Der Ladevorgang bei Elektrofahrzeugen ist oft langwierig und infolge Kabelsalat meist nicht sehr komfortabel. Abhilfe könnte das induktive Laden schaffen.
Die Elektromobilität gewinnt stetig an Fahrt. Längst ist klar, dass vor allem die Verkehre auf der letzten Meile für batterieelektrische Antriebe prädestiniert sind. Kurze Strecken, Laden über Nacht – das umgeht die störendsten Nachteile der Stromer. Auf der Langstrecke hat die Technik aber mit weiteren Problemen zu kämpfen. Reichweiten von 500 Kilometern mögen für Pkw noch darstellbar sein. Im Nutzfahrzeug, ob Transporter oder Lkw, gehen hohe Reichweiten aber einher mit entsprechend üppigen und damit schweren Batteriepaketen, welche die Nutzlast empfindlich schmälern. Als Ausweg gelten Insellösungen wie die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle oder gar Oberleitungen für Lkw. Doch auch der Betrieb von Kurzstreckenstromern hat seine Tücken.
Witricity hilt beim Parken am richtigen Fleck
Nutzern von Elektrotransportern ist der Ablauf nur zu gut bekannt: Kabel unter dem Sitz hervorkramen, Knoten entwirren, mit der Software der Ladesäule hadern, einstöpseln, laden. Glücklicherweise kennt die Physik aber nicht nur eine Variante, wie sich elektrische Energie aus dem Stromnetz in Batterien übertragen lässt. Schon Tesla hatte seinerzeit die große Vision, Energie über die Luft zu verschicken. Geklappt hat das bis jetzt nur in sehr begrenztem Maße – mehr als ein paar glühende Leuchtstoffröhren, die das elektrostatische Feld einer Teslaspule anzapfen, und spektakuläre Blitze sind kaum drin. Zudem wären Lichtbögen unter Hochspannung wohl nicht gerade der sicherste Weg, um einen Akku aufzuladen. Tatsächlich aber lassen sich Akkus berührungslos oder zumindest ohne offene Kontakte aufladen. Elektrische Zahnbürsten, neuere Handymodelle und auch immer mehr Automobile nutzen dafür das sogenannte induktive Laden. Hierbei wird die Energie nicht auf fast magische Weise über die Luft verschickt. Vielmehr machen sich die Ingenieure das Prinzip der Gegeninduktion zunutze, also die Wechselwirkung zwischen Strom, Leiterspulen und magnetischen Feldern auf kurzen Strecken. Als Sender fungiert die erste Spule. Diese ist an die primäre Energiequelle angeschlossen. Der Wechselstrom, der sie durchfließt, induziert ein Magnetfeld. Steht das Fahrzeug mit der Empfängerspule an Bord am richtigen Platz, also direkt über der Senderspule, wirkt das Magnetfeld wiederum auf den Empfänger. Dort bringt es die Elektronen in der Empfängerspule in Wallung. Ein Gleichrichter wechselt den Wechselstrom in Gleichstrom um. Diesen nutzt die Elektronik, um den Akku wieder aufzuladen. Das Magnetfeld überträgt den Strom mit einem Wirkungsgrad von etwa 85 Prozent aus der Steckdose ans Auto.
Wichtig ist neben der möglichst exakten Position der beiden Spulen zueinander auch der Abstand. Liegt zu viel Luft zwischen Sender und Empfänger, nimmt der Wirkungsgrad rapide ab. Im Gegenzug ist die Technik aber relativ unempfindlich gegenüber Schnee und Eis, solange eben die Maximaldistanz nicht überschritten wird. Der Sender könnte also im Boden eingelassen sein. Gegen meterhohen Neuschnee kommt aber auch die Induktionsladetechnik nicht an. Das am Massachusetts Institute of Technology in Boston gegründete Unternehmen Witricity realisiert mit seiner Technik bereits Ladeleistungen von 22 kW, kann also mit einer Wallbox mithalten. Das Problem, dass die beiden Spulen möglichst perfekt übereinanderliegen müssen, löst Witricity über das Navidisplay im Fahrzeug. Pfeile signalisieren dem Fahrer, wie er am richtigen Fleck parkt. Das System von Witricity lässt eine Abweichung um zehn Zentimeter zur Seite und 7,5 Zentimeter nach vorne und hinten zu. 22 kW sind für Pkw ein brauchbarer Wert. Um einen Lkw zu laden, reicht das aber nicht. Der Technologiekonzern Mahle hat jüngst die Lizenz für ein induktives Ladesystem von Witricity erworben und hat zumindest nicht dementiert, dass sich an der Ladeleistung künftig etwas ändern könnte.Ein komplett anderer Ansatz vereint die Idee der altbekannten stromführenden Oberleitung mit der Induktionstechnik. Statt nur einen Sender in den Boden einzulassen, sieht dieses System vor, unter kompletten Fahrspuren mehrere Induktionsspulen zu verlegen. Elektroautos können damit während der Fahrt ihre Akkus wieder aufladen. Damit entfallen Ladepausen komplett. Gleichzeitig könnten die Batterien wesentlich kleiner ausfallen als bisher. Langstrecken-Speicher für 500 Kilometer und mehr wären nicht mehr nötig. Schließlich kann der Fahrer ja, sobald die nötige Infrastruktur verbaut ist, flugs auf die Ladespur einschwenken. Hohe Investitionskosten in die Infrastruktur stehen dieser Idee aber aktuell noch im Wege. Ein weiterer Nachteil des induktiven Ladens unterwegs: Der Fahrer muss seinen Vortrieb ein ganzes Stück weit einbremsen. Das wäre aber nur ein kleiner Preis im Vergleich zu einer langen Ladepause an der Steckdose im Depot.