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Interview Dr. Jörg Mosolf "Das Internet kennt keine Grenzen"

Foto: Mosolf Gruppe

Dr. Jörg Mosolf über Trends in der Fahrzeuglogistik, Elektromobilität und Bahntransporte nach China.

Herr Mosolf, auf dem Deutschen Logistik-Kongress in Berlin haben Sie die elektrischen Kompakt-Nutzfahrzeuge des US-Start-Ups Tropos Motors vorgestellt – dabei sind Sie doch Fahrzeuglogistiker und nicht -Händler?

Unser Kerngeschäft ist weiter der Fahrzeugtransport. Aber wir verstehen uns heute auch schon zum Teil als Mobilitätsdienstleister. Ein Trend der Zukunft wird meiner Ansicht die weitere Urbanisierung und das Thema Megacitys sein und da gehört die Elektromobilität dazu. Mit unserem Engagement wollen wir zur Problemlösung beitragen. Tropos ist ein Nischenprodukt, eine Ergänzung zu den bestehenden Fahrzeugangeboten, die es so im Markt noch nicht gibt. Für unser Haus ist das auch deshalb interessant, weil wir gerade bei Kleinserien bemüht sind, immer tiefer die Wertschöpfung zu gehen und uns weitere Kompetenzen erarbeiten.

Welche?

Mit eigenen Lackieranlagen und Werkstätten haben wir bereits starke Kompetenzen in den Bereichen Lack und Mechanik, mit Tropos kommt noch der Bereich Elektromobilität hinzu. Das ist positiv für unser Stellung im Markt sowie für die Mitarbeiterentwicklung.

Wie stehen Sie denn als Logistiker dem Thema Elektromobilität gegenüber? Schließlich müssen Sie die Fahrzeuge auch transportieren.

Klar wird das ein paar Umstellungen mit sich bringen werden, die Batterien gelten ja als Gefahrgut. Wir müssen also unsere Mitarbeiter anders schulen und uns auch der Frage stellen, wo und wie wir die Fahrzeuge laden – in der Menge, wie wir Fahrzeuge vorbereiten, reden wir da von einem Starkstromanschluss.

Sehen Sie in der Elektromobilität die Lösung der Verkehrsprobleme der Zukunft?

Nach meiner Ansicht werden hier immer zu viele Standpunkte durcheinandergebracht. Zum Thema positive Klimabilanz vermisse ich statt den Aussagen der Politiker mehr Antworten von Wissenschaftlern, die sich dazu äußern sollten, wie positiv die E-Mobilität tatsächlich ist, von der Rohstoffgewinnung angefangen. Zudem muss man unterscheiden: Im urbanen Raum, wo Wohnen und Arbeiten zusammenfallen, macht E-Mobilität auch unter dem Gesichtspunkt Geräuschemissionen durchaus Sinn, im Fernverkehr dagegen weniger.

Und in der eigenen Flotte?

Unsere Flotte ist international und oft in grenzüberschreitenden Trampverkehren unterwegs – ehrlich, das bringt ein E-Lkw nicht, auch nicht auf längere Sicht.

Haben Sie andere alternative Antriebe ausprobiert?

Wir haben aktuell einen Scania-Lkw mit CNG-Antrieb bestellt, aber unser Problem ist die mangelhafte Verfügbarkeit von Tankstellen.

Sind Sie privat auch mit einem E-Fahrzeug unterwegs?

Ich fahre sozusagen als Zweitwagen einen Hybrid Plug-in. Auch haben wir im Vorstand ein Fuel-Cell-Fahrzeug. Das hat auch strategische Gründe, weshalb wir vom Vorstand der Mosolf-Gruppe durchaus auch untereinander mal die Fahrzeuge tauschen: Wir wollen ja auch wissen, welche neuen Technologien funktionieren und was Neuerungen am Fahrzeug für die Logistik bedeuten.

Bewegen wir uns weg von der Straße – Mosolf hat im Frühjahr angekündigt, künftig auch Fahrzeuge auf der Schiene nach China zu transportieren. Wie weit sind diese Pläne gediehen?

Ich bin überzeugt, dass der Transport über die Seidenstraße eine gute Ergänzung zum bisherigen Logistikkonzept per Seeschiff ist. Der Austausch im Zusammenhang mit dem One-belt-one road-Konzept wird zunehmend kommen. Im Export findet schon einiges statt, im Import wird man noch sehen, was da kommt. Im ersten Schritt haben wir im Juli in China eine 100prozentige Tochter in Chengdu gegründet. Das hat mit einem Jahr Vorlauf etwas länger gedauert, aber jetzt haben wir alle notwendigen Lizenzen und können entsprechende und vor allem durchgehende Angebote für ganz China abgeben.

Und der nächste Schritt?

Der war auf der europäischen Seite: Weil die chinesische Eisenbahn stark auf Container setzt und die Exportcontainer beziehungsweise sämtliche Leercontainer im polnischen Lodz landen, ist das unser Ausgangspunkt. Wir haben dort eine eigene Firma und auch ein eigenes Containerterminal gegründet. Die Fahrzeuge werden mit Autotransportern oder auf der Schiene nach Lodz befördert und dort von unseren eigenen Mitarbeitern in die Container gepackt, entweder flach oder auf Racks, abhängig vom Ladefaktor. In China nehmen unsere Mitarbeiter die Autos in Empfang, entladen sie und übergeben sie dem Kunden. Ein one-stop-Prozess: ein Preis, eine Verantwortung und ein Dokument.

Und der nächste Schritt?

Mitte November richten wir, also Mosolf China, in Chengdu eine Konferenz zum Thema Automotive aus. Ziel ist, Reeder, Häfen, EVUs und natürlich auch unsere Kunden – OEMs und Importeure, ebenso wie die chinesische Automobilindustrie – auf das Angebot aufmerksam zu machen.

Kommen wir auf den europäischen Markt zu sprechen: Machen sich die Vorboten des Brexits bei Mosolf bemerkbar?

Bei den Eisenbahnverkehren nach Großbritannien schon, das ist weniger geworden. Bei den Lkw-Verkehren aber weniger, weil das nicht unsere Hauptrouten sind.

Verspüren Sie allgemein einen Rückgang?

Nein, das Neuwagengeschäft ist momentan nicht weniger geworden. Aber es macht nur noch 50 Prozent unseres Gesamtvolumens aus. Stark wächst hingegen der Bereich Gebrauchtfahrzeughandel, was für uns mehr Geschäft und längere Strecken bedeutet.

Weil die Autos nicht mehr nur regional verkauft werden?

Ja, das Internet kennt keine Grenzen, und das generiert im Vergleich zu früher mehr Transporte, sowohl für private Autokäufer als auch für Händler, die Fahrzeuge in Zahlung nehmen beziehungsweise international aufkaufen.

Ein weiteres Wachstumsfeld sind auch die Mehrwertleistungen.

Richtig. Das Transportgeschäft macht zwar noch 70 Prozent des Umsatzes, inklusive solche Standards wie Lagerung auf Platz, waschen und so weiter. 30 Prozent Umsatz machen aber die anderen Themen. Kundenbindung bedeutet für uns immer, ein gutes Lösungsangebot zu entwickeln. Dadurch gewinnen wir auch immer wieder neue Kundengruppen.

Beispielsweise…?

Etwa Regierungspräsidien: Wir übernehmen im Rahmen der Flottenerneuerung der Polizei die Neufahrzeuge direkt vom OEM und bauen etwa für die Einsatzfahrzeuge alles Notwendige ein, von der Sitzbank über Funkgeräte und Hundekäfige bis zu den Waffenkisten, und übernehmen auch die Folierung. Auch das Thema Sourcing und den Kontakt mit den Zulieferern übernehmen wir. Das machen wir inzwischen mit großem Erfolg für eine ganze Reihe Kunden, darunter auch die behördlichen Flottenbetreiber.

Zur Person

  • Dr. Jörg Mosolf ist Vorstandsvorsitzender und geschäftsführender Gesellschafter der Mosolf Group mit Sitz in Kirchheim unter Teck.
  • Nach einer Ausbildung zum Speditionskaufmann und einem MBA-Abschluss in St. Gallen promovierte er an der Universität von Prag.
  • Nach Stationen in London, Frankreich und in verschiedenen Niederlassungen der Mosolf Gruppe kehrte er 2002 als Unternehmenssprecher in die Firmenzentrale zurück.

Das Unternehmen

  • 1955 gegründet, hat die Mosolf Group heute nach eigenen Angaben rund 2.800 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 417 Millionen Euro
  • Das Unternehmen betreibt 38-Technik- und Logistikzentren und setzt 1.000 Fahrzeugspezialtransporter.
  • Im Bahnverkehr setzt es 350 Doppelstockwaggons sowie zwei Binnenschiffe ein
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