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Letzte Meile Rytle schafft Lösung für City-Distribution

Rytle, Movr, Lübs, Kruse, Bremen Foto: Franziska Nieß

Der Hard- und Softwarelieferant Rytle aus Bremen will die Zustellung auf der letzten Meile mithilfe von verschiedenen Bausteinen verbessern. Das eigens entwickelte Lastenrad Movr wird schon in Serie produziert.

Ein Zufallstreffen, wie es im Buche steht: Als sich Dr. Arne Kruse und Ingo Lübs im Mai 2016 im Bremer Haus der Innovation zum ersten Mal trafen, hatten sie noch nie voneinander gehört. Kruse, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Unternehmensberatung Orbitak, die im Bremer Haus der Innovation sitzt, kümmerte sich an diesem Tag um die Verladung eines seiner Lastenräder. Lübs, Marketingleiter der Krone Nutzfahrzeug Gruppe, war für ein geschäftliches Meeting gemeinsam mit Bernard Krone im Haus.

Ein gemeinsamer Nenner fand sich schnell: Die Lieferkette und den Transport auf der letzten Meile verbessern. Kruse brachte dazu 20 Jahre Erfahrung in Automotive und Logistik mit, seit zehn Jahren beschäftigt sich Orbitak auch mit Lastenrädern. Lübs lieferte das Know-how über Nutzfahrzeuge und logistische Abläufe.

Nicht nur Lastenräder, sondern ein ganzheitliches System

"Wir wollten für die Innenstadt-Belieferung nicht einfach neue Lastenräder bauen, sondern ein ganzheitliches System schaffen", erklärt Kruse im Gespräch mit trans aktuell. Nach gemeinsamen Workshops mit Ingenieuren, Sozial- und Geisteswissenschaftlern stand ein entsprechendes Konzept und die Firma Rytle, ein Spin-off von Krone und Orbitak, mit den Geschäftsführern Kruse und Lübs. "Innovation bedeutet, nicht nur Neues zu erfinden, sondern auch, schon Bestehendes intelligent zu kombinieren", sagt Kruse. Deshalb basiere Rytle auf Neuem und Bewährtem.

Das neu entwickelte Lastenrad Movr mit zwei Elektromotoren bildet einen Baustein des Rytle-Konzepts. Die dazugehörige normierte Box kann der Fahrer einfach abkoppeln und auf den Laufrollen leicht bewegen. Das hat seinen Grund, denn neun solcher Boxen passen in das von Krone hergestellte Mikro-Hub. Die Wechselbrücke lässt sich auf den Boden fahren, um den Fahrern das Be- und Entladen zu ermöglichen. "Die Kommissionierung erfolgt daher außerhalb der Stadt und die Lastenräder können – sofern es die Ware zulässt – einen Lkw im Stadtverkehr ersetzen", erklärt Kruse. Die Boxen an sich sind ebenfalls schon vorgepackt.

Ein neuer Ansatz für die Innenstadt-Belieferung, Kruse nennt ihn disruptiv. "Die Unternehmen müssen dafür ihre Prozesse ändern." Daher seien Logistik-Berater von Rytle und die beiden Geschäftsführer momentan viel beratend tätig. Zum Rytle-Team gehören derzeit 30 Mechaniker, 15 IT-Experten und fünf Entwickler.

Pilotprojekte bei UPS, Hermes und der City Post

Pilotprojekte laufen bei Kunden wie UPS (siehe Interview mit Ralf Eschemann), Hermes oder der City Post. Meistens handele es sich um eine schrittweise Einführung. "Die meisten starten mit ein bis zwei Lastenrädern, die weiteren Bausteine kommen nach und nach hinzu", erklärt Ingo Lübs. Denn Rytle bietet mehr als nur Lastenräder. Die Geschäftsführer nennen das Angebot "infrastructure as a service", wollen künftig also Dienstleistungen rund um die letzte Meile anbieten.

Dabei sind die einzelnen Bausteine auch einzeln verfügbar. Die Kunden können auch nur die Lastenräder oder nur die Mikro-Hubs kaufen. Eine große Rolle spielt allerdings die IT. "Wir sind Hardware- und Softwarelieferant für unsere Kunden", erklärt Kruse. Eigene Fahrer beschäftigt Rytle daher nicht.

Künftig kann jeder Rytle-Fahrer werden

Zum Thema IT gehört auch das Arbeiten in der Cloud, zu der im Grunde jeder Zutritt erhält. Genauso kann künftig im Sinne des Crowdworking im Prinzip jeder Rytle-Fahrer werden. Es werde künftig eine App für Fahrer geben und eine für Versender. Wer als Fahrer zur Verfügung steht, loggt sich ein und bekommt die freien Räder in der Umgebung angezeigt. Außerdem kann sich der Fahrer die Ware aussuchen, die er transportieren möchte. Die Bezahlung erfolgt ebenfalls per App und pro ausgelieferter Sendung. Ebenso einfach funktioniert die App für die Versender, die ihre Ware in die App stellen – vergleichbar mit dem Uber-Verfahren.

