Johanna Birkhan hat nach dem Studium schnell Karriere gemacht. Bei der Stückgutkooperation VTL stieg sie als Mitglied der Geschäftsleitung ein und organisiert
die Prozesse zwischen Zentrale und Depots.
Man braucht ein bisschen Glück im Leben«, sagt Johanna Birkhan und lehnt sich in ihrem Ledersessel etwas zurück – wie zur Bestätigung für ihr eigenes Glück, dass sie bei der "Cargo Family", wie sich Kooperation VTL auch nennt, gefunden hat.
Zur Selbstständigkeit erzogen
Mit diesem Lebensmotto ist sie bisher gut gefahren. Birkhan ist ein echtes Landmädel, aufgewachsen in einem kleinen Dorf im Fränkischen als eine von drei Töchtern. "Mein Vater wollte immer Söhne", sagt die 27-Jährige, und so habe er eben seinen Mädchen alle wichtigen Handwerksdinge beigebracht: wie man einen Rasenmäher anschmeißt, ein Loch in die Wand bohrt oder verputzt und den Grill anmacht. "Meine Eltern haben mich zur Selbstständigkeit erzogen", sagt die junge Frau, auch in Dingen, die oftmals noch Männersache sind. Einzige väterliche Vorgabe: "Egal was du machst, die Leistung sollte stimmen."
Speditionskauffrau-Lehre bei Rhenus
So überrascht die Entscheidung nicht, dass Birkhan nach der mittleren Reife und dem Fachabitur eine Lehre als Speditionskauffrau bei Rhenus in Nürnberg begann. Ein Studium der Wirtschaftsinformatik brach sie nach zwei Semestern ab, "ich bin hart in der Realität erwacht", das hatte sie sich gänzlich anders vorgestellt.
Von da an ging es konsequent in eine Richtung: immer tiefer in die Speditionswelt. "Dass dies mal mein Traumjob wird, hätte ich nicht gedacht", sagt sie und lacht ansteckend. Überhaupt lacht Birkhan gerne und oft. Dass es im Speditionsgewerbe "ein bisschen hemdsärmelig" zugeht, gefällt ihr gut.
"Eine Frauenquote im Unternehmen brauchen wir nicht"
Hart, aber herzlich sei der Ton in der Speditionswelt, und wer freundlich sei, dem werde immer auch geholfen. Zum Beispiel wenn es darum gehe, noch eine Palette im Lkw unterzubringen, die dringend mit müsse. Dann hilft manchmal der Frauenbonus, sagt sie, auf den sie sonst gar nicht zählen will. "Eine Frauenquote in Unternehmen brauchen wir nicht. Frauen sind nicht schlechter als Männer, ganz im Gegenteil, aber sie verkaufen sich nicht so gut", ist sie überzeugt.
Ausbildung mit Auszeichnung
Ihre Ausbildung bei Rhenus hat die Fränkin mit Auszeichnung abgeschlossen: "Ich habe die beste Abschlussprüfung meines Jahrgangs gemacht", sagt sie stolz. Daraufhin habe ihr damaliger Chef sie an die Uni geschickt, obwohl sie gerne geblieben wäre. Talente soll man eben nicht verschwenden.
Studium der Verkehrsbetriebswirtschaft in München
Auf der Münchener Messe Transport Logistics informierte sie sich am Stand der Hochschule Heilbronn über das dortige Studium und war gleich angetan. Ihre Wahl: Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik mit Verkehrs- und Produktionslogistik als Vertiefungsfächer.
Das Studium war die schönste Zeit
Da sie kein BAföG bekam, jobbte sie am Wochenende in ihrem Heimatort beim Bäcker und arbeitete als studentische Hilfskraft ihres Professors Dirk Lohre. Nebenbei engagierte sie sich bei der Hochschulgruppe Transportökonomie und organisierte als Projektleiterin den Hochschulmessestand. "Ich habe natürlich auch das Studentenleben genossen. Das war die schönste Zeit meines Lebens", sagt sie offen.
Während des Studiums erfüllte sich die junge Logistikerin ein lang gehegtes Ziel und machte 2009 ihren Tauchschein. Aber nicht im Roten Meer oder auf den Malediven, sondern in den eiskalten Badeseen westlich von Heilbronn. Seitdem ist Birkhan zwar Mitglied des dortigen Tauchklubs, aber auch gerne mal im Süden unterwegs, zuletzt für eine Woche Tauchpauschalurlaub in Ägypten. "Das ist eigentlich gar nicht meins, ich will auf eigene Faust Land und Leute kennenlernen", sagt sie.
Tauchen als Hobby
Auf Zypern sickerte in 23 Meter Tiefe Wasser unter ihre Taucherbrille, "ich konnte nichts mehr sehen", doch sie behielt die Nerven und stieg, an den Tauchbegleiter geklammert, kontrolliert auf. "Da war ich froh über meine solide Ausbildung." Auch an ihr dreimonatiges Auslandspraktikum bei Siemens Malaysia schloss sie eine Rundreise durchs Land mit Tauchgängen an.
"Haben Sie eine Job für mich?"
Intensiv arbeiten und das Leben genießen liegen bei Birkhan eng beieinander. "Es kommt, wie’s kommt", sagt die junge Frau mit dem dynamischen, roten Schopf. Doch manchmal muss man dem eigenen Erfolg auf die Sprünge helfen. Während einer Abendveranstaltung der Hochschule Heilbronn auf der Messe in München traf die Studentin kurz vor Ende ihres Bachelors Andreas Jäschke, Geschäftsführer der Stückgutkooperation VTL in Fulda, und fragte ihn direkt: "Haben Sie einen Job für mich?" Für das Qualitätsmanagement konnte er sie nicht gewinnen. Doch als nur zwei Tage später sein Prokurist seinen Wechsel ankündigte, war die Chance da und sie griff zu. So wagte sie bei VTL den Sprung ins kalte Wassser, den sie von ihren Tauchgängen in heimischen Gewässern schon häufiger gemacht hatte.
132 Lkw rollen jede Nacht auf den Speditionshof
Nach einer kurzen Einarbeitung hat sie sich in ihre Arbeit gestürzt. "Ich habe die Chance, viel von Herrn Jäschke zu lernen", sagt sie ohne Umschweife. Bei VTL kümmert sie sich als Ansprechpartnerin um die Prozesse zwischen Depots und Zentrale, steuert die Verkehre und akquiriert neue Partner. Durchschnittlich rollen 132 Lkw jede Nacht auf den Speditionshof der Zentrale in Fulda. "Zu Spitzenzeiten sind wir an unserer Kapazitätsgrenze", sagt Birkhan.
Mehr Platz für den Umschlag, das wäre eine feine Sache. So könnten die internationalen Waren separat gesammelt werden, fern der hektischen Betriebsamkeit der nationalen Verkehre, so die Überlegungen bei VTL. Im Herbst 2014 soll die Erweiterung namens Europahalle mit 1.800 zusätzlichen Quadratmetern bezugsfertig sein, erläutert Birkhan die Planung.
Ziel: Prokuristin der Cargo Family
Die enge Zusammenarbeit mit Andreas Jäschke, die Abstimmungen und Diskussionen mit den 94 Partnern, "das alles macht einfach riesig Spaß", sagt die 27-Jährige. Das nächste große Ziel hat sich Birkhan auch bereits gesetzt. Sie will in die Fußstapfen ihres Vorgängers treten und Prokuristin der "Cargo Family" mit ihren 41 Gesellschaftern werden. "Das ist schon ein straffer Karriereplan", gibt sie lächelnd zu.