JansBlog Feiertagssuff mit Todesfolge

dpa Foto: dpa

Am 28. Dezember raste ein Lkw-Fahrer aus der Ukraine auf der A61 bei Viersen in einen Streifenwagen der Polizei. Eine Polizistin starb. Bislang steht nur fest, dass der Fahrer zu diesem Zeitpunkt stark betrunken war und sich an nichts erinnert.

Es ist eine der zahlrechen Meldungen zu einem schlimmen Unfall zwischen Weinachten und Neujahr: Mit großer Bestürzung hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf den schweren Verkehrsunfall am Mittwochabend, den 28. Dezember 2017, auf der A61 bei Viersen reagiert. Dabei wurden eine 23-jährige Polizistin getötet und eine 48-jährige Polizistin sowie ein 22-jähriger Polizist schwer verletzt. Die Polizistin schwebt noch in Lebensgefahr. Rainer Peltz, stellvertretender Landesvorsitzender der GdP, schrieb in einer Pressemitteilung: “Unser tiefes Mitgefühl gilt jetzt der Familie und den Freunden der getöteten Kollegin.“

Weiter heißt es in der Meldung: “Der tragische Unfall zeigt, dass die Gefahren, denen Polizisten in ihrem täglichen Dienst ausgesetzt werden, real sind. Trotz umsichtiger Vorgehensweise hatten meine Kolleginnen und der Kollege keine Chance, den Unfall zu vermeiden. Dass unsere Kollegin ihr Leben lassen musste und die beiden anderen Kollegen schwer verletzt wurden, weil sie für die Verkehrssicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer gesorgt haben, werden wir nicht vergessen“, erklärte Peltz.

Ein absehbares Desaster

Als ich am Donnerstagnachmittag nach Weihnachten die ersten Meldungen in der Presse las, dass in der Nacht zuvor ein betrunkener Lkw-Fahrer aus der Ukraine auf der A61 in einen Streifenwagen der Polizei gerast war, wusste ich sofort, dass sich meine Befürchtungen vor den Festtagen bewahrheitet hatten. Erst am 5. Dezember hatte ich in meinem Blog “Totgeschwiegen“ erneut davor gewarnt, dass es ein ernst zu nehmendes Problem mit Lkw-Fahrern aus Osteuropa gibt, die sich gerade an den langen Wochenenden und Feiertagen betrinken (Blog "Ernüchternden Bilanz").

Gewerkschaft der Polizei ist überrascht

Der Unfall ereignete sich gegen 21.00 Uhr, heißt es in einer Pressemeldung der GdP. “Die Polizistinnen und ihr Kollege hatten den Auftrag, einen Lkw zu kontrollieren, der aus den Niederlanden kam. Die niederländische Polizei hatte vorher einen Hinweis auf auffällige Fahrweise des Lkw gegeben. In ihrem Streifenwagen warteten die zwei Kolleginnen und der Kollege auf dem Seitenstreifen, das Blaulicht und die Warnblinkanlage waren eingeschaltet.“ Es war, wie man heute mit etwas Abstand sagen kann, eine fatale Entscheidung.

Raymond Lausberg, Hauptinspektor der belgischen Autobahnpolizei in Battice an der E40 zwischen Aachen und Lüttich, spricht auf Nachfrage von einem Fehler, sich in so einem Fall auf dem Standstreifen zu positionieren. “Entweder wartet man auf einem Parkplatz oder in einer Auffahrt. Aber ein betrunkener Lkw-Fahrer mit einem 40-Tonner ist von einem Streifenwagen alleine nicht zu stoppen.“

Erst am 12. Januar 2017 hatte sein Team auf der E40 mit einem polnischen Fahrer zu tun, der mit einem niederländischen Trailer für einen internationalen Trailerlogistiker aus Österreich unterwegs war. Er wollte die Ausfahrt zur E40 als Auffahrt nutzen. Zum Glück war dort gerade ein Team der Autobahnpolizei unterwegs und konnte den Fahrer noch anhalten, bevor er mit später gemessenen 3,06 Promille als Geisterfahrer auf der falschen Seite der Autobahn unterwegs gewesen wäre.

