Lkw-Kontrollen Gemeinsam Druck aufbauen

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Bußgelder für Abstands- und Überholvergehen lassen sich im europäischen Ausland kaum eintreiben. Den Kontrollbehörden bleibt vorerst nur ein Weg: mehr Kooperation, mehr Kontrollen und Kassieren an Ort und Stelle.

Der Rastplatz Eichkamp an der A 555 zwischen Köln und Bonn ist eigentlich gesperrt, der TÜV hat auf der gegenüberliegenden Seite ein Testgelände, die ersten Kontrollbrücken für die Lkw-Maut wurden auf der Strecke ausprobiert. Es gibt also viel Stellfläche für die Polizei, um Lkw zu kontrollieren, auch wenn hier überwiegend regional ansässige Transportunternehmer unterwegs sind. Am Donnerstag, den 2. Mai, wimmelte dann nur so vor gelben Westen. Die gemeinsame „Kontrolle“ der Ordnungspartnerschaft „Sicherheit im Lkw-Verkehr“ hatte begonnen. Geleitet wurde der Einsatz von Polizeihauptkommissar David Mettelsiefen, auf dem Gruppenfoto links zu sehen.

Seit 21 Jahren ist er bei der Polizei, seit November 2017 Gruppenführer beim Verkehrsdienst der Autobahnpolizei Köln, die rund 600 Kilometer Autobahn zu kontrollieren hat. Farblich etwas aus der Reihe fallen nur Marcus Hover vom Verband Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen e.V. (VVWL) und Dr. Werner Andres vom Bundesverband Güterverkehr, Logistik und Entsorgung e.V. (BGL). Alle Mitglieder dieser außergewöhnlichen Zusammenarbeit sind am Ende des Blogs aufgeführt.

Zwei räumlich getrennte Kontrollen

Die offizielle Pressemeldung der Kölner Polizei gibt nur die reinen Zahlen wieder: „Zwischen 10 und 15 Uhr fielen rund 270 Berufskraftfahrer durch Unterschreitung des Sicherheitsabstands, Missachtung von Überholverboten und Überschreiten der Lenkzeiten auf“, ließ der Leiter der Autobahnpolizei, Polizeidirektor Gereon Eich, verlauten.

Auf meine Nachfrage ergibt sich allerdings ein Bild von zwei räumlich getrennten Kontrollen. Streifenwagen hatten 29 Lkw auf der A 555 gezielt aus dem Verkehr geholt und auf dem Parkplatz kontrolliert. „Hierbei wurden 23 Verstöße im Zusammenhang mit dem gewerblichen Güterverkehr festgestellt“, konkretisiert Mettelsiefen. „Sieben Verstöße gegen das Fahrpersonalrecht, dreizehn Verstöße wegen des technischen Zustandes oder der Ladungssicherung sowie drei sonstige Verstöße.“ Oder anders gesagt: Nur sechs der 29 kontrollierten Fahrzeuge waren anstandslos auf Tour. Das gibt bereits zu denken.

Klare Tendenz bei den Verstößen

Weitaus besorgniserregender ist allerdings die „Ausbeute“ einer zeitgleich stattfindenden Abstandsmessung von einer Brücke über der A 4. Sagenhafte 162 der kontrollierten Lkw-Fahrer waren zu dicht aufgefahren. Zu geringer Abstand ist, neben Ablenkung und Müdigkeit, die Hauptursachse für die schweren Lkw-Unfälle am Stauende, die mittlerweile fast täglich passieren. Unter den im Rahmen der Videoaufzeichnungen durch das VKS-Verkehrskontrollsystem ermittelten Kennzeichen waren zu 65,45 Prozent ausländische Fahrzeugzulassungen und zu 34,55 Prozent deutsche Zulassungen. Damit hat sich, jedenfalls bei dieser Momentaufnahme auf der A 4, das bisher von der Polizei immer genannte Verhältnis „jeweils etwa zur Hälfte“ spürbar verschoben. Angehalten wurden die Fahrzeuge jedoch nicht.

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath

Ausländische Abstandssünder nicht zu fassen

Dabei bestätigt sich einmal mehr, was ich bereits im letzten Jahr in meinen Blog „Nicht zu fassen“ beschrieben habe: Wenn die Fahrer, insbesondere von osteuropäischen Lkw, nicht unmittelbar nach der Abstandsmessung angehalten werden und dabei eine Sicherheitsleistung auf das zu erwartende Bußgeld hinterlegen müssen, ist es auf Grund einer europäischen Richtlinie für die zuständigen Bußgeldstellen nahezu unmöglich, später überhaupt noch ein Bußgeld einzutreiben.

Traurig aber wahr: Entsprechend der Richtlinie (EU) 2015/413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2015 zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Austauschs von Informationen über die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte erfolgt ein Halterdatenaustausch nur bei in der Richtlinie aufgeführten Verstößen. Diese Richtlinie nennt konkret folgende, die Straßenverkehrssicherheit gefährdende Verkehrsdelikte: Geschwindigkeitsübertretung, Überfahren eines roten Lichtzeichens, Trunkenheit im Straßenverkehr bzw. Fahren unter Drogeneinfluss, Nichttragen eines Schutzhelms, unbefugte Benutzung eines Fahrstreifens, rechtswidrige Benutzung eines Mobiltelefons oder anderer Kommunikationsgeräte beim Fahren sowie das Nichtanlegen des Sicherheitsgurts.