Wann die App-Lösung für Privatkunden in die App Stores kommt, lässt sich laut Kruse noch nicht genau sagen. Marktreif ist sie jedenfalls. "Die letzte Meile ist ein auf die Städte bezogenes Thema. Es kommt also darauf an, wann sie es angehen", erklärt der Diplom-Ingenieur. Aufgrund des Stadtbezugs gilt das Rytle-Angebot nicht nur bundesweit. "Wir haben eine globale Lösung entwickelt", sagt Kruse.

Weltweite Nachfrage

Lübs berichtet von einer weltweiten Nachfrage von Unternehmen aus Asien, Australien, den USA, Europa und aus dem arabischen Raum. Anfragen kommen auch vermehrt von Kommunen und Städten. Bevor sie weltweit durchstarten, wollen die Geschäftsführer aber erst einmal "europäische Hausaufgaben machen". Was auch bedeutet: das beste Lastenrad für die Innenstadt-Belieferung nun auszuliefern.

"Der Movr erfüllt alle Standards eines Lastenrads, ist versicherungs-, zulassungs- und führerscheinfrei", erklärt Lübs. Zudem entspreche er den ergonomischen Anforderungen für die verschiedensten Körpergrößen. Rund 70 Räder sind schon auf den Straßen unterwegs. "Bis Ende 2018 wollen wir etwa 1.000 Movr produzieren", beziffert Kruse das Ziel des Unternehmens.

Auf der IAA gibt es den Movr mit Brennstoffzelle

Der dreirädrige Movr kann 180 Kilogramm transportieren und eignet sich auch für den Stückguttransport, da die dazugehörige Box die Maße einer Europalette besitzt. Auch in der internen Werkslogistik kommt das Elektrobike zum Einsatz. Auf der IAA Nutzfahrzeuge im September stellt Rytle in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) den Movr mit Brennstoffzelle vor.

Im Falle eines Defekts bietet Rytle bald einen Ersatzteile-Service, der an den Ersatzteile-Shop von Krone angedockt ist. "So können Ersatzteile einfach und schnell nachbestellt werden", erklärt Lübs. Auch ein Service-System für die Reparatur vor Ort läuft mit Partnern gerade an. Scheint, als hätten die Verantwortlichen an alles gedacht.

Dabei folgen sie dem Motto und Namensimpuls des Unternehmens, denn Rytle setzt sich laut Lübs frei aus dem englischen Wort für Fahrrad, "bicycle" und dem Satz "doing new things right" zusammen. "Richtig" angepackt haben die beiden ihr Vorhaben wohl von Anfang an: Vor 17 Monaten starteten sie offiziell, vor einem Jahr lief der erste Prototyp vom Band – und nun beginnt die Serienauslieferung. Was aus einer Zufallsbekanntschaft so alles entstehen kann.

Die Bausteine

  • Movr: Lastenrad mit zwei E-Motoren (künftig auch in der Variante mit Brennstoffzelle verfügbar)
  • Box: austausch- und rollbar, Abmessungen: 1,2 Meter lang, 0,8 Meter breit, 1,8 Meter hoch
  • Mikro-Hub: inklusive Hydrauliksystem und Telematik, fasst neun Boxen
  • App und Cloud: jeweils eine App für Fahrer und Versender, Dashboard zur Übersicht der laufenden Vorgänge

Ralf Eschemann, Vice President für die Region Europa bei UPS, über die Zusammenarbeit mit Rytle

trans aktuell: Herr Eschemann, warum haben Sie sich für die Movr von Rytle entschieden?

Eschemann: Für uns besteht die Herausforderung darin, Fahrzeuge zu finden, die unseren Anforderungen entsprechen, die uns erlauben, effizient zu arbeiten. Dies gilt für Elektrofahrzeuge, die wir umrüsten lassen, genauso wie für Lastenräder. Bei den Lastenrädern stellte oft die Ersatzteilversorgung eine Herausforderung dar. Hier hoffen wir auf eine deutliche Verbesserung der Situation bei dem Movr von Rytle. Dabei hilft es natürlich, dass das Rad nach Indus­triestandard gefertigt wird.

Wie viele Movr sind für UPS im Einsatz?

Wir haben mit Rytle schon die ersten Prototypen getestet und waren bei der Entwicklung und Optimierung wesentlich beteiligt. Wir sprechen auch von unseren „rollenden Laboren“, da wir Herstellern helfen, Produkte aufgrund unserer Erfahrung weiterzuentwickeln. Davon profitieren beide Seiten. Mittlerweile fährt die zweite Generation der Movr für uns, aktuell bringen wir über 30 europaweit in den Einsatz.

Warum sind die Mikro-Hubs sinnvoll für UPS?

City-Logistik-Projekte, bei denen die Zustellung von Mikro-Depots aus oft mit Elektrorädern erfolgt, helfen uns, den Verkehr in den Städten zu reduzieren und die Paketzustellung ökologischer zu gestalten.

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