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KEP-Dienstleister Verdrängungswettbewerb tobt

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Der Internethandel boomt. Dennoch kämpfen vor allem kleine KEP-Dienstleister ums Überleben. Spezialisten sind aber weiterhin gefragt.

Die wirtschaftliche Erholung, die Ende 2011 unerwartet ins Stocken geraten ist, wird wohl auch in den ersten beiden Quartalen 2012 weiter auf sich warten lassen. In der zweiten Jahreshälfte soll sich dann jedoch wieder ein bescheidenes Wachstum einstellen. Das ist das Ergebnis einer Zwischenprognose der Europäischen Union. Danach bestehen nach wie vor erhebliche Unsicherheiten. Die Entwicklung verläuft jedoch von Land zu Land unterschiedlich. Die EU-Kommission erwartet eine leichte Rezession, auch wenn der Druck auf den Finanzmärkten allmählich nachlässt. Für Deutschland sagt die Kommission einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,6 Prozent voraus.

Die KEP-Branche als Wachstumbranche

Die KEP-Branche hierzulande versteht sich selbst als Wachstumbranche. Die Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren neue Anforderungen an die Transportunternehmen gestellt. Die Sendungen sind kleinteiliger geworden, die Frequenzen höher. Jährlich gibt es in Deutschland knapp 2,2 Milliarden Sendungen. Etwa 6.000 bis 8.000 Unternehmen bieten bundesweit KEP-Dienste an. Die Unternehmen beschäftigen in Deutschland rund 400.000 Menschen. Im Zuge der Globalisierung rechnet man künftig mit einem wachsenden Volumen auf dem europäischen KEP-Markt.

Dennoch erwartet der Bundesverband Internationaler Kurier- und Expressdienste (BIEK) für das Jahr 2012 zunächst eine Abschwächung der Wachstumsdynamik bei Volumen und Umsätzen. Mittelfristig bis 2015 geht er aber von einem stabilen und nachhaltigen Wachstum aus. Vor allem die positiven Wirtschaftsaussichten in wichtigen Kundenmärkten veranlassen zu dieser Zuversicht. Die weitere Entwicklung der Eurokrise und die damit verbundenen Auswirkungen bleiben abzuwarten. "Aber im Rückblick auf die vergangene Wirtschafts- und Finanzkrise bleiben wir vorsichtig optimistisch", sagt BIEK-Präsident Gunnar Uldall. Denn auch während dieser Schwächephase konnte ein stabiler Aufwärts- und Wachstumstrend, vor allem im Endkundengeschäft, also B2C und C2C, verzeichnet werden.

Steigender Kostendruck durch E-Commerce

Der boomende Internethandel beschert den Unternehmen demnach nach wie vor ein stetig steigendes Aufkommen. Vor allem in Deutschland ist die konjunkturelle Situation für die KEP-Branche noch positiv. Trotzdem ist vielen nicht gerade zum Jubeln zumute. Denn mit dem Wachstumstreiber E-Commerce geht auch der Kostendruck weiter, unter dem vor allem kleine und mittlere Marktteilnehmer leiden.

Deshalb herrscht im Allgemeinen eine abwartende Stimmung und die Unternehmen gehen teilweise davon aus, dass die Auftragslage im ersten Halbjahr leicht abflauen wird. In der zweiten Hälfte werden sich die Wolken vermutlich verziehen und sich die Auftragsbücher bis zum Weihnachtsgeschäft wieder füllen. Neben dem Online-Handel geht der anhaltende Trend zum Outsourcing weiter und damit die Nachfrage nach Mehrwertdiensten wie Ausliefern, Auspacken, Aufstellen und in Betrieb nehmen, wovon sicher einige Firmen profitieren.

Der Markt ist geprägt durch großen Dienstleister

Vor allem die vielen Tausend kleineren Unternehmen mit ihren Mitarbeitern sind Spezialisten auf der letzten Meile. "Ohne sie würde die KEP-Branche nicht funktionieren", sagt Dagmar Wäscher, Vorsitzende des Bundesverbandes Transportunternehmer (BVT). Allerdings sei der Markt geprägt durch die großen Dienstleister, die nach außen hin unverkennbar sichtbar sind und ihn beherrschen. Daher ist auch Rudolf Pfeiffer, Vorsitzender des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP), überzeugt, dass es "2012 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr stark um Synergien geht".

Die KEP-Branche ist momentan stark in Bewegung. Es zeichnet sich eine deutliche Konsolidierung des Marktes ab, getrieben durch die enormen Kosten der Globalisierung. Der Paketmarkt bewegt sich weltweit auf eine Big-Five-Konstellation zu. Treibender Faktor dürften die nach wie vor staatlichen Postgesellschaften sein. Pfeiffer rechnet daher im laufenden Jahr mit weiteren Übernahmen. Mittelständische Kurier- und Expressdienste sind von den Schwankungen der Wirtschaft nicht ganz so abhängig, da sie sich auf die schnelle Ersatzteillieferung jeglicher Art fokusiert haben.

BdKEP-Chef Pfeiffer erwartet einen Verdrängungswettbewerb

Special Speed Dienste und Expressdienstleister sind daher auch in wirtschaftlich schwächeren Zeiten unverzichtbar. "Rezession bedeutet hier eher Stagnation denn Verlust", sagt Pfeiffer. Er erwartet einen Verdrängungswettbewerb. Die Preispolitik der marktbeherrschenden Unternehmen wird viele Betriebe zum Aufgeben zwingen. Die Großen wollen ihre Marktstellung behaupten und ausbauen, die Weichen zu Übernahmen und Kooperationen sind bereits gestellt. Das bestätigt Luz Frederik, Geschäftsführer für Zentraleuropa bei Flash Europe Deutschland. Sein Unternehmen will 2012 expandieren und setzt dabei auf eine Mischung aus Zukauf und organischem Wachstum.