Gefühlte Narrenfreiheit und der Verweis auf Brüssel

Mit anderen Worten: Immer, wenn sich deutsche Lkw-Fahrer darüber beklagen, dass sich osteuropäische Kollegen auf hiesigen Autobahnen vielfach wie in einem rechtsfreien Raum bewegen, dann ist das im Grunde richtig. Sie können durch eine Videoaufzeichnung – anders als die einheimischen Fahrer – kaum effektiv belangt werden.

Anfragen der Polizei und der Verbände beim Innenministerium in NRW haben daran bislang nichts geändert. Bereits im Juni 2018 schrieb etwa der VVWL an Verkehrsminister Hendrik Wüst: „Wir sind der festen Überzeugung, dass bei einer Verfolgung von Abstandsverstößen aller Verkehrsteilnehmer ungeachtet des Herkunftslandes die Häufigkeit und auch die Schwere von Unfällen am Stauende deutlich zurückgehen wird. Wir möchten Sie daher höflich bitten, sich für eine Änderung der Richtlinie (EU) 2015/413 dahingehend einzusetzen, dass ein neuer Artikel 2 i) „Unterschreitung des vorgeschriebenen Mindestabstands.“ eingeführt wird.

Handlungsunfähigkeit fatal für die EU

Sowohl das Innen- als auch das Verkehrsministerium, so hieß es am Rande der Kontrolle, hätten geantwortet, man wolle sich in Brüssel beim Europäischen Parlament dafür stark machen, dass diese Richtlinie geändert werden solle. Das ist natürlich mehr als blauäugig. Das Europäische Parlament steht vor einer Neuwahl am 26. Mai und ist seit letztem Jahr ausschließlich mit dem Mobilitätspaket und nun dem anstehenden Trilog beschäftigt. Fatal, würde doch eine erkennbar handlungsfähige EU viel weniger Bürger an Sinn und Nutzen der Union zweifeln lassen.

Doch bis aus Brüssel mit einer Neufassung zu rechnen ist, fahren noch viele Abstandssünder ungestraft die A 4 und andere Transitstrecken hinunter. Dasselbe gilt übrigens auch für Verstöße gegen das Überholverbot. Man kann getrost davon ausgehen, dass sich die betreffenden Fahrer dessen ganz genau bewusst sind.

Behördenübergreifend den Kontrolldruck aufrechterhalten

Bleibt also nur die Möglichkeit, den Kontrolldruck auf der Autobahn zu erhöhen. Immerhin hat NRW-Innenminister Herbert Reul nun offenbar verfügt, dass die speziell ausgebildeten Beamten der Autobahnpolizei nicht andauernd zu anderen Einsätzen, wie etwa dem Schutz des Kölner Brauchtums an Karneval, einsetzt werden sollen, sondern sich eben auf Lkw-Kontrollen konzentrieren können. Das passt zum Konzept von David Mettelsiefen. „Das Ziel der Polizei Köln ist es, einen gewissen Kontrolldruck aufrecht zu erhalten und die Kontrollen möglichst großflächig in unserem Zuständigkeitsbereich stattfinden zu lassen.“ Themenmäßig sei man nicht festgelegt, sondern, was den Schwerlastverkehr und dessen Kontrolle angehe, breit und gut aufgestellt.

„Wir, die Polizei Köln, sehen eine Menge Potential in der Ordnungspartnerschaft“, sagt Mettelsiefen abschließend. „Wir werden mehr Kooperationen mit anderen Dienststellen und Behörden eingehen, um noch besser für integrative Kontrollen vor Ort zu sein. Viele Ziele, die die einzelnen Ordnungspartner haben, überschneiden sich. Wir sind in der Gemeinschaft stark. Darüber hinaus können Botschaften der einzelnen Ordnungspartner an die jeweilige Zielgruppe jeweils aus eigener fachlicher und rechtlicher Sicht herangetragen oder besser transportiert werden. Es wäre falsch, diese Möglichkeiten nicht zu nutzen.“

Vor 20 Jahren gegründet

Die vor über 20 Jahren gegründete Ordnungspartnerschaft mit der Autobahnpolizei Köln hatte das Ziel, Unfälle durch Aufklärung zu vermeiden. Bereits Ende der 90er-Jahre lag dabei der Schwerpunkt der gemeinsamen Arbeit auf der Ladungssicherung, die damals von vielen an der Logistikkette Beteiligten mehr auf Vermutungen als auf Kenntnis basierte. „Diese Situation hat sich mittlerweile auf Grund besserer Unterweisung, nicht zuletzt durch das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz, deutlich gebessert“, erläutert Hover. Daher seien in den letzten Jahren der Erfahrungsaustausch der Sicherheitspartner untereinander und die gegenseitige Unterstützung bei einzelnen Projekten stärker in den Vordergrund gerückt. „Wir freuen uns, dass wir im Nachgang der Kontrolle darin überein kamen, wieder stärker öffentlichkeitswirksame Sicherheits- und Aufklärungsarbeit leisten wollen und in einem ersten Brainstorming auch schon zahlreiche Ideen gefunden haben.“

Die Mitglieder der Ordnungspartnerschaft „Sicherheit im Lkw-Verkehr“

In dieser Partnerschaft haben sich zusammengefunden: Bundesamt für Güterverkehr, Bezirksregierung Köln, Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., Dekra Köln, Berufskolleg Simmerath, Bundesanstalt für Straßenwesen, Deutscher Verkehrssicherheitsrat, BBG/SVG, Hendrisch Verlag, Polizei Köln, Verband Verkehrswirtschaft und Logistik, TÜV Rheinland (Köln), Unfallkasse NRW.

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