JansBlog Schwitzkasten statt Tauschpaletten

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Meinung

Beim Tausch von Paletten gibt es Rechte und Pflichten. Nun berichtet ein fränkischer Transportunternehmer über rohe Gewalt eines Lagermitarbeiters, weil sein Fahrer vergammelte Tauschpaletten nicht annehmen und zum Beweis ein Foto machen wollte.

Es gibt derzeit viele Probleme, die Transportunternehmer und ihre Fahrer aus vollkommen unterschiedlichen Blickwinkeln beschreiben. Bei einem Punkt sind sie jedoch einhelliger Meinung: die zunehmend schlimme Behandlung der Fahrer bei den Kunden, vor allem in den großen Zentrallagern des Einzelhandels. Politik, Gewerkschaft und Verbände fordern hier unisono, dass sich an den Rampen die Behandlung der Fahrer dringend verbessern müsse. Kein Wunder, denn im Zeichen des Fahrermangels suchen sich gute Fahrer zunehmend Stellen aus, die nicht mit einer Tour in Bau- oder Supermärkte verbunden sind.
Andere Fahrer kündigen derzeit ihre eigentlich gut bezahlte Stelle, weil sie sich von einem arroganten Lagerpersonal nicht weiter wie Idioten behandeln lassen wollen oder nicht länger einsehen, dass sie Ware einscannen und die Hochregallager der Warenempfänger bestücken sollen. Und das im Prinzip auf ihre Kosten, da sie von vielen Chefs dazu angehalten werden, den Tacho auf Pause zu stellen, damit es am Ende der Woche mit der Arbeitszeit reicht.

Es weht ein rauer Wind

Auch in diesem Sinne wird es spannend, was 2018 passiert, ob es einen Verkehrsminister geben wird, der etwa die deutschen Interessen im Kampf gegen das Sozialdumping auf europäischer Ebene vertritt, und ob den vielen Apellen zur Veränderung auch Taten folgen werden. „In der Branche weht ein rauer Wind“, sagt daher Stefan Thyroke, Bundesfachgruppenleiter Speditionen, Logistik und KEP von Verdi in einem Interview, das Anfang Januar im FERNFAHRER 2/2018 erscheinen wird.

Ein Fernfahrer im Schwitzkasten

In meinem letzten Blog für dieses Jahr will ich in diesem Zusammenhang eine unglaubliche Geschichte erzählen, die mir ein Transportunternehmer aus Franken anvertraut hat. Dessen Fahrer, Hans Lichtenfels, hatte eine Begegnung der unangenehmen Art mit einem groben Lagermeister bei einem Kunden an der A4 in Sachsen. Mir liegt sein schriftliches Protokoll vor. Dabei wollte Hans eigentlich alles richtig machen, was er im Recht Aktuell des FERNFAHRER11/2017 zum Thema Palettentausch gelesen hatte. Der Rat von Rechtsanwalt Harry Binhammer war ihm im Gedächtnis geblieben: „Ein Fahrer muss schrottreife Paletten ablehnen, weil man diese gegenüber dem Auftraggeber wieder gutschreiben lassen kann. Er muss es schriftlich vermerken und möglichst dokumentieren, etwa durch ein Foto mit dem Smartphone." 

Das genau hat Hans getan – er hat bemängelt, dass einige der ihm angebotenen 22 Paletten beschädigt und somit nach den EPAL-Bestimmungen nicht tauschfähig waren. Ebenso waren blaue CHEP-Paletten und Einwegpaletten dabei. Hans lehnte dieses Tauschgeschäft freundlich ab und sagte dem Lagermeister, er wolle die Paletten fotografieren, damit seine Disposition mit dem Versender der Ware Rücksprache halten könne. Ohne Vorwarnung wurde er daraufhin vom Lagermeister des Empfängers in den Schwitzkasten genommen. Dabei drückte dieser mit seinem Daumen so fest auf das Display des Handys, dass die Glasscheibe zu Bruch ging.

