispiel?

Dabei geht es um minimal-invasive Baumaßnahmen: Wir wollen Tools entwickeln für eine bessere Baulogistik, um den Zulieferverkehr und die Nutzung der Lagerflächen zu optimieren und unnötige Anfahrten einzusparen. Jeder kommt zur rechten Zeit.

Welche finanzielle Mittel stehen Ihnen zur Verfügung?

Alle 27 Projekte zusammen haben eine Fördersumme von 40 Millionen über fünf Jahre. Elf Forschungsinstitute und über 120 Unternehmen sind beteiligt. Beide Beispiele gehören einer Reihe von Projekten an mit einem Ziel: Die Logistik ermöglicht Effizient in Handel und Produktion, und wird selbst mittels guter Planung und Informationssysteme effizienter. Dass sich ein so großes Forschungsvorhaben primär mit der Logistik beschäftigt ist neu in der Forschung. Es hat deutlich gemacht, dass die Logistik eine innovative Branche ist.

Nachhaltig heißt aber auch, Logistikflächen gut zu nutzen.

Das ist richtig. Im nächsten Schritt wollen wir fragen, wie gut ein Logistikstandort auf Dauer geeignet ist. Dabei geht es um Bündelung, Erreichbarkeit, Platzierung zu anderen Zentren und Flächeneffizienz.

Was tun Sie, um als Wissenschaftler nicht im Elfenbeinturm zu sitzen?

Rund die Hälfte unserer Aufträge generieren wir direkt von Handels-, Industrie- und Dienstleistungsunternehmen. Wir müssen dazu die Entwicklungen in den Logistikmärkten gut kennen, um unsere Kunden in ihren strategischen Zielen zu unterstützen. Das ist eine spannende und lohnende Herausforderung.

Wie filtern Sie dabei die wichtigen Fragestellungen heraus?

Nehmen Sie mal das Feld der Distributionsanalysen. Unsere Mitarbeiter sind vor Ort in Projekte eingebunden, lernen auf Fachtagungen, lesen Fachzeitschriften und diskutieren mit Praktikern und Kollegen, um in einem Themenfeld beschlagen zu werden. In der Praxis lösen sie dann zum Beispiel Fragen nach der richtigen Verteilung und Anzahl von Lagern. Ich selbst versuche, aktuell relevante Logistiktrends zu erkennen, zu verstehen und mit Besuchen bei Unternehmen Blicke in die Tiefe zu bekommen.

Welches sind aus die wichtigsten aktuellen Trends?

Ein Trend ist die Nachhaltigkeit. Hinzu kommt die Sicherheit. Die Optimierung von Logistik führt uns manchmal an Grenzen, die das System instabil machen. Hier müssen wir Vorkehrungen treffen, damit Logistiksysteme auf Beeinflussung von außen reagieren können, im Bereich Security (Kriminalität) und Safety (Umwelt, Technik). Sie müssen robuster werden und eingebaute Sicherheitschecks erhalten. Die Globalisierung ist ein anhaltender Trend, der nun auch die Mittelständler erreicht hat. Der Trend wird weiter fortgeführt, dass deutsche Kunden durch internationale Investoren übernommen werden und europäische Unternehmen mit anderen Teilen der Welt zusammenarbeiten. Hinzu kommen technologische Impulse durch Satellitennavigation, dezentrale Kommunikation und Identifikation. Auch die Frage, wie man dezentrale Regelkreise mit Selbststeuerung in einem größeren Intralogistiknetz organisiert, ist sehr spannend.

Die Grüne Logistik spielt eine wachsende Rolle in der Branche. Reichen die Anstrengungen aus, um die Co2-Reduktionsziele zu erreichen?

In Deutschland tun wir in der Grünen Logistik schon eine ganze Menge. Doch auf der Welt ist diese Entwicklung noch gar nicht mehrheitsfähig. Wir müssen daher in Europa glaubhaft und ernsthaft dem Klimawandel vorbeugen, aber gleichzeitig unseren Einfluss nicht überschätzen. Eigentlich muss es darum gehen, wie sich Logistik, Industrie und Handel weltweit entwickeln. Auch die Anzahl an Heizungen und Klimaanlagen in den Büros und Wohnungen hat einen ganz maßgeblichen Einfluss auf die Treibhausgasemissionen. Oftmals steht der geforderte Service in Konkurrenz zu grünen Zielen. Wie lassen sich Verkehre besser bündeln und energieeffiziente Logistikstrukturen aufbauen? Bei der Suche nach Antworten muss die Logistik eine Führungsrolle übernehmen – als Grüne Logistik können wir dann auch über Deutschland hinaus wirken.

Auch Staumanagement hilft, Emissionen zu vermeiden …

Im Ruhrgebiet haben wir durch bessere Informationen Umwege-Fahrten mit dem Lkw vermieden – mit einem Routing nach Fahrzeugarten, damit Lkw nicht in für sie ungeeignete Bereiche hineinfahren. Zweitens geht es um eine zeitliche Entzerrung von Verkehren. Welche Verkehre kann ich auf die Tagesrand- und die Nachtzeit verlagern? Gewisse Chancen bieten auch Planungssysteme für Personen- und Verkehrslogistik, die zum Beispiel Reisezeiten frühzeitig prognostizieren, Alternativen aufzeigen, Routen abgleichen – das tun die Systeme heute noch nicht. Bessere Daten könnten dafür sorgen, dass sich Verkehr verlagert.

Wie steht es um die Elektromobilität?

Ich bin kein glühender Fan der Elektromobilität, weil ich sehe, dass wir bei Diesel und Ottokraftstoff eine hohe Energiedichte haben und E-Fahrzeuge noch recht teuer sind. Doch Elektromobilität ist ein wichtiger Forschungsbereich, technisch und logistisch-betrieblich. Wir wollen wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen man sich von fossilen Treibstoffen unabhängig machen kann. Wie groß ist die Reichweite? Wie sieht das Fahrzeugkonzept aus, was bedeutet es wirtschaftlich und wann kann ich wo Strom tanken? Im Moment ist Elektromobilität aufgrund der eingeschränkten Reichweite eher im Wirtschaftsverkehr als im Fern- und Personenverkehr zuhause.

Auch die Bahn ist teilweise elektromobil unterwegs. Wann ist sie die beste Wahl?

Wenn ich heute, kurz nach Mittag, einen Transport in einen anderen Landesteil buchen will, komme ich eher auf einem Lkw unter als in einem Waggon. Das kann man aber nicht der Deutschen Bahn vorwerfen. Der Schienenverkehr hat andere Stärken als der Straßengüterverkehr. Wenn es um die Verteilung in der Fläche, die Durchführung von Kleingut- und Teilladungen und die Flexibilität geht, hat der Lkw die Nase vorn. Aber der Schienengüterverkehr hat ganz hervorragende Eigenschaften, gebündelte Mengen effizient und zu geringeren Kosten zu befördern. Große Teil der Chemie- und Automobilindustrie würden ohne die Schiene ein langes Gesicht machen. Die spannende Frage ist, wie steht es um die Sendungsgrößen dazwischen für weite Entfernungen: Wie organisieren wir dafür KV-Netze nah am Kunden? Die Bahnen auf dem Nord-Süd-Korridor Schweden nach Italien haben sich gut entwickelt.

Sind lange Güterzüge eine Antwort auf bevorstehende Herausforderungen?

Das wäre ein gutes Investment, längere Züge im Netz zu realisieren. Auf bestimmten Korridoren sollte man das noch ernsthafter prüfen, denn vor allem auf sehr langen Strecken würde dies die Kapazität und die Transportökonomie erhöhen. Richtig wäre auch, die Leistungsfähigkeit von Knoten zu verbessern und Schwachstellen, wo noch nicht mal 700-Meter-Züge abgefertigt werden können, zu beseitigen. Wichtige Maßnahmen wären der Ausbau im Hamburger Hinterland nach Süden, der Zulauf zum Brenner-Basistunnel, die Strecke von den Niederlanden ins Ruhrgebiet, die eingleisige Anbindung des Chemiedreiecks im östlichen Bayern. Man hat einfach lange Zeit nur die großen Trassen und Neubauvorhaben betrachten, und dabei Überholungs- und Abstellmöglichkeiten vergessen.

Das Institut

Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik stellt sich allen Fragen der inner- und außerbetrieblichen Logistik. Es wurde 1981 gegründet. Unter der Leitung der Professoren Uwe Clausen und Michael ten Hompel arbeiten dort zurzeit 200 Wissenschaftler sowie 250 Doktoranden und vordiplomierte Studenten, unterstützt durch Kollegen in Werkstätten, Labors und Servicebereichen. Das europaweit zurzeit größte Logistikforschungsprojekt ist der Effizienz Cluster Logistik Ruhr mit 120 Partnerunternehmen und elf Forschungseinrichtungen, dessen wissenschaftlicher Vorsitzender der Institutschef ist. Neben dem Hauptstandort Dortmund ist das IML in Frankfurt/Main, Hamburg, Prien am Chiemsee, Lissabon und Peking vertreten.

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