Auf meine heutige Anfrage zeigte sich eine Sprecherin der GdP vollkommen überrascht, dass es gerade nach langen Wochenenden und zumal an den Festtagen wie Weihnachten oder Neujahr betrunkene Fahrer aus Osteuropa gibt, die im Lkw unterwegs sind. Diese Unkenntnis überrascht mich wiederum. Den bislang schlimmsten bekannten Fall gab es bereits am 1. Januar 2013, als ein betrunkener Lkw-Fahrer aus Lettland auf der A1 nahe Bremen seinen Sattelzug wenden wollte.

Wer auch immer entschieden hat, eine Polizeistreife aus der Stadt Viersen auf die Autobahn zu schicken, um dort einen 40-Tonner mit einem betrunkenen Fahrer zu “kontrollieren“, hat möglicherweise eine fatale Fehlentscheidung getroffen. Das werden nun die Ermittlungen zu klären haben.

Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach hält sich bedeckt

Ich habe nach dem Unfall sehr früh sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die ermittelnde Polizei in Mönchengladbach kontaktiert, um etwas über die Hintergründe des Unfalls zu erfahren. Derzeit ist man dort aber noch zu sehr mit der Frage beschäftigt, ob der Lkw-Fahrer mit Absicht auf den Streifenwagen zuraste. Gegen den 48-jährigen Ukrainer war am Donnerstag nach dem Unfall Haftbefehl wegen des Verdachts auf gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr, fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung erlassen worden. Eine Mordkommission ermittelt. Die Hintergründe zu dem Unfall haben bei der Ermittlungsarbeit derzeit keine Priorität.

Das Einzige, was die Staatsanwaltschaft dazu sagt: Der Lkw sei aus der Ukraine über Polen und Deutschland in die Niederlande gefahren. Und er war am Abend beladen aus dem Raum Maastricht kommend unterwegs, als er von einem Pkw-Fahrer der Autobahnpolizei Maastricht gemeldet wurde. Die zwei Promille nach dem ersten richtigen Arbeitstag in den Niederlanden könnten also durchaus der Restalkohol gewesen sein.

Zeuge will den Lkw in den Niederlanden gesehen haben

Es wäre für die ermittelnde Polizei ein Leichtes, anhand der Tachodaten nicht nur die Route sondern auch den Aufenthaltsort des Fahrers an Weihnachten zu ermitteln und anhand des Frachtbriefs die Frage zu klären, warum er mit einer mutmaßlichen Ladung für die Ukraine auf der A61 Richtung Süden unterwegs war.

Auf meine Bitte hin hat die niederländische Fahrerorganisation TBV-NL über Facebook gefragt, ob einem Fahrer der alte blaue DAF mit dem weißen Trailer aufgefallen sei. Und in der Tat, heute hat sich ein Zeuge gemeldet, der ihn am Samstag vor Weihnachten auf der A67 nahe Venlo gesehen haben will. Aufgefallen ist er deshalb, weil laut des Zeugen ein Licht kaputt und der Lkw in abwechselnder Geschwindigkeit unterwegs war. Ich habe die schriftliche Aussage an die Staatsanwaltschaft weiterleitet.

Einzelfälle oder ein neues Problem?

Zum Abschluss habe ich heute noch mit Siegfried Brockmann gesprochen, dem Leiter der Unfallforscher der Versicherer in Berlin. Laut den verfügbaren Statistiken gibt es im Jahr rund 400 von rund 23.000 Lkw-Unfällen, bei denen Alkoholeinfluss nachgewiesen werden kann, davon rund 80 Prozent bei Fahrzeugen unter 3,5 t zGG. “Unfälle unter Alkoholeinfluss spielen bei Lkw über 3,5 t eine absolut untergeordnete Rolle“, sagt Brockmann. “Gleichwohl zeigen einzelne Fälle aus der jüngeren Vergangenheit mit teils hochgradig alkoholisierten Fahrern, dass hier ein Problem erwachsen könnte, das Unfallforschung und Polizei wachsam beobachten sollten.“

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