Aushändigung der Frachtpapiere verweigert

Doch damit nicht genug: Der Lagermeister forderte Hans nun auf, die Rampe zu verlassen und schubste ihn mehrmals, was die inzwischen kontaktierte Disposition live mithören konnte. Hans sollte nun den Lagermeister bitten, ihm, wenn er schon keine akzeptablen tauschfähigen Paletten hätte, dies so auf dem Lieferschein zu notieren und zu quittieren. Gesagt, getan – doch statt dieses Vermerks notierte der Lagermeister lediglich „Fahrer verweigert Palettentausch“ und forderte wiederum Hans auf, dies zu quittieren. Das tat Hans natürlich nicht – worauf der Lagermeister ihm nun seinerseits die Frachtpapiere gar nicht mehr aushändigte.

Anzeige bei der Polizei

In Absprache mit seinem Chef rief Hans über die Nummer 110 die Polizei und informierte sie über die Attacke und die Sachbeschädigung. Sein Chef bat die eingetroffenen Beamten dann via Telefon, dafür Sorge zu tragen, dass Hans seine Empfangsquittung bekommen würde. Die Beamten erklärten sich jedoch für nicht zuständig. Während der immer noch laufenden Telefonverbindung forderte die Polizei, so protokollierte es Hans` Chef, den Lieferschein doch einfach zu unterschreiben, was Hans verweigerte. Daraufhin soll einer der Beamten gesagt haben: „Entweder du unterschreibst jetzt diesen Lieferschein oder er bleibt da.“ Auch auf die Notiz „Unterschrieben im Auftrag der Polizei“ konnte man sich nicht einigen, denn die Polizei hatte ja nichts mit der Warenübergabe an sich zu tun. Schließlich riss der Lagermeister Hans den Kugelschreiber und den Lieferschein aus der Hand.

Unternehmer will klagen

Hans Chef informierte noch einmal seinen Auftraggeber, weitere 20 Minuten später übergab ihm ein anderer Lagermitarbeiter endlich die Frachtpapiere. Der handschriftliche Vermerk des Fahrers zur Tauschverweigerung war gestrichen.

Alles in allem dauerte der Vorgang von 12.30 bis 16.00 Uhr und löste eine Kettenreaktion aus, denn, so irre es klingen mag, der Kampf um die Paletten ist als Arbeitszeit im Tacho zu werten. Hans` Schicht war abgelaufen, er konnte an diesem Tag seine Rückladung nicht mehr aufnehmen und fuhr, da er für den nächsten Tag bereits für eine weitere Komplettladung eingeplant war, ganz früh leer zurück zum Standort in Franken.

Hans Arbeitgeber hat inzwischen den Verlust beziffert, den ihm der Empfänger durch diese missglückte Anlieferung eingebrockt hat: 3,5 Stunden unnötige Standzeit machen 175 Euro. Der Frachtverlust der Rücktour beträgt 260 Euro. Die Summe will er nun einklagen. „Denkbar ist ein Schadensersatz des Unternehmers gegen das andere Unternehmen oder direkt gegen den Rowdy“, sagt Rechtsanwalt Harry Binhammer. „Die Körperverletzung wird durch Hans‘ Anzeige ja schon strafrechtlich verfolgt. Hinzu kommt, dass der Fahrer auch Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche (also zivilrechtliche)  gegen den Rowdy haben dürfte.“

Friede auf Erden und an der Rampe

Liebe Leser, mit diesem Blog verabschiede ich mich für das Jahr 2017. Ich muss noch ein paar Weihnachtsgeschenke einkaufen gehen, da ich grundsätzlich Waren nicht online bestelle, um den innerstädtischen Handel am Leben zu erhalten. In diesem Sinne wünsche ich Euch ein besinnliches Weihnachtsfest, Friede auf Erden – und Friede an der Rampe!

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