JansBlog Fahrerausbildung: Gegenläufige Trends

Fahrer, Schulung, Lasi Foto: Jan Bergrath
Meinung

Erstmals seit 2011 ist die Zahl der Ausbildungsverträge wieder unter die magische Marke von 3000 gefallen. Dafür brummt es bei der Beschleunigten Grundqualifikation. Das hat Gründe.

Ich weiß nicht mehr genau, wie viele junge Frauen und Männer ich in den letzten Jahren im Rahmen der Serie "U 25" im Magazin FERNFAHRER persönlich bei ihren Firmen getroffen habe. Gut einhundert, schätze ich. Es waren in der Regel begeisterte junge Leute, die bereits die ersten Hürden genommen hatten und mit dem Lkw alleine unterwegs sein durften. Immer noch der für viele Auszubildende wohl entscheidende Moment der dreijährigen Lehre, die in Deutschland mit der begleitenden Berufsschule dual einher geht. Dafür beneiden uns manche Länder. Viele von Ihnen wurden von ihren Eltern, insbesondere dem Vater, früh für den Beruf inspiriert. Nur in einem Fall waren die Eltern Justizvollzugsbeamte. Ein klassischer Ausbruch aus der Familientradition.

Erstmals wieder unter 3.000 Ausbildungsverträge

Einmal im Jahr im März gibt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), die Zahlen der Ausbildungsverträge jeweils für das Vorjahr bekannt. Und nun ist in der Tat der Abwärtstrend der letzten Jahre bestätigt. Erstmals seit 2011, also gut zwei Jahre nach Beginn des Förderprogramms durch das Bundesverkehrsministerium, sprang die Zahl von 2.416 rasant auf 3.248 neue Verträge. Von dort ging es wieder leicht aber kontinuierlich bergab.

Und jetzt, also 2016, ist die Zahl wieder unter diese ermutigende "3000er" Marke gefallen. Genauer: 2.964 junge Leute haben einen neuen Vertrag abgeschlossen, das ist traurig, aber, um es immer noch positiv zu sehen,  es sind eben immer noch fast 3.000 junge Menschen, die sich für diesen Beruf entscheiden.

Ein Beruf, der immer öfter in der öffentlichen Kritik steht, dem vom Gesetzgeber immer mehr legale Fesseln auferlegt werden, der in einem Umfeld des harten Wettbewerbs über den Preis ausgetragen wird, und der mehr oder weniger konträr zum Freizeitverhalten der jungen Leute steht. Zu deren oft zu beklagender Rechtschreibung leider auch. Dafür trifft eine in der Regel doch technikbegeisterte und Smartphone-nutzende neue Generation auf alternative digitale Wege der Kommunikation in der modernen Logistik.

Mehr Frauen wollen Lkw fahren

Es finden sich auch in den nackten Zahlen immer wieder positive Kerne. Im Vergleich zum Vorjahr etwa ist die Zahl der weiblichen BKF-Azubis um 14,3 Prozent gestiegen. Und die Zahl der jungen Leute, die die Ausbildung am Ende bestehen, liegt bei 79,7 Prozent stabil. Im letzten Jahr haben Unternehmen wie LIT aus Brake oder Kellershohn aus Lindlar den Jung-Fahrern mit Erfolg eigene Ausbildungsfahrzeuge zur Verfügung gestellt. Andere Firmenchefs oder ihre Personalleiter fahren unverdrossen jedes Jahr auf Ausbildungsmessen, sie laden mit viel Engagement Schüler zu Probefahrten ein oder richten unverzagt weiter ihre "Tage des Berufskraftfahrers" aus, gute Facebook-Portraits von Firmen gewinnen bei der Fahrer- und Lehrlingssuche an Bedeutung. Andere Firmen, deren Namen mir bekannt sind, nutzen ihre Lehrlinge dagegen nur als billige Fahrer, sobald sie den Führerschein haben, und verschleißen sie dabei.

Ein bis zwei Lehrlinge finden sich immer wieder

Die gut organisierten mittelständischen Transportunternehmen, aber auch der Werkverkehr und die Entsorgungsbranche mit ihren besseren Arbeitszeiten, finden zum Glück immer noch pro Jahr ein bis zwei interessierte neue Lehrlinge, die sie konsequent durch alle Stationen der Lehre bis zur Abschlussprüfung vor der IHK bringen. Längst nicht alle Fahrer wollen danach im Fernverkehr die große weite Welt erobern. Manche lassen sich kurzfristig von ein paar Euro mehr locken, bis sie erkannt haben, dass es eben doch keinen Spaß macht, ein langes Wochenende in einem öden Industriegebiet zu verbringen, wenn daheim die Freundin wartet.

Die jungen Frauen von heute sind da nicht mehr so bereit wie die eigenen Mütter, also auch die Frauen der Elterngeneration der Nachwuchsfahrer. Dennoch: Die meisten dieser jungen Leute bleiben dem Unternehmen dann auch über die Lehre hinaus erhalten. Das lässt nur einen Schluss zu: dran bleiben. Am Ende zahlt sich die konsequente Ausbildung doch aus. Wenn da nicht noch die Beschleunigte Grundqualifikation wäre.

Immer mehr beschleunigt ausgebildete Fahrer

Seit 2009 muss jeder, der mit seinem neu erworbenen Führerschein einen Lkw gewerblich fahren will, eine Beschleunigte Grundqualifikation von 140 Zeitstunden mit anschließender Prüfung machen. Damals, zu Beginn dieser gesetzlichen Vorgabe, waren es noch 3.067 Teilnehmer, seither ist diese Zahl Jahr für Jahr gewachsen. Auf sage und schreibe 16.463 Teilnehmer.

Wie viele davon am Ende die Prüfung bestehen ist leider nicht mehr bekannt. Der DIHK veröffentlicht die Quote nicht mehr, bislang lag sie immer zwischen 83 und 85 Prozent, was eigentlich gut ist, denn es sind vielfach Leute dabei, die aus der Arbeitslosigkeit in einem Beruf gedrängt werden, zu dem sie keinerlei Beziehungen haben. Auch wie viele der Absolventen der Branche am Ende erhalten bleiben ist nicht bekannt. Spricht man mit den Unternehmern ist es eher ein Glücksfall, wenn die älteren Absolventen nach betriebsinternen weiteren Schulungen am Ball bzw. Steuer bleiben. Auch sind es die Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe selber, die hier manche Quereinsteiger schnell scheitern lassen.

Fehler im System

Eins ist mir aber über die Jahre auch klar geworden. Es gibt einen gravierenden Fehler im System, der diese unterschiedlichen Zahlen erklären könnte. Es gibt durchaus einige junge Leute, die, wenn sie im Rahmen ihrer dreijährigen Ausbildung den Lkw-Führerschein gemacht haben und danach für das Lehrlingsgehalt wie ein voller Profi arbeiten müssen, die Ausbildung im dritten Lehrjahr bereits beenden und mit dem in der Ausbildung erworbenen Fachwissen auch ohne die 140 vorgeschriebenen Zeitstunden die Abschlussprüfung der Beschleunigten Grundqualifikation bestehen. Der Grund ist einfach: Dann arbeiten sie mit ihrer im Führerschein eingetragenen Kennziffer "95" bereits früher eben für den richtigen Lohn des Berufskraftfahrers. Nicht selten, weil daheim eine junge Frau mit einem Kind das Geld braucht.

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