Als kurios bezeichnet die BVT-Vorsitzende Wäscher die Formen des Konkurrenzkampfes. Paketpreise von weit unter drei Euro für Großkunden, um sich Marktanteile zu sichern, scheinen keine Seltenheit mehr zu sein.

Umsatzverluste sind existenzgefährdend

Genau das macht den kleineren Paket- und Kurierunternehmen zu schaffen, denn der Preiskampf wird zum Teil auf ihrem Rücken ausgetragen. "Wer Preise unter drei Euro anbietet, muss irgendwo einsparen und tut dies eben nicht selten bei den sogenannten Subunternehmen", ergänzt Wäscher. Für ihre Mitglieder heißt dies, dass sie immer mehr Leisten müssen, ohne dass die Vergütungen steigen. Mehr Aufkommen bedeutet für sie nicht gleichzeitig mehr Gewinn. Im Gegenteil oft reichen die vorhandenen Kapazitäten nicht mehr und es muss in Fahrzeuge sowie Personal investiert werden.

Es geht darum, die eigene Existenz sowie die Mitarbeiter zu sichern. Angesichts der enorm hohen Kraftstoffpreise, steigender Versicherungsprämien und Lohnkosten brauchen kleinere Paket- und Kurierunternehmen höhere Vergütungen. Der Preisdruck ist immens. Für Kunden sind die Versandkosten das wichtigste. "So dass wir als Dienstleister auf den anderen Kosten sitzen bleiben", sagt Hans Kragt, Geschäftsführer der GTS Post aus Mannheim. Leider traue sich an eine Preiserhöhung im Bereich der Privatkunden zurzeit kein Versanddienstleister ran. Nur die Versandkosten der Firmenkunden werden erhöht. Der Markt der privaten Internetkäufer sei zu groß und zu wichtig, um sie als Kunden zu vergällen.

Dirk Conrads, Geschäftsführer der Trans-Express aus Sarstedt, sieht die in Gang gesetzte Preisspirale ebenfalls noch lange nicht am Ende. Denn in Preisgesprächen mit Subunternehmen geht es gar nicht um überfällige Erhöhungen, sondern gar um Kürzungen oder Gebietsänderungen mit Umsatzverlusten, die existenzgefährdende Ausmaße annehmen. Doch die Lieferkosten sind am untersten Limit angelangt. Löhne lassen sich nicht weiter kürzen, Arbeitszeiten nicht weiter verlängern. "Paketpreise werden erhöht werden müssen", sagt der BdKEP-Vorsitzende Pfeiffer. Er rechnet damit, dass der Personalmangel verursacht durch die demografische Entwicklung die Löhne steigen lassen wird. Und schon zeigt sich eine weitere Sorge der Unternehmen. Ein zu erwartender Fachkräftemangel zwingt sie, selbst auszubilden – ein weiterer riesiger Kostenfaktor.

Kunden wählen häufig Massentransporteure wie Deutsche Post oder UPS

Peter Meyer, Geschäftsführer von City Express Logistik aus Hamburg, hingegen leidet wie viele seiner Kollegen unter der verbesserten Qualität der Paketdienste. So würden Kunden immer öfter entscheiden, kleine Sendungen mit einem Massentransporteur wie der Deutschen Post DHL oder UPS zu versenden, da diese mittlerweile zuverlässig über Nacht zustellen. "Gegenüber der Zustellung mit einem Kurierdienst per Direktfahrt am selben Tag innerhalb einer Stunde in einer Großstadt kann das häufig eine Kostenersparnis von bis zu 80 Prozent ausmachen", sagt er. Selbst individuelle Lösungen, auf die Kunden bei Kurierdiensten immer zurückgreifen werden, stünden daher unter einem großen Preisdruck.
Möglichst billig ist gefragt. Daher beuten sich kleine Unternehmen häufig selbst aus, indem sie geringe Stundensätze berechnen. Nicht selten passt sich die Qualität entsprechend dem niedrigen Preis an, was viele Kunden dazu bewegt, zu größeren Kurierdiensten zu wechseln. "So verteilt sich der Kuchen permanent um, wird aber eigentlich nicht größer – im Gegensatz zum Wettbewerb", erläutert Meyer.

Die Innenstadtlogistik und Nachhaltigkeit sind auch 2012 wichtige Themen

Bestimmende Themen in 2012 werden weiterhin auch Nachhaltigkeit und die optimierte Innenstadtlogistik sein. Zumindest bei den Unternehmen, die der BIEK vertritt. Diese bekennen sich nach Aussagen Uldalls ausdrücklich zu einer Firmenpolitik aus ökonomischer, ökologischer und sozialer Verantwortung. "Sie setzen Nachhaltigkeitsprogramme um, optimieren bestehende Projekte und implementieren ständig neue, innovative Maßnahmen", sagt er.

Für GTS Post-Geschäftsführer Kragt sind die Nachhaltigkeitsbetrebungen der großen Paketversender nur Nebenschauplätze, über die sie sich versuchen vom Wettbewerb abzugrenzen. Und City Express-Logistik-Chef Meyer glaubt sogar, dass die Nachhaltigkeit etwas aus dem Fokus verschwinden wird. "Obwohl Kurierdienste hier Nachholbedarf haben", sagt er. Tatsächlich gebe es Großkunden, die bei ihren nachgeordneten Transporteuren darauf achten, dass diese nachhaltig arbeiten. Mehr bezahlen wollen sie dafür allerdings auch nicht. Und es wundert nicht, dass die Marge auch beim Thema Nachhaltigkeit zu Lasten der Kleinen geringer wird